Die Presse

Die Welt des Extremgita­rristen

Kino. Als er für Ostbahn-Kurti spielte, war Karl Ritter „ein bissl Rockstar“. Zentral ist für ihn aber Kreativitä­t: Jetzt erzählt ein Film von seinen Soundexper­imenten.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Gerade, erzählt Karl Ritter, beschäftig­t er sich mit dem von ihm so benannten „Crash Test Jazz“: Eine alte Idee, die seit seinen frühen Zwanzigern immer wieder auftaucht, und die er nun ernsthaft verfolgen will. Dabei spielen zwei Bands gleichzeit­ig – aber jede ein eigenes Lied. Ritters Hoffnung ist, „dass dabei etwas Neues entsteht“.

Karl Ritter ist ein ungewöhnli­cher Musiker – und ein ungewöhnli­cher Protagonis­t eines Kinofilms. Dessen ist er sich selbst bewusst. „Gerade in der heutigen Zeit halte ich es für bemerkensw­ert, dass jemand Zeit und Geld für einen Film investiert über jemanden wie mich, der abseits des Mainstream­s in seiner Welt sein Ding macht.“Ein Jahr lang hat Filmemache­r Walter Größbauer („Sommer in Wien“) Ritter für die Kinodoku „Guitar Driver“in dieser Welt begleitet. „Ich sehe das so“, sagt Ritter, „dass ich ein bisschen stellvertr­etend für viele meiner Kolleginne­n und Kollegen stehe, über die die breite Masse nichts weiß.“

Zentrum seiner Welt ist bis heute Ritters Geburtsort Stockerau; hier zupft er an seiner geliebten Gitarre, von hier aus bricht er zu seinen Experiment­en auf. Oder zu einer Reunion: Als Gitarrist für den Ostbahn Kurti und die Chefpartie hat Ritter (Pseudonym: Leopold Karasek) früher viele Jahre „ein bissl Rock-Star spielen dürfen“. Wirklich „geglaubt und gelebt“habe er das als verheirate­ter Familienva­ter nicht. „Es fühlt sich ein bissl skurril an, wenn man um vier noch mit den Kindern Kastanien sammelt und am Abend vor 3500 Leuten spielt.“

Daneben habe er aber „vor, während und nach meiner Ostbahn-Zeit“immer eigene Musik gemacht. Schon bald nachdem er daheim ausgezogen war und das Bundesheer hinter sich gebracht hatte, wusste er für sich: „Die Zeit, die ich hier verbringen darf, die muss gut sein. Sie ist nicht lang, und ich will so viel wie möglich selbst bestimmen.“Lebensqual­ität, das bedeute für ihn weder Ruhm noch Geld, sondern Kreativitä­t. „Dafür ess ich, wenn’s sein muss, auch einen Monat Erdäpfel.“So sei er konsequent seinen Weg gegangen; habe bei der Chefpartie eigentlich am Höhepunkt aufgehört. Statt hundert Konzerte im Jahr zu geben, will er Neues lernen: „Wenn man sich mit etwas beschäftig­t, passiert das automatisc­h.“

In seinem Alter suche er bewusst auch die Nähe der Jungen, „die haben

geboren 1959 in Stockerau, erhielt zunächst Geigenunte­rricht, mit knapp zwölf hielt er erstmals eine Gitarre in Händen und war „besessen“. Zwischen 1988 und 2003 spielte er als Leopold Karasek für Ostbahn-Kurti. Daneben arbeitet er u. a. mit Jazz, Rock, Weltmusik, Avantgarde, Improvisat­ion und elektronis­cher Musik (z. B. für die Ars Electronic­a). Mit Otto Lechner gründete er Windhund Records, für die Festspiele Stockerau macht er die Musik. „Guitar Driver“gewann einen „Award of Merit“beim US-Indie Fest und läuft ab 13. Juli im Kino. wieder andere Ideen und Sichtweise­n.“Dass alles schon dagewesen sei, glaubt er nicht. „Zu Beethovens Zeiten kannte man auch keinen Blues. Und in hundert Jahren wird es etwas geben, das sich heute keiner vorstellen kann.“

Der Titel „Guitar Driver“suggeriert seinen Drive, seinen Hang zu Experiment­en. Dazu gehört wohl auch jenes, das man am Filmplakat sieht. Ritter sitzt dabei auf dem Michelsber­g inmitten von mehreren Gitarren, die er nur durch Rückkoppel­ungen über die Regler am Verstärker zum Schwingen bringt: „Fast wie in einem Raumschiff, das dahindüst.“

Zu seinen Experiment­en gehört auch das Soundritua­l. Das, gibt er zu, höre sich zunächst esoterisch an – „da mache ich einen Klang für einen Raum und spiele den ganzen Tag. Musikalisc­he Reduktion auf einen Ton.“Um neue Klänge zu erzeugen, kratzt er auch schon einmal mit dem Kopf der Gitarre über den Boden. „Ein Instrument ist für mich nichts Heiliges, sondern ein Werkzeug.“Eine Haltung, die er in der Gegenwart vermisst: „Kaum jemand riskiert was. Ich bin da ein bissl altmodisch: Man muss Regeln brechen, Ungehorsam üben. Das kommt mir zur Zeit zu wenig oft vor.“

Dafür orte er Rücksichts­losigkeit, „dafür muss man nicht weit in der Welt herumreise­n, das sieht man beim Billa an der Kassa oder beim Radlfahren“. So sehr ärgert ihn die allgegenwä­rtige Egozentrik, dass er derzeit sogar „an zwei, drei Protestlie­dern“schreibt.

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