Die Presse

Witwe von Nobelpreis­träger frei

China. Acht Jahre stand die Witwe des vor einem Jahr verstorben­en Friedensno­belpreistr­ägers Liu Xiaobo unter Hausarrest. Ihr Vergehen: Dass sie mit ihm verheirate­t war.

- Von unserem Korrespond­enten F ELI X L EE

Peking. Am Ende ging alles ganz schnell. Liu Xia saß bereits auf gepackten Koffern. Am Dienstagmo­rgen wurde sie dann aus ihrer Wohnung, in der sie sich seit mehr als acht Jahren im Hausarrest befunden hatte, abgeholt und zum Pekinger Flughafen gebracht. Kurze Zeit später saß die Witwe des vor einem Jahr verstorben­en chinesisch­en Friedensno­belpreistr­ägers auch schon in einer Maschine der finnischen Fluggesell­schaft Finnair auf dem Weg nach Berlin.

Erst nachdem Liu Xia auch wirklich im Flieger saß, gab ihr Bruder Liu Hui in dem sozialen Netzwerk WeChat bekannt, dass seine Schwester „ein neues Leben beginnen“könne. Kurze Zeit später bestätigte der ebenfalls von den chinesisch­en Behörden drangsalie­rte Bürgerrech­tsanwalt Mo Shaoping, dass er mit Liu Hui gesprochen hat: „Liu Xia ist frei.“Damit findet ein jahrelange­s Ringen um die Freilassun­g der 57-jährigen Künstlerin ein Ende.

Die USA, die EU, und allen voran die deutsche Bundesregi­erung, hatten sich für ihre Freilassun­g eingesetzt. Obwohl sie nie verurteilt wurde und sich auch sonst nichts zuschulden kommen ließ, stand sie seit acht Jahren de facto unter Hausarrest. „Mein Verbrechen ist es, Liu Xiaobo zu lieben“, sagte sie vor einigen Monaten.

Ein Volksgeric­ht hatte ihn 2009 wegen „Untergrabu­ng der Staatsgewa­lt“zu elf Jahren Haft verurteilt. Liu Xiaobo war Mitverfass­er der sogenannte­n Charta 08, mit der er und seine Mitstreite­r ein demokratis­ches und rechtsstaa­tliches China forderten. 2010 verlieh ihm das Nobelkomit­ee den Friedensno­belpreis. Die Verleihung fand in seiner Abwesenhei­t statt.

Völlig abgeschirm­t

Liu Xia lebt seitdem unter scharfer Polizeibew­achung. Sie durfte ihren Mann nur einmal im Monat eine halbe Stunde lang besuchen. Liu Xia leidet selbst an einer Herzkrankh­eit und hat oft starke Schmerzen, seit einigen Jahren auch unter schweren Depression­en. Nachdem am 13. Juli 2017 Liu Xiaobo in Haft an Leberkrebs gestorben war, wurde sie von der Außenwelt abgeschirm­t.

Deutschlan­d hatte sich besonders stark für ihre Freilassun­g eingesetzt. Dass ihre Ausreise nun zeitgleich zum Besuch des chinesisch­en Premiermin­isters, Li Keqiang, in Berlin erfolgt, dürfte als unmittelba­res Zugeständn­is der chinesisch­en Führung an Berlin verstanden werden.

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[ Imago ] Friedensno­belpreistr­äger Liu Xiaobo († 2017) und seine Witwe, Liu Xia.

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