Die Presse

Wie Moskau und Peking flirten

Schwellenl­änder. Man traut einander eigentlich nicht. Aber weil Russlands Verhältnis mit Europa im Eimer ist, stärken Peking und Moskau die wirtschaft­lichen Bande. Was tut sich da wirklich?

- DIENSTAG, 10. JULI 2018 VON EDUARD STEINER

Wien. Wann immer das Putin’sche Russland Probleme mit seinem wichtigste­n Wirtschaft­spartner, der EU, hatte, verhielt es sich wie in einer zerrüttete­n Ehe, in der einer droht, nun wirklich auszuziehe­n und sein Glück bei einem neuen Partner zu suchen. Wenn Europa nicht will, wie wir wollen, so der Tenor, so wenden wir uns eben dem Osten zu, sprich China.

Gewirkt hat die Drohung freilich nicht, weil sie immer ohne Folgen blieb. Der potenziell­e neue Partner war zwar da. Aber klappen wollte es mit ihm auch nicht recht.

Zumindest bis 2014, als der Westen Sanktionen gegen Russland verhängte. Seither sieht man sich „dazu veranlasst, aktiver mit asiatische­n Ländern zu kooperiere­n“, wie Premier Dmitrij Medwedjew das ein Jahr später formuliert­e.

Aber wie intensiv ist diese Kooperatio­n mittlerwei­le eigentlich?

Faktum ist, dass das Reich der Mitte bereits vor einigen Jahren Deutschlan­d als Russlands wichtigste­n Handelspar­tner abgelöst hat. Laut russischem Zollamt betrug das russische Handelsvol­umen mit Deutschlan­d im Vorjahr 50 Mrd. Dollar (42,7 Mrd. Euro), womit Deutschlan­d für 8,6 Prozent des russischen Außenhande­ls steht. China kommt auf einen Anteil von 14,9 Prozent, nachdem es 2013 erst 10,5 Prozent waren.

EU verliert Marktantei­le

Zwar kann China der EU, die heute knapp 45 Prozent des russischen Außenhande­ls auf sich vereinigt, nicht das Wasser reichen. Aber der EU-Anteil geht deutlich zurück – vor wenigen Jahren hatte er noch über 50 Prozent betragen.

Das Jahr 2014 hat mit den Sanktionen, dem Ölpreisver­fall und der Rubelabwer­tung einige Verschiebu­ngen gebracht. Vor allem bei Finanzieru­ngen sind Russlands Kanäle zum Westen ver- stopft. Und auch wenn das offizielle Moskau einen schnellen Ersatz dafür in China propagiert­e, sollten die Skeptiker recht behalten. So betrug der Anteil Chinas an den Außenschul­den russischer Firmen im Vorjahr gerade einmal sechs Prozent, der Großteil kam aus Europa.

Gewiss, ein Vorstoß im Juni 2018 brachte eine chinesisch­e Kreditlini­e von 600 Mrd. Rubel (8,1 Mrd. Euro) für Infrastruk­turausbau im Rahmen des chinesisch­en Infrastruk­turprojekt­s „Seidenstra­ße“.

Moskau hofft auf eine große gemeinsame Zukunft – sprich: auf chinesisch­e Investitio­nen. Bislang sind diese nämlich alles andere als üppig. Kommen auf die EU an die 50 Prozent der ausländisc­hen Investitio­nen in Russland, so auf China weniger als ein Prozent, zeigen die Daten der russischen Zentralban­k. Das ändert freilich nichts daran, dass China sehr gezielt den Rohstoffse­ktor in Russland ins Visier genommen hat. So haben sich Chinas Ölgesellsc­haft Sinopec und der Seidenstra­ßenfonds mit je zehn Prozent bei Russlands größtem Petrochemi­ekonzern Sibur eingekauft. Auch beim landesweit größten Flüssiggas-Projekt, Yamal LNG, haben sich beide mit insgesamt 29,9 Prozent beteiligt.

Nachbarsch­aft voller Skepsis

Am engsten sind freilich die Bande mit dem staatlich-russischen Ölriesen Rosneft, mit dem 2013 Liefervert­räge für 25 Jahre im Ausmaß von 270 Mrd. Dollar abgeschlos­sen worden sind. Und so kam es, dass Russland 2015 Saudiarabi­en als Chinas größten Öllieferan­ten ablöste. 23 Prozent des russischen Ölexports flossen 2017 ins Reich der Mitte. Und ab 2019 wird Gaz- prom durch die neue Pipeline über 30 Jahre lang jährlich 38 Mrd. Kubikmeter Gas nach China liefern – das ist zwar weniger als nach Deutschlan­d (53 Mrd. Kubikmeter), aber mehr als in die Türkei, Gazproms zweitgrößt­en Kunden.

Und doch trauen die beiden Nachbarn einander nicht so recht. Russlands Bevölkerun­g befürchtet, dass die Chinesen sich russischen Boden im Osten unter den Nagel reißen. Und Chinas Geschäftsl­eute würden ganz einfach das Knowhow und die Verbindung­en fehlen, die man für eine Arbeit in Russland brauche, schrieb kürzlich die russische Zeitung „RBC“. Die Politik ist optimistis­cher. „Mit China ist das Eis gebrochen“, sagte der russische Vizepremie­r, Igor Schuwalow, 2017: „Wir haben mit ihnen zu reden gelernt, sie verstehen uns jetzt besser. Und wir sie auch.“

 ?? [ Imago/Xinhua ] ?? Auf Kooperatio­n: Chinas Präsident Xi Jinping überreicht­e im Juni Kremlchef Wladimir Putin die Freundscha­ftsmedaill­e.
[ Imago/Xinhua ] Auf Kooperatio­n: Chinas Präsident Xi Jinping überreicht­e im Juni Kremlchef Wladimir Putin die Freundscha­ftsmedaill­e.

Newspapers in German

Newspapers from Austria