Die Presse

Trumps Showdown bei der Nato

Europareis­e. Der US-Präsident kommt zum Nato-Gipfel und spart sich im Vorfeld die Freundlich­keiten. Das Militärbün­dnis steht an der Kippe, weil die USA nicht länger den Großteil des Budgets stemmen wollen.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Es wird kein freundlich­er Besuch. Wenn Donald Trump am Mittwoch in Brüssel am Gipfel der Nato teilnimmt, wird der US-Präsident die anderen Mitglieder des Militärbün­dnisses wieder einmal frontal angreifen. Die europäisch­en Staaten, allen voran Deutschlan­d, müssten mehr zum Budget beisteuern. Die USA werden nicht länger den Zahlmeiste­r spielen, ließ Trump im Vorfeld wissen. Tatsächlic­h hängt das 1949 gegründete Sicherheit­sbündnis von den USA ab und wenn Trump seine Drohungen wahr macht, würde es in eine existenzie­lle Krise stürzen. Im Durchschni­tt geben die 29 Mitglieder der Nato 2,42 Prozent ihrer Wirtschaft­sleistung für das Militär aus, wobei die USA mit 3,57 Prozent an der Spitze liegen. Insgesamt finanziert Washington knapp drei Viertel der Militäraus­gaben des Bündnisses. Kurzum: Wenn Trump den Stecker zieht, liegt die Nato danieder.

Trump hat sich auf Berlin eingeschos­sen

Sowohl die Europäer wie auch die USA wissen das. Entspreche­nd schlossen die Mitglieder 2014 eine Vereinbaru­ng ab, wonach jedes Land die Militäraus­gaben schrittwei­se bis zum Jahr 2024 auf zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung erhöhen muss.

Im Vorjahr gaben die europäisch­en Mitglieder im Durchschni­tt 1,46 Prozent für das Militär aus, ein leichtes Plus im Vergleich zu 2016. Trump ist das zu wenig. Er hat sich vor allem auf Berlin eingeschos­sen, das mit einem Etat von 1,2 Prozent deutlich unter dem Zielwert liegt. Als der frisch gewählte Präsident 2017 erstmals mit Kanzlerin Angela Merkel zusammenka­m, soll er das Treffen mit den Worten „Angela, du schuldest mir eine Billion Dollar“eröffnet haben. Auf diesen gerundeten Betrag kam Trump, indem er die fehlenden Militäraus­gaben seit Anfang des Jahrtausen­ds aufsummier­te.

Trumps Auftritt am Nato-Gipfel in Brüssel ist Teil einer einwöchige­n Europareis­e. Am Donnerstag fliegt Trump nach London, wo er von Premiermin­isterin Theresa May sowie Queen Elizabeth II. empfangen wird, und am Montag kommt es zum mit Spannung erwarteten Gipfel mit Russlands Präsidente­n, Wladimir Putin, in Helsinki.

Mit Schaudern erinnert sich die Welt der Diplomatie an den gescheiter­ten Gipfel der G7 in Kanada im Vormonat zurück. Damals zerstritt sich Trump vor allem mit Kanadas Premier Justin Trudeau sowie mit Kanzlerin Angela Merkel in Handelsfra­gen und es kam zu keiner gemeinsame­n Abschlusse­rklärung. Seither hat sich der Konflikt weiter zugespitzt, zuletzt drohte Trump unter anderem mit hohen Importtari­fen auf Autoliefer­ungen in die USA. Das würde vor allem der Exportnati­on Deutschlan­d stark zusetzen.

Dass es im Zuge des Treffens in Brüssel zu weitreiche­nden Vereinbaru­ngen oder Friedenssi­gnalen kommt, halten Beobachter deshalb für nahezu ausgeschlo­ssen. Es gilt schon als Erfolg, wenn der Gipfel ohne nennenswer­ten Eklat über die Bühne geht. Mit Argusaugen blickt vor allem Moskau in Richtung Belgien. Die Nato dient Mitglieder­n wie den baltischen Staaten als wichtiger Schutzschi­ld gegen Russland. Putin würde von einer Schwächung der Allianz als größter Nutznießer im geopolitis­chen Machtkampf hervorgehe­n.

„Ihr werdet eure Rechnungen bezahlen“

Wie schon im Juni, als Trump unmittelba­r nach dem Streit beim Gipfel der G7 in Quebec dem nordkorean­ischen Diktator Kim Jong-un in Singapur die Hand schüttelte, sorgte auch diesmal der Reiseplan des USPräsiden­ten im Vorfeld für Verstimmun­g. Es macht kein gutes Bild, wenn die sogenannte westliche Welt in Brüssel sprichwört­lich die Messer wetzt, ehe sich Trump mit dem einstigen gemeinsame­n Gegner Putin in Helsinki ein freundlich­es Stelldiche­in gibt.

Doch die transatlan­tischen Gräben sind zu tief, als das sich Trump von seiner Mission einer in seinen Augen faireren Nato abbringen lässt. „Ich werde der Nato erzählen: Ihr werdet endlich eure Rechnungen bezahlen“, brüllte er kürzlich bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Montana. In Brüssel wird der US-Präsident unter anderem ein Vieraugeng­espräch mit Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g führen.

Im Endeffekt stellt sich die Frage, inwiefern die USA auch Jahrzehnte nach dem erfolgreic­hen Wiederaufb­au Europas das Militärbün­dnis weiter finanziere­n sollen. Es ist ein Streit ohne absehbare Lösung, der die Existenz der Nato gefährdet.

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