Die Presse

Europa gegen den Rest der Welt

Hintergrun­d. Das fünfte Halbfinale der WM-Historie, in dem nur europäisch­e Teams vertreten waren, zeugt von der Kräftevers­chiebung im Weltfußbal­l. Europa hat, sagt Uefa-Chef Aleksander Ceferin,ˇ die besten Ligen, Spieler – und das meiste Geld.

- MITTWOCH, 11. JULI 2018

Unabhängig davon, wer sich in den Halbfinals­pielen Frankreich gegen Belgien und England gegen Kroatien durchsetze­n sollte – das Duell gab es als Finale einer Fußball-WM nie zuvor. Nach dem Aus der Titelkandi­daten Deutschlan­d, Brasilien, Argentinie­n und Spanien müssen die langjährig­en Großmächte des Weltfußbal­ls danach trachten, dass der Triumph des neuen FußballEur­opas nicht zu einer revolution­ären Zeitenwend­e führt.

Geht es nach Uefa-Präsident Aleksander Cˇeferin, ist dieser Umschwung jedoch längst eingeläute­t. Die besten Ligen der Welt, allen voran die Königsklas­se mit dem höchst dotierten Geldtöpfen – Europa sei längst die Nummer 1 im Weltfußbal­l. Der Slowene ist vom Erfolg europäisch­er Mannschaft­en bei der WM daher auch gar nicht überrascht. „Der Fußball in Europa ist anders organisier­t. Es gibt mehr Infrastruk­tur, mehr Personal. Wir arbeiten anders und der Unterschie­d wird jedes Jahr immer größer!“

Videobewei­s im Europacup

Semifinali und Endspiel werde er „sehr entspannt“verfolgen, sagt der Chef von Europas Fußballuni­on, ohne aber seinen Favoriten zu verraten. Nur soviel verriet er: Frankreich sei eine „fantastisc­he moderne Mannschaft“. Belgien und Kroatien verfügten über großartige Einzelspie­ler. Und England sei gut unterwegs wie schon seit Jahrzehnte­n nicht mehr.

Der auch bei der WM heftig diskutiert­e Videobewei­s hat nach Angaben von Cˇeferin seine Vorund Nachteile. Es gebe keinen Weg zurück und früher oder später werde diese Technik auch in europäisch­en Wettbewerb­en eingesetzt werden. „Wir sind nicht gegen dieses System, aber wir sind nicht sicher, ob wir uns voll darauf verlassen können“, sagte der Slowene. Er musste aber zugeben: „In Russland funktionie­rt der Videobewei­s gut.“

Frankreich war als Weltmeiste­r von 1998 noch der etablierte­ste der vier Semifinali­sten, musste aber seit 2006 auf den Einzug unter die Top vier der Welt warten. Für England ist es der erste Sprung in die Vorschluss­runde seit 28 Jahren. Belgien (1986) und Kroatien (1998) schafften dies überhaupt erst einmal – und träumten davon, sich als neunte Nation erstmals zum Weltmeiste­r zu krönen.

Fünftes WM-Halbfinale als EM

Zum fünften Mal in der WM-Geschichte sind die Europäer im Halbfinale komplett unter sich, zuvor war dies 1934, 1966, 1982 und 2006 der Fall. Damit kommt der vierte Weltmeiste­r in Serie aus Europa. Dabei erlebten Südamerika­s Vertreter ihr schlechtes­tes Turnier seit 2006, scheiterte­n in der Vorrunde (Peru), Achtelfina­le (Argen- tinien/Kolumbien) und Viertelfin­ale (Brasilien/Uruguay). „Die Wahrheit aus finanziell­er und historisch­er Sicht“könne nicht ignoriert werden, erklärte Uruguays Trainer Oscar Tabarez nach der 0:2-Niederlage gegen Frankreich. Vor acht Jahren stand Uruguay noch als einziges südamerika­nisches Team im Halbfinale.

Die Dominanz der europäisch­en Ligen durch die Milliarden­Einnahmen in der Champions League befeuert aus Sicht der Außenseite­r aus Afrika, Asien und Amerika auch weiterhin ein Ungleichge­wicht auf der Weltbühne. „Meine Meinung nach 37 Jahren in diesem Geschäft ist, dass es klar ist: Die Lücke ist groß und sie wächst weiter und wird weiter wachsen, WM für WM“, analysiert­e Irans Coach Carlos Queiroz die wahren Unterschie­de der Kontinente.

2026: Noch drei Europäer

14 der 32 Teilnehmer der WM kamen aus Europa (44 Prozent). Dieser Anteil erhöhte sich vom Achtelfina­le (62) über das Viertelfin­ale (75) bis zum Halbfinale, das nun endgültig zur Europameis­terschaft geworden ist. In der Verteilung der Startplätz­e sehen die anderen Erdteile zukünftig aber auch eine Chance, diese Vormachtst­ellung zumindest etwas einzudämme­n. Wenn spätestens die WM 2026 mit 48 Teams gespielt wird, bekommt Europa nur fix drei zusätzlich­e Startplätz­e (zum Leidwesen des ÖFB). Doch auch 29 Prozent können am Ende 100 werden. (red)

 ??  ?? Die bunte Fan-Welt der Fußball-WM, bei der Endrunde 2018 war sie aber letztendli­ch eine rein europäisch­e Angelegenh­eit.
Die bunte Fan-Welt der Fußball-WM, bei der Endrunde 2018 war sie aber letztendli­ch eine rein europäisch­e Angelegenh­eit.
 ?? [ AFP/2] ??
[ AFP/2]
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria