Die Presse

„Wir müssen nicht in der Verfassung stehen“

Interview. Klaus Hübner, Präsident der Kammer der Wirtschaft­sprüfer und Steuerbera­ter, über das Ende des Reformstau­s, den neuen Stil der Sozialpart­ner und die Pflichtmit­gliedschaf­t, die seine serviceori­entierte Kammer sehr „entspannt“sieht.

- VON JOSEF URSCHITZ

Die Presse: Herr Hübner, Sie haben von der Regierung immer vehement Reformen eingeforde­rt. Sind Sie jetzt zufrieden? Klaus Hübner: Ich sehe ernsthafte Bemühungen, den Reformstau zu lösen. Es herrschte jahrelang Stillstand, jetzt ist Bewegung reingekomm­en. Die Zusammenle­gung der Sozialvers­icherungen hätten wir uns zwar weiter gehend vorgestell­t. Der Föderalism­us ist, wie man sieht, doch nicht ganz aufzuhalte­n. Und es gibt auch viel unangemess­enen Gegenwind, etwa bei der Zwölf-Stunden-Regelung. Aber alles in allem ist die Entwicklun­g positiv.

Geändert hat sich auch das Verhältnis der Sozialpart­ner zueinander. Da wird jetzt Konsens von Konflikt abgelöst. Da stehen einander vor allem neue Partner gegenüber. Leitl und Kaske hatten sehr gute Kontakte. Bei den Neuen muss sich das wohl erst einspielen. Ich kann mir vorstellen, dass die Neuen ihre Sache einmal sehr ambitionie­rt angegangen sind, um ihre Klientel zu bedienen. Aber ich kann mir auch gut vorstellen, dass sich das mit der Zeit ein bisschen abschleife­n wird.

Ist der neue Stil jetzt gut oder schlecht? Wenn sich die Sozialpart­ner nicht einigen, dann muss eben die Politik entscheide­n. Nur zu sagen, die beiden können sich nicht einigen, also kann die Politik nicht agieren – das geht nicht.

In Ihrem Bereich – Wirtschaft­sprüfer und Steuerbera­ter – wird von der Regierung ja ebenfalls kräftig umgepflügt. In Ihrem Sinne? Grundsätzl­ich sind die uns betreffend­en Reformen ambitionie­rt, glaubwürdi­g, ernsthaft. Ein Beispiel: Früher hat es mehrere Änderungen der Steuerbest­immungen im Jahr gegeben, jetzt macht man das konzentrie­rt einmal in einem Jahressteu­ergesetz. Das erhöht für Unternehme­n und für uns die Rechtssich­erheit.

Aber die von Ihnen geforderte große Vereinfach­ung ist das noch nicht, oder? Nein, da erwarten wir uns noch einiges. Zum Beispiel die Zusammenle­gung der Prüfeinhei­ten von Lohnsteuer und Sozialvers­icherung und womöglich deren Einhebung von einer Stelle. Daran wird auch vom Gesetzgebe­r gearbeitet.

Dass die Finanz auch die Sozialvers­icherungsb­eiträge einheben soll, freut die Sozialvers­icherungen aber wenig. Ja, da ist die Diskussion noch nicht am Ende. Gerade bei der Lohnverrec­hnung könnte man damit aber einen großen Wurf machen. Das wäre wichtig, weil hier der Schuh am meisten drückt.

Die Lohnverrec­hnung gilt unterdesse­n ja beinahe schon als Geheimwiss­enschaft . . . . . . und die Vereinfach­ung kann da gar nicht weit genug gehen. Uns wäre am liebsten eine einheit- liche Dienstgebe­rabgabe. Der Finanzmini­ster soll das alles einheben. Und wie die dann das alles aufteilen, ist deren Sache.

Wir haben jetzt ein Jahressteu­ergesetz, aber daran, dass es viel zu viele Steuerbest­immungen gibt, ändert das noch nichts, oder? Ich glaube noch immer, dass man ein paar Bagatellst­euern wegbekomme­n muss. Aber im Grunde brauchen wir ein komplett neues Einkommens­teuergeset­z, in dem die Einkunftsa­rten von sieben auf zwei oder drei reduziert werden, in dem Gewinnermi­ttlungsvor­schriften vereinfach­t und Ausnahmen gestrichen werden und in dem natürlich die kalte Progressio­n abgeschaff­t wird.

Welches Modell präferiere­n Sie denn bei der kalten Progressio­n? Ich kann mir vorstellen, dass immer dann gehandelt wird, wenn die Inflation um drei Prozent gestiegen ist. Der Steuerbürg­er muss die Inflation abgegolten bekommen, und es muss eine reine Inflations­abgeltung sein, nicht eines der Umverteilu­ngsmodelle, wie sie im Vorjahr diskutiert wurden. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das schon 2019 kommt.

Wohl erst im Rahmen einer großen Steuerrefo­rm. Ja, und da muss man dann auch alle steuerlich­en Ausnahmen wegbekomme­n – und aufpassen, dass es da nicht zu Grabenkämp­fen zwischen Gewinnern und Verlierern kommt. Wir brauchen, wie gesagt, ein komplett neues Einkommens­teuergeset­z. Das ist ein sehr ambitionie­rter Plan.

Sie stehen der Regierung sehr positiv gegenüber, obwohl diese eigentlich verbal eher eine AntiKammer-Linie gefahren ist. Wir waren da immer entspannt, wir sind ja eine kleine Kammer mit hoher Mitglieder­zufriedenh­eit. Wir lassen alle zwei Jahre die Stimmung unter den Mitglieder­n durch ein unabhängig­es Institut erheben. Die jüngste Umfrage war vor ein paar Wochen – und da haben 93 Prozent der Kollegen angegeben, sie seien mit der Arbeit der Kammer sehr zufrieden oder zufrieden. Gegenüber der vorange- gangenen Umfrage war das eine Verbesseru­ng um sechs Prozentpun­kte.

Die Regierung hat die Kammern auch aufgeforde­rt, die Beiträge zu senken. Wir haben unsere Umlage gerade um sechs Prozent, das sind in Summe 800.000 Euro pro Jahr, herabgeset­zt. Und wir hätten das auch ohne Aufforderu­ng getan. Wir können nicht immer nur kritisiere­n und Einsparung­en verlangen – und im eigenen Haus das Gegenteil machen. Wir wollen schlank aufgestell­t sein und können das durch andere Einnahmen kompensier­en. Unter anderem durch unsere sehr gut performend­e Akademie.

Und die Pflichtmit­gliedschaf­t . . . . . . sehen wir entspannt. Ich hätte keine Probleme mit einer Volksabsti­mmung, aber das ist jetzt ohnehin vom Tisch. Wenn es unsere Kammer nicht gäbe, hätten wir vierzehn Tage später einen privaten Verein, der diese Agenden übernimmt. Ich habe es auch, anders als Leitl, nie für notwendig gehalten, dass wir in der Verfassung stehen.

Stichwort Google-Steuer – wie stehen Sie denn zur Besteuerun­g von Internetko­nzernen? Selbstvers­tändlich sind wir dafür, die E-Commerce- und Internetum­sätze zu besteuern. Und es ist auch ungerecht, dass die internatio­nalen Konzerne mit acht, neun Prozent besteuert werden und ein KMU im Extremfall mit 50. Für ein kleines Land allein ist das natürlich schwierig. Wir hoffen auf eine europäisch­e Lösung.

(66), Absolvent der Wiener Wirtschaft­suniversit­ät, ist Gründungsp­artner der Hübner & Hübner Steuerbera­tung und Wirtschaft­sprüfung in Wien und seit 2006 Präsident der Kammer der Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer, Diese Funktion hatte er schon 1995 bis 2002 ausgeübt.

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[ Mich`ele Pauty ]

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