„Wir müssen nicht in der Verfassung stehen“
Interview. Klaus Hübner, Präsident der Kammer der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, über das Ende des Reformstaus, den neuen Stil der Sozialpartner und die Pflichtmitgliedschaft, die seine serviceorientierte Kammer sehr „entspannt“sieht.
Die Presse: Herr Hübner, Sie haben von der Regierung immer vehement Reformen eingefordert. Sind Sie jetzt zufrieden? Klaus Hübner: Ich sehe ernsthafte Bemühungen, den Reformstau zu lösen. Es herrschte jahrelang Stillstand, jetzt ist Bewegung reingekommen. Die Zusammenlegung der Sozialversicherungen hätten wir uns zwar weiter gehend vorgestellt. Der Föderalismus ist, wie man sieht, doch nicht ganz aufzuhalten. Und es gibt auch viel unangemessenen Gegenwind, etwa bei der Zwölf-Stunden-Regelung. Aber alles in allem ist die Entwicklung positiv.
Geändert hat sich auch das Verhältnis der Sozialpartner zueinander. Da wird jetzt Konsens von Konflikt abgelöst. Da stehen einander vor allem neue Partner gegenüber. Leitl und Kaske hatten sehr gute Kontakte. Bei den Neuen muss sich das wohl erst einspielen. Ich kann mir vorstellen, dass die Neuen ihre Sache einmal sehr ambitioniert angegangen sind, um ihre Klientel zu bedienen. Aber ich kann mir auch gut vorstellen, dass sich das mit der Zeit ein bisschen abschleifen wird.
Ist der neue Stil jetzt gut oder schlecht? Wenn sich die Sozialpartner nicht einigen, dann muss eben die Politik entscheiden. Nur zu sagen, die beiden können sich nicht einigen, also kann die Politik nicht agieren – das geht nicht.
In Ihrem Bereich – Wirtschaftsprüfer und Steuerberater – wird von der Regierung ja ebenfalls kräftig umgepflügt. In Ihrem Sinne? Grundsätzlich sind die uns betreffenden Reformen ambitioniert, glaubwürdig, ernsthaft. Ein Beispiel: Früher hat es mehrere Änderungen der Steuerbestimmungen im Jahr gegeben, jetzt macht man das konzentriert einmal in einem Jahressteuergesetz. Das erhöht für Unternehmen und für uns die Rechtssicherheit.
Aber die von Ihnen geforderte große Vereinfachung ist das noch nicht, oder? Nein, da erwarten wir uns noch einiges. Zum Beispiel die Zusammenlegung der Prüfeinheiten von Lohnsteuer und Sozialversicherung und womöglich deren Einhebung von einer Stelle. Daran wird auch vom Gesetzgeber gearbeitet.
Dass die Finanz auch die Sozialversicherungsbeiträge einheben soll, freut die Sozialversicherungen aber wenig. Ja, da ist die Diskussion noch nicht am Ende. Gerade bei der Lohnverrechnung könnte man damit aber einen großen Wurf machen. Das wäre wichtig, weil hier der Schuh am meisten drückt.
Die Lohnverrechnung gilt unterdessen ja beinahe schon als Geheimwissenschaft . . . . . . und die Vereinfachung kann da gar nicht weit genug gehen. Uns wäre am liebsten eine einheit- liche Dienstgeberabgabe. Der Finanzminister soll das alles einheben. Und wie die dann das alles aufteilen, ist deren Sache.
Wir haben jetzt ein Jahressteuergesetz, aber daran, dass es viel zu viele Steuerbestimmungen gibt, ändert das noch nichts, oder? Ich glaube noch immer, dass man ein paar Bagatellsteuern wegbekommen muss. Aber im Grunde brauchen wir ein komplett neues Einkommensteuergesetz, in dem die Einkunftsarten von sieben auf zwei oder drei reduziert werden, in dem Gewinnermittlungsvorschriften vereinfacht und Ausnahmen gestrichen werden und in dem natürlich die kalte Progression abgeschafft wird.
Welches Modell präferieren Sie denn bei der kalten Progression? Ich kann mir vorstellen, dass immer dann gehandelt wird, wenn die Inflation um drei Prozent gestiegen ist. Der Steuerbürger muss die Inflation abgegolten bekommen, und es muss eine reine Inflationsabgeltung sein, nicht eines der Umverteilungsmodelle, wie sie im Vorjahr diskutiert wurden. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das schon 2019 kommt.
Wohl erst im Rahmen einer großen Steuerreform. Ja, und da muss man dann auch alle steuerlichen Ausnahmen wegbekommen – und aufpassen, dass es da nicht zu Grabenkämpfen zwischen Gewinnern und Verlierern kommt. Wir brauchen, wie gesagt, ein komplett neues Einkommensteuergesetz. Das ist ein sehr ambitionierter Plan.
Sie stehen der Regierung sehr positiv gegenüber, obwohl diese eigentlich verbal eher eine AntiKammer-Linie gefahren ist. Wir waren da immer entspannt, wir sind ja eine kleine Kammer mit hoher Mitgliederzufriedenheit. Wir lassen alle zwei Jahre die Stimmung unter den Mitgliedern durch ein unabhängiges Institut erheben. Die jüngste Umfrage war vor ein paar Wochen – und da haben 93 Prozent der Kollegen angegeben, sie seien mit der Arbeit der Kammer sehr zufrieden oder zufrieden. Gegenüber der vorange- gangenen Umfrage war das eine Verbesserung um sechs Prozentpunkte.
Die Regierung hat die Kammern auch aufgefordert, die Beiträge zu senken. Wir haben unsere Umlage gerade um sechs Prozent, das sind in Summe 800.000 Euro pro Jahr, herabgesetzt. Und wir hätten das auch ohne Aufforderung getan. Wir können nicht immer nur kritisieren und Einsparungen verlangen – und im eigenen Haus das Gegenteil machen. Wir wollen schlank aufgestellt sein und können das durch andere Einnahmen kompensieren. Unter anderem durch unsere sehr gut performende Akademie.
Und die Pflichtmitgliedschaft . . . . . . sehen wir entspannt. Ich hätte keine Probleme mit einer Volksabstimmung, aber das ist jetzt ohnehin vom Tisch. Wenn es unsere Kammer nicht gäbe, hätten wir vierzehn Tage später einen privaten Verein, der diese Agenden übernimmt. Ich habe es auch, anders als Leitl, nie für notwendig gehalten, dass wir in der Verfassung stehen.
Stichwort Google-Steuer – wie stehen Sie denn zur Besteuerung von Internetkonzernen? Selbstverständlich sind wir dafür, die E-Commerce- und Internetumsätze zu besteuern. Und es ist auch ungerecht, dass die internationalen Konzerne mit acht, neun Prozent besteuert werden und ein KMU im Extremfall mit 50. Für ein kleines Land allein ist das natürlich schwierig. Wir hoffen auf eine europäische Lösung.
(66), Absolvent der Wiener Wirtschaftsuniversität, ist Gründungspartner der Hübner & Hübner Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung in Wien und seit 2006 Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Diese Funktion hatte er schon 1995 bis 2002 ausgeübt.