Die Oma-Künstler gegen rechts
Auf politischem Kreuzzug. Es genügt manchen Künstlern nicht, ihre Arbeit zu tun. Sie müssen unbedingt auch etwas Politisches im Sinn haben, selbst wenn sie keine Vorstellung davon haben, was das sein könnte.
Kürzlich kam ich an einer Souterrainwohnung vorbei, deren Tür offen stand. Drinnen saßen einige Frauen um einen niedrigen Tisch und bastelten Werbematerial für „Omas gegen rechts“. Die „Omas gegen rechts“haben ein Pendant: Nennen wir sie die „Oma-Künstler gegen rechts“. Es sind vor allem Schriftsteller, aber auch bildende Künstler, die glauben, dass sie kraft ihres Künstlerseins eine politische Mission haben. Die Mission richtet sich natürlich gegen „rechts“, also gegen die gegenwärtige Regierung, jedenfalls aber gegen die FPÖ. Bei der ÖVP sind sich manche nicht ganz so sicher, denn sie stellt den Kulturminister, von dem man ja einmal etwas brauchen könnte.
Als eine „Kampfansage an die nationale Rechte“wurde die Rede bezeichnet, die der deutsch-türkische Schriftsteller Feridun Zaimoglu˘ dieser Tage zur Eröffnung des Bachmann-Wettbewerbs in Klagenfurt gehalten hat. Er selbst wird sie auch so verstanden haben. Es ist ein ziemlich wirres Pamphlet mit starken grammatischen Defiziten, das schwerlich den Bachmann-Preis gewinnen würde.
Zaimoglu,˘ der sich mit übergroßen Ringen an den Fingern abbilden lässt, hat den Patrioten als Feind entdeckt. Er nennt ihn einen „wahnverstrickten Kleingeist“. Diesem Minderwertigen, der angeblich von einem „Reich der Untertanen“träumt, in dem „Männer mit säuischer Natur herrschen“, setzt er sich und andere Lichtgestalten entgegen, die „aus der Schrift geboren sind“. Gegen die Nation, das Volk, die Geschichte imaginiert Zaimoglu˘ eine Art von übernationaler Identität.
Manche Zuhörer sollen sich über diese Anmaßung gewundert haben, sie billigen dem Autor aber so etwas wie prophetischen Zorn zu. „Niemals“, so behauptet Zaimoglu˘ von sich und seinen Kollegen, „schreiben wir den Verzweifelten eine Abart zu“. Dem Patrioten, den er sich zum Feindbild erkoren hat, darf er – siehe oben – selbstverständlich jede Abart zuschreiben. Wenn’s gegen die Richtigen geht, ist eben alles erlaubt.
Die Rede gipfelte in der für ihn wohl typischen Aussage: „Es gibt keine redlichen Intellektuellen; es gibt keinen redlichen rechten Schriftsteller.“Martin Mosebach etwa oder Botho Strauß wären also unredlich. Aus anderem Zusammenhang weiß man, dass Zaimoglu˘ schnell mit dem Verdikt „Neonazi“gegen jemanden bei der Hand ist, den er für nicht von seiner Denkungsart hält.
Die Oma-Künstler kommen sich gern verfolgt vor, um sich als Helden des Widerstands fühlen zu können. Es tut ihnen aber niemand diesen Gefallen. Deshalb sind sie frustriert und schimpfen umso heftiger auf die, denen sie unterstellen, sie eigentlich verfolgen zu wollen. Einer, der die Rolle des Verfolgten schon früh geübt hat, ist Günter Brus. Als er nach einer Verurteilung wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses (aus heutiger Sicht völlig lächerlich) nach Deutschland ging, nannte er es eine Flucht. Als er jetzt, 50 Jahre danach, gefragt wurde: „Wie erleben Sie das Land (gemeint ist Österreich) heute?“ant- wortete er auch mit der Chiffre vom Exil: „Falls es dazu kommt, dass wir aus der EU austreten, werde ich auf der Stelle wieder Exilant.“Er muss sich nicht fürchten. Nicht einmal die FPÖ will das. Am künstlerischen Rang Brus’ ändert das natürlich nichts.
Es genügt manchen Künstlern nicht, ihre Arbeit zu tun. Sie müssen unbedingt auch etwas Politisches im Sinn haben, selbst wenn sie keine Vorstellung davon haben, was das sein könnte. Die Emotion genügt und die Überzeugung der eigenen moralischen Überlegenheit kraft künstlerischer Existenz. Der ungarische Regisseur Kornel´ Mundruczo´ hat eine nach dem Urteil des Presse-„Schaufensters“beachtliche Inszenierung der „Winterreise“für die Wiener Festwochen geschaffen. Die „Winterreise“möchte er – wie könnte es anders sein, wenn man „politisch“sein will – als Symbol der „Krise“verstehen. Welcher Krise? Natürlich der Flüchtlingskrise.
Die Frage, wie man sie lösen könne, sei provokativ, findet Mundruczo.´ Das kann man verstehen, denn sie enthält die Zumutung, er habe sich darüber mehr Gedanken gemacht, als nur über den „Rechtspopulismus“zu kla- gen. Das hat er, wie er zugibt, aber nicht getan. Im Weiteren kann man dem wackeren Regisseur nur noch schwer folgen: „Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass die Enthumanisierung der Mehrheit das Ziel ist, die Humanisierung der Minderheit kann so nicht einmal beginnen. Das ist einer der größten Widersprüche der Gegenwart.“Verstehe das, wer kann.
Mit Pathos hat der Klagenfurter Schriftsteller und Richter Janko Ferk auf diesen Seiten den großen und unbestreitbaren Satz geschrieben: „Die Gesellschaft aufzurütteln ist die Pflicht der Literaten.“Deshalb sei es auch „entbehrlich“, den Schriftstellern mit dem Strafrecht zu drohen. Nur entbehrlich, muss man fragen, wäre es nicht sogar eine Untat? Aber wer droht ihnen, mit denen sich Ferk auf das Podest der hehren Größe stellt, den Köhlmeiers, Jelineks, Ruiss’ denn mit dem Strafrecht? Für so wichtig werden sie nicht genommen.
Einer hat die politische Wende in Österreich und die Kritik daran als Vorwand für die Verfolgung eigener Interessen genommen, wie „Die Presse“vermutet. Der Leiter des Kunsthauses Wien, der Deutsche Nicolaus Schafhausen, könnte ein gutes Angebot bekommen haben, das sei der Grund für seinen Abgang drei Jahre vor Auslaufen des Vertrags. Er selbst erklärt ihn allerdings so: „In der gegenwärtigen nationalistischen Politik in Österreich und der europäischen Situation sehe ich die Wirkungsmächtigkeit von Kulturinstitutionen wie der Kunsthalle Wien für die Zukunft infrage gestellt.“
Schafhausen möchte künftig „die Produktionsbedingungen von Kunstdiskurs auf einer sehr viel grundsätzlicheren Verhandlungsebene, als innerhalb einer klassischen Institution machbar oder sinnvoll ist, untersuchen und gestalten“, wie er gespreizt formuliert. Da konnte sich die Berichterstatterin der „Presse“des milden Spotts nicht enthalten. Sie fragt zu Recht, warum er die von sozialistischer Kulturpolitik geprägte Kunsthalle nicht zu einem Instrument gegen die von ihm beklagte „nationalistische Politik“in Stellung bringen möchte. Das wäre tatsächlich ein Ausweis künstlerischer Freiheit gewesen. Aber wie gesagt: Vielleicht geht’s gar nicht um Politik und womöglich auch nicht um Kunst.
„Das gnadenlose Ich“überschrieb Hubert Patterer in der „Kleinen Zeitung“seinen Kommentar zur Rede Michael Köhlmeiers in der Hofburg, die allgemein bejubelt wurde. Er war der Einzige, der in die Begeisterung nicht einstimmte, was ihm heftige Kritik aus dem Jubelchor eintrug. Die Rede sei „tendenziös und eitel“gewesen, schrieb er. Es spreche aus ihr das „gnadenlose, moralische Ich“. Die Gleichsetzung der Schließung der Balkanroute mit den Fluchtwegen vor den Gaskammern der Nazis nennt er „abgründig“. Eine Gedenkrede für die Opfer des Nationalsozialismus zur Abrechnung mit einer Partei zu benutzen, die man nicht mögen muss, die aber dafür nichts kann, ist eine Missachtung der Menschen, deren bei dem Anlass gedacht wurde. Selbst dazu wurde im Parlament stark applaudiert.
war langjähriger Leiter der Wiener Redaktion der „Kleinen Zeitung“.