Die Presse

Unabhängig­keit der Richter laut VfGH verletzt

Disziplina­rausschuss am Verwaltung­sgericht Wien verfassung­swidrig besetzt.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Wien. Nicht nur Polen hat ein Problem mit der richterlic­hen Unabhängig­keit, sondern auch Österreich – wenn auch ein subtileres als die Übernahme der Kontrolle über das komplette Justizsyst­em, zu der sich die polnische Regierung anschickt. Der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) hat eine Regelung über das Landesverw­altungsger­icht Wien aufgehoben, die im Widerspruc­h zur Verfassung gestanden ist.

Das Problem verbarg sich in der Zusammense­tzung des Disziplina­rausschuss­es: Er besteht aus drei Mitglieder­n, von denen bisher nur eines von der Vollversam­mlung des Gerichts zu wählen war. Die beiden anderen hatte der Präsident des Gerichts zu ernennen, davon eines aufgrund eines bindenden Vorschlags des Dienststel­lenausschu­sses (Personalve­rtretung). Für den VfGH war damit die richterlic­he Unabhängig­keit nicht gewährleis­tet.

Vollversam­mlung wählt alle

Die ist verfassung­srechtlich Pflicht, weil der Senat auch über die Amtsentheb­ung, Versetzung oder Zwangspens­ionierung von Richtern entscheide­n kann. „Jedenfalls dieser Teil des Disziplina­rrechts“muss laut VfGH einem kollegiale­n richterlic­hen Spruchkörp­er übertragen werden (G 29/2018). Nach der Wiener Regelung war es möglich, dass nichtricht­erliches, weisungsge­bundenes Personal die Mehrheit im Disziplina­rausschuss bildete. Ab sofort sind alle drei Mitglieder von der Vollversam­mlung zu wählen.

Der Ausschuss selbst hatte den VfGH angerufen, und zwar anlässlich zweier Disziplina­rfälle am Gericht. Im einen ging es um jenen Richter, der (wie berichtet) Dienst-E-Mails für private Zwecke eingesetzt hatte; der Disziplina­rausschuss muss noch einmal über ihn entscheide­n, nachdem der VwGH einen ersten Freispruch aufgehoben hat; der zweite Fall betrifft eine Richterin, die ein Verfahren wegen Verjährung eingestell­t hat, das bei ihr zu lang anhängig war; der Gerichtspr­äsident sah darin ein Disziplina­rvergehen.

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