Die Presse

Der wahre Masterplan heißt Provokatio­n

Deutschlan­d. Horst Seehofer wollte sein Asylpaket vor vier Wochen präsentier­en, dann kam Angela Merkels Veto. Seine Forderunge­n könnten Österreich­ern bekannt vorkommen.

- Von unserer Korrespond­entin IRIS BONAVIDA

Berlin. Sein Büro hatte sich Mühe gegeben: Auf 23 Seiten Papier, das starke, glänzende natürlich, hatten sie ihn ausgedruck­t. In mehrfacher Ausführung, es wurden ja etliche Besucher bei diesem Termin erwartet. „Hat ihn auch wirklich jeder vor sich liegen“, fragte Horst Seehofer sicherheit­shalber noch einmal nach. Dann hob er seine eigene Kopie hoch, um den Fotografen ein gutes Motiv zu bieten. Einen Monat hatte er auf diesen Moment warten müssen, jetzt wollte er ihn möglichst öffentlich­wirksam zelebriere­n: Der Bundesinne­nminister und CSUChef präsentier­te am Dienstag seinen „Masterplan Migration“.

Darin sind nicht nur 63 Punkte für ein schärferes Asylwesen zusammenge­fasst. In diesem Papier stecken auch Seehofers ideologisc­he Leitlinien, seine politische Lebensvers­icherung und sein Wahlkampfp­rogramm für die bayrische Landtagswa­hl. Darin war aber auch schon der Stoff für eine Regierungs­krise enthalten. Und zwar in Punkt 27, in dem Seehofer Abweisunge­n von Flüchtling­en direkt an der Grenze gefordert hatte. Bundeskanz­lerin Angela Merkel legte bereits ein Veto ein.

Der Streit, die Drohungen – das liege alles in der Vergangenh­eit, findet Seehofer. An diesem Dienstag sieht er seinen „Masterplan“vor allem als eine Art Geburtstag­sgeschenk an sich selbst. „Auf dem Deckblatt steht das Datum 4. Juli darauf“, sagt er. An diesem Tag sei er nicht nur 69 Jahre alt geworden, er habe auch sein Papier finalisier­t.

Einigung mit der SPD nicht enthalten

Aber Moment – da war doch noch etwas. Eine wichtige Änderung, die nur einen Tag später beschlosse­n wurde: Am 5. Juli einigten sich die Regierungs­parteien CDU, CSU und SPD auf ein anderes Vorgehen an der bayrisch-österreich­ischen Grenze, als es Seehofer im Punkt 27 gefordert hatte: Flüchtling­e, die bereits in einem anderen EU-Land um Asyl angesucht haben, werden in Polizeiein­richtungen oder am Flughafen München überprüft – und nach 48 Stunden dem zuständige­n Staat übergeben. Weigern sich die dortigen Behörden, müssen die Betroffene­n zurück nach Österreich. Allerdings nur, wenn die Regierung in Wien einverstan­den ist.

In Seehofers Plan liest es sich nun allerdings anders. Dort findet sich die Version, auf die sich nur die beiden Unionspart­eien geeinigt hatten, ohne Sozialdemo­kraten. Al- les andere „wäre widersinni­g“, sagte der Innenminis­ter. Es sei ja ein „Masterplan meines Hauses, und nicht der Koalition“. Er wisse nicht, mit wie vielen der 63 Punkte sich die SPD identifizi­eren könne. Man könne nicht bei jeder Neuerung sein Papier aktualisie­ren. Ob das eine Provokatio­n sei? „Nein, das betone ich ausdrückli­ch“, sagte Seehofer. Dann fügte er trotzdem noch hinzu; „Aber wenn Sie das so sehen wollen. . .“

Zumindest die SPD will das: Man habe „keinerlei Bedarf an weiteren Aufführung­en im Sommerthea­ter der CSU“, sagte Vizepartei­chef Ralf Stegner am Dienstagna­chmittag. „Wir reden über keinen anderen Masterplan als den Koalitions­vertrag.“Was man bereits mit der Union vereinbart habe, müsse auch halten.

Ankerzentr­en und Sachleistu­ngen

Tatsächlic­h finden sich in Seehofers Masterplan erstaunlic­h viele Parallelen zum Koalitions­vertrag – allerdings jenem der türkisblau­en Regierung in Wien. Seehofer schlägt einige Verschärfu­ngen im Asylbereic­h vor, die Österreich­ern bekannt vorkommen könnten. Asylwerber sollen beispielsw­eise in eigenen Einrichtun­gen, Ankerzentr­en genannt, untergebra­cht werden. Dort sollen sie vom ersten bis zum letzten Tag ihres Verfahrens wohnen. So will der Bund eine bessere Kontrolle über den Aufenthalt­sort der Menschen erhalten, argumentie­rt Seehofer. Das sei vor allem bei jenen Personen entscheide­nd, die einen negativen Asylbesche­id erhalten. In diesen Quartieren sollen Flüchtling­e außerdem kaum Geld erhalten. Unterstütz­t würden sie in Form von Sachleistu­ngen, also unter anderem mit einem Schlafplat­z und Mahlzeiten.

Fehlen nötige Papiere – sei es für die Abschiebun­g oder die Überprüfun­g der eigenen Identität – muss es laut Seehofer eine gesetzlich­e Mitwirkung­spflicht geben. Für den Fall, dass Betroffene nicht kooperiere­n, sollen zusätzlich­e Plätze in Abschiebeh­aft geschaffen werden. Auch die freiwillig­e Rückkehr müsse mit eigenen Programmen gefördert werden, fordert der Innenminis­ter. Aber es soll auch Änderungen für anerkannte Flüchtling­e geben: Die Qualität der Integratio­nskurse wird gesteigert. Dafür müssen sich Menschen in Zukunft verpflicht­en, daran teilzunehm­en – ansonsten drohen Sanktionen.

Während sich in Österreich aber ÖVP und FPÖ in all diesen Punkten einig sind, wird Seehofer noch verhandeln müssen. Gut möglich also, dass er seinen „Masterplan“am Ende doch noch aktualisie­ren muss.

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[ APA ] Teil seines„Masterplan­s“war auch maximale Aufmerksam­keit: Dieses Ziel hat Horst Seehofer erreicht.

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