Putzen gegen das Vergessen: 79-Jähriger erinnert an Nazi-Opfer
Salzburg. Gerhard Geier poliert die Stolpersteine, die in Straßen an Opfer des Terrors erinnern. Eine schlichte Geste, die für viel Aufmerksamkeit sorgt.
Es sind schlichte Metallplatten, die in den Boden eingelassen sind: Stolpersteine heißen die kleinen Mahnmale, die auf vielen Salzburger Gehsteigen an die Opfer des Nazi-Terrors erinnern.
Seit dem Jahr 2007 werden alljährlich einige dieser kleinen Platten neu verlegt. Sie sind Sonne, Regen, Schnee, Salz, Staub und den Füßen der Vorübergehenden ausgesetzt. Die Metallplatten verwittern, die Namen der Opfer werden so dunkel, dass man sie kaum mehr entziffern kann.
„Ich musste mich immer bücken, um die Namen und Daten auf den Platten lesen zu können“, erzählt Gerhard Geier, „ich habe mir gedacht, die gehören einmal geputzt.“Eine Idee, die den pensionierten Eisenbahner, der am Sonntag seinen 79. Geburtstag feierte, nicht mehr losließ.
Im vergangenen November hat er sich dann angesichts der Berichte über die 80 Jahre zurückliegende Pogromnacht entschlossen, als seinen persönlichen Beitrag zur Erinnerungsarbeit die 388 Stolpersteine in Salzburg zu putzen.
Seit 14. April ist er nun mit einem kleinen Wägelchen unterwegs, um Stolperstein um Stolperstein zu bearbeiten. Mit Bartwisch, Salzlösung, Zitronensaft, Essig, einer Akkupoliermaschine und Wiener Kalk. Am Schluss poliert er mit einem Tuch händisch nach.
Die einfache Geste des Erinnerns hat Geier mittlerweile einiges an Berühmtheit eingebracht. Sogar die BBC hat sich bei ihm schon gemeldet. Vier Stunden war ein Team des britischen Senders mit dem Salzburger unterwegs, um ihn bei seiner Arbeit zu begleiten.
Seine Tochter habe ihm gesagt, dass schon mehr als 1,3 Millionen Menschen den Beitrag gesehen haben. Auch andere Medien haben ihn begleitet. Der Rummel um seine Person ist dem 79-Jährigen ein bisschen unangenehm. „Es geht um die Stolpersteine und nicht um mich“, betont er.
Für den gebürtigen Pongauer, der seit eineinhalb Jahren mit seiner Frau in Salzburg wohnt, sind die kleinen Mahnmale zu neuen emotionalen Bezugspunkten in der Stadt geworden. „In der Elisabeth-Vorstand und in Itzling gibt es viele Stolpersteine für Widerstandskämpfer“, erzählt Geier, „dort haben viele Eisenbahner gewohnt.“Das sei ihm vorher nicht so bewusst gewesen. Der erste Stolperstein, den er bearbeitet hat, lag ganz in der Nähe seiner Wohnung in der Landeshauptstadt. Die Messingplatte erinnert an den Widerstandskämpfer Karl Steinocher. Dessen Sohn hat Geier gut gekannt.
Im Andräviertel erinnern die Namen an jüdische Familien. Wie an Hugo, Paula und Egon Singer, die in der Franz-Josef-Straße gewohnt haben und im Jahr 1942 deportiert und ermordet wurden. Geier hockt vor den
Das Personenkomitee „Stolpersteine“hat im Jahr 2007 das Erinnerungsprojekt des deutschen Künstlers Gunter Demnig nach Salzburg geholt. Bisher erinnern 388 Stolpersteine an die Vertreibung und Vernichtung von Juden, Roma und Sinti, an Euthanasieopfer oder politisch Verfolgte. Der 79-jährige gebürtige Pongauer Gerhard Geier hat im April des heurigen Jahres damit begonnen, diese Stolpersteine in Salzburg zu reinigen. www.stolpersteine-salzburg.at drei kleinen Messingplatten und bearbeitet sie mit Putzzeug: Er kehrt sie ab, sprüht sei ein und poliert sie so lang, bis sie wieder glänzen und man die Schrift gut lesen kann.
Die Handgriffe sind routiniert. Doch Emotionen bleiben. „Es sind so viele Frauen und Kinder“, sagt Geier, jedes Mal über die Schicksale wieder betroffen. Es ist eine Art Stadtvermessung, die der 79-Jährige da unternimmt. Anhand der im gesamten Stadtgebiet verlegten Mahnmale im Boden sieht er die sonst so putzige Mozartstadt neu. Es ist der Blick auf die dunkle Seite der Vergangenheit.
Viele Menschen haben ihm für seine Geste der Erinnerung spontan gedankt. Wie ein Mann, der ihm in der Paris-Lodron-Straße lang wortlos zugesehen hat. „Dann ist er gekommen, hat mir die Hand gegeben und Danke gesagt“, erzählt Geier.
Von den insgesamt 388 Stolpersteinen, die es in Salzburgs gibt, hat er mittlerweile bereits 320 geputzt. Bald ist der Salzburger also mit seiner Tätigkeit fertig. Dann will er mit seiner Frau den Sommer am Wolfgangsee genießen und wieder öfter schwimmen gehen.