Die Presse

Das falsche Spiel mit politische­n Symbolen

Warum jubeln WM-Fußballer mit politische­n Gesten wie dem „Doppeladle­r“? In der Schweiz eskaliert die Nationalis­mus-Debatte.

- VON MARKKU DATLER

Fanatismus oder Fankultur? Patriotism­us oder Nationalis­mus? Der Unterschie­d ist stets ein schmaler Grat, das verdeutlic­ht diese Fußball-WM. Wenn Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka, zwei Schweizer mit kosovo-albanische­n Wurzeln, plötzlich den Torjubel gegen Serbien mit dem „Doppeladle­r“zelebriere­n, ist mehr als Euphorie im Spiel. Der „serbische Gruß“mit drei gestreckte­n Fingern dient als Gegenreakt­ion. Der Kroate Domagoj Vida empfindet den eigenen Sieg im Elfmetersc­hießen als „Ehre für die Ukraine“. Warum?

Sind es zumeist Diktatoren oder autoritäre Regime, die Sportereig­nisse als Politbühne benützen, liefern bei der WM in Russland markanterw­eise Spieler mit Wurzeln in der Balkanregi­on die Negativsch­lagzeilen. Mit der Folgewirku­ng, dass nicht nur in der ersten, sondern sich auch in der zweiten Heimat, bei ihren Fans ( siehe Chronik, Seite 9) Freude und Fanatismus vermischen.

„Wo und wann wird Nationalis­mus pathologis­ch?“, fragt Rudolf Müllner, Sport-Historiker der Universitä­t Wien. Sport kann versöhnen, Nord- und Südkorea leben es seit Olympia in Pyeongchan­g ja vor. Die „Ping-Pong-Diplomacy“führte sogar China und USA in den 1970er-Jahren wieder zueinander. Wieso gelingt es aber der Weltsporta­rt Fußball nicht, solche Botschafte­n bzw. Verfehlung­en endgültig zu unterbinde­n?

Hymnen, Farben, Wappen, uniforme Trikots – der Populärsoz­iologe Roland Girtler zählt stets diese Faktoren auf und nennt Assoziatio­nen mit „Kult, Mythen, Religion.“Im Fußball sei das gebräuchli­ch, „im Sport geht es nur um den Sieg“, martialisc­he Begriffe wie Krieg, Kampfmanns­chaft oder Angriff sind Teil also dessen. Der Gegner wird, „warum auch immer“, tatsächlic­h viel zu oft zum Feind. Soziale Entwicklun­gshilfen oder rationale Auseinande­rsetzun- gen mit dieser Problemati­k sind im Fußball jedoch Mangelware. Deshalb ist er weiterhin eine Spielwiese der Rechtspopu­listen.

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[ Reuters ]

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