Wie Moskau und Peking flirten
Schwellenländer. Man traut einander eigentlich nicht. Aber weil Russlands Verhältnis mit Europa im Eimer ist, stärken Peking und Moskau die wirtschaftlichen Bande. Was tut sich da wirklich?
Wien. Wann immer das Putin’sche Russland Probleme mit seinem wichtigsten Wirtschaftspartner, der EU, hatte, verhielt es sich wie in einer zerrütteten Ehe, in der einer droht, nun wirklich auszuziehen und sein Glück bei einem neuen Partner zu suchen. Wenn Europa nicht will, wie wir wollen, so der Tenor, so wenden wir uns eben dem Osten zu, sprich China.
Gewirkt hat die Drohung freilich nicht, weil sie immer ohne Folgen blieb. Der potenzielle neue Partner war zwar da. Aber klappen wollte es mit ihm auch nicht recht.
Zumindest bis 2014, als der Westen Sanktionen gegen Russland verhängte. Seither sieht man sich „dazu veranlasst, aktiver mit asiatischen Ländern zu kooperieren“, wie Premier Dmitrij Medwedjew das ein Jahr später formulierte.
Aber wie intensiv ist diese Kooperation mittlerweile eigentlich?
Faktum ist, dass das Reich der Mitte bereits vor einigen Jahren Deutschland als Russlands wichtigsten Handelspartner abgelöst hat. Laut russischem Zollamt betrug das russische Handelsvolumen mit Deutschland im Vorjahr 50 Mrd. Dollar (42,7 Mrd. Euro), womit Deutschland für 8,6 Prozent des russischen Außenhandels steht. China kommt auf einen Anteil von 14,9 Prozent, nachdem es 2013 erst 10,5 Prozent waren.
EU verliert Marktanteile
Zwar kann China der EU, die heute knapp 45 Prozent des russischen Außenhandels auf sich vereinigt, nicht das Wasser reichen. Aber der EU-Anteil geht deutlich zurück – vor wenigen Jahren hatte er noch über 50 Prozent betragen.
Das Jahr 2014 hat mit den Sanktionen, dem Ölpreisverfall und der Rubelabwertung einige Verschiebungen gebracht. Vor allem bei Finanzierungen sind Russlands Kanäle zum Westen ver- stopft. Und auch wenn das offizielle Moskau einen schnellen Ersatz dafür in China propagierte, sollten die Skeptiker recht behalten. So betrug der Anteil Chinas an den Außenschulden russischer Firmen im Vorjahr gerade einmal sechs Prozent, der Großteil kam aus Europa.
Gewiss, ein Vorstoß im Juni 2018 brachte eine chinesische Kreditlinie von 600 Mrd. Rubel (8,1 Mrd. Euro) für Infrastrukturausbau im Rahmen des chinesischen Infrastrukturprojekts „Seidenstraße“.
Moskau hofft auf eine große gemeinsame Zukunft – sprich: auf chinesische Investitionen. Bislang sind diese nämlich alles andere als üppig. Kommen auf die EU an die 50 Prozent der ausländischen Investitionen in Russland, so auf China weniger als ein Prozent, zeigen die Daten der russischen Zentralbank. Das ändert freilich nichts daran, dass China sehr gezielt den Rohstoffsektor in Russland ins Visier genommen hat. So haben sich Chinas Ölgesellschaft Sinopec und der Seidenstraßenfonds mit je zehn Prozent bei Russlands größtem Petrochemiekonzern Sibur eingekauft. Auch beim landesweit größten Flüssiggas-Projekt, Yamal LNG, haben sich beide mit insgesamt 29,9 Prozent beteiligt.
Nachbarschaft voller Skepsis
Am engsten sind freilich die Bande mit dem staatlich-russischen Ölriesen Rosneft, mit dem 2013 Lieferverträge für 25 Jahre im Ausmaß von 270 Mrd. Dollar abgeschlossen worden sind. Und so kam es, dass Russland 2015 Saudiarabien als Chinas größten Öllieferanten ablöste. 23 Prozent des russischen Ölexports flossen 2017 ins Reich der Mitte. Und ab 2019 wird Gaz- prom durch die neue Pipeline über 30 Jahre lang jährlich 38 Mrd. Kubikmeter Gas nach China liefern – das ist zwar weniger als nach Deutschland (53 Mrd. Kubikmeter), aber mehr als in die Türkei, Gazproms zweitgrößten Kunden.
Und doch trauen die beiden Nachbarn einander nicht so recht. Russlands Bevölkerung befürchtet, dass die Chinesen sich russischen Boden im Osten unter den Nagel reißen. Und Chinas Geschäftsleute würden ganz einfach das Knowhow und die Verbindungen fehlen, die man für eine Arbeit in Russland brauche, schrieb kürzlich die russische Zeitung „RBC“. Die Politik ist optimistischer. „Mit China ist das Eis gebrochen“, sagte der russische Vizepremier, Igor Schuwalow, 2017: „Wir haben mit ihnen zu reden gelernt, sie verstehen uns jetzt besser. Und wir sie auch.“