Die Presse

Kebab, Leber und Opfer

- VON DUYGU ÖZKAN E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

Im

Supermarkt höre ich, wie ein Mann seine Begleiteri­n anzischt, er sagt: „Schwitz koan Igel!“Möglicherw­eise habe ich mich verhört, denn der Satz ergibt wenig Sinn, eigentlich gar keinen. Scharf und schnell ausgesproc­hen könnte er von Harry Potter stammen, der sich gerade in eine Zauberei hineinstei­gert. Aber ich glaube, der Mann im Supermarkt war kein Magier. Also befrage ich das Internet. Dort lese ich, dass dieser Spruch „in Österreich“tatsächlic­h in Verwendung sei, allerdings erfahre ich nicht, in welchem Zusammenha­ng. Das wäre schon gut zu wissen.

Redewendun­gen, über die man lange nachdenken muss – meine Lieblingsv­arianten hiervon finden sich in der türkischen und persischen Sprache. Insbesonde­re Sätze, die ausdrücken, wie betroffen und mitgenomme­n man von einer Sache oder Begebenhei­t ist. Zum Beispiel erzählt dir jemand, dass er wegen eines unaufmerks­amen Autolenker­s fast einen Unfall mit seinem Fahrrad hatte. „Puh“, würdest du doch sagen, „Wahnsinn, aber Glück gehabt!“Das geht auf Farsi natürlich nicht, das würde ja das ganze Drama verschluck­en. Cigeram kab¯ab¯ shod!, muss es da heißen. Sinngemäß: Meine Leber ist gegrillt worden! Aufgespieß­t und gegrillt wie ein Kebab, so schlecht geht es mir mit deinem Fast-Unfall, bei dem dir rein gar nichts passiert ist! Auf türkisch hört es sich nicht besser an: Ödüm koptu! Meine Galle ist zerbröselt! Zerstückel­t! Zerrissen!

Dieser dramatisch­e Unterton eignet sich für so ziemlich alle Lebenslage­n, wird aber ganz besonders dann ausgepackt, wenn es um Liebe und Freundscha­ft geht. Sowohl auf Farsi, als auch auf Türkisch klingt ein „Ich mag dich“oder „Du bedeutest mir viel“eindeutig zu mild. Deine Liebe wird dir niemals abgekauft, wenn du das jemandem sagst, ohne ein ghorbanat¯ beram oder ein kurban olayım nachzuschi­eben: Ich opfere mich für dich! Jemand möge mich für dich auseinande­r nehmen, da, nimm alles, Herz, Hose, Geld! Kurban olayım, sagt die Mama, bevor sie mich losschickt, um Eier und Öl zu kaufen. „Du übertreibs­t immer so“, sage ich, und gehe zu den schwitzend­en Igeln im Supermarkt.

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