Europa gegen den Rest der Welt
Hintergrund. Das fünfte Halbfinale der WM-Historie, in dem nur europäische Teams vertreten waren, zeugt von der Kräfteverschiebung im Weltfußball. Europa hat, sagt Uefa-Chef Aleksander Ceferin,ˇ die besten Ligen, Spieler – und das meiste Geld.
Unabhängig davon, wer sich in den Halbfinalspielen Frankreich gegen Belgien und England gegen Kroatien durchsetzen sollte – das Duell gab es als Finale einer Fußball-WM nie zuvor. Nach dem Aus der Titelkandidaten Deutschland, Brasilien, Argentinien und Spanien müssen die langjährigen Großmächte des Weltfußballs danach trachten, dass der Triumph des neuen FußballEuropas nicht zu einer revolutionären Zeitenwende führt.
Geht es nach Uefa-Präsident Aleksander Cˇeferin, ist dieser Umschwung jedoch längst eingeläutet. Die besten Ligen der Welt, allen voran die Königsklasse mit dem höchst dotierten Geldtöpfen – Europa sei längst die Nummer 1 im Weltfußball. Der Slowene ist vom Erfolg europäischer Mannschaften bei der WM daher auch gar nicht überrascht. „Der Fußball in Europa ist anders organisiert. Es gibt mehr Infrastruktur, mehr Personal. Wir arbeiten anders und der Unterschied wird jedes Jahr immer größer!“
Videobeweis im Europacup
Semifinali und Endspiel werde er „sehr entspannt“verfolgen, sagt der Chef von Europas Fußballunion, ohne aber seinen Favoriten zu verraten. Nur soviel verriet er: Frankreich sei eine „fantastische moderne Mannschaft“. Belgien und Kroatien verfügten über großartige Einzelspieler. Und England sei gut unterwegs wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr.
Der auch bei der WM heftig diskutierte Videobeweis hat nach Angaben von Cˇeferin seine Vorund Nachteile. Es gebe keinen Weg zurück und früher oder später werde diese Technik auch in europäischen Wettbewerben eingesetzt werden. „Wir sind nicht gegen dieses System, aber wir sind nicht sicher, ob wir uns voll darauf verlassen können“, sagte der Slowene. Er musste aber zugeben: „In Russland funktioniert der Videobeweis gut.“
Frankreich war als Weltmeister von 1998 noch der etablierteste der vier Semifinalisten, musste aber seit 2006 auf den Einzug unter die Top vier der Welt warten. Für England ist es der erste Sprung in die Vorschlussrunde seit 28 Jahren. Belgien (1986) und Kroatien (1998) schafften dies überhaupt erst einmal – und träumten davon, sich als neunte Nation erstmals zum Weltmeister zu krönen.
Fünftes WM-Halbfinale als EM
Zum fünften Mal in der WM-Geschichte sind die Europäer im Halbfinale komplett unter sich, zuvor war dies 1934, 1966, 1982 und 2006 der Fall. Damit kommt der vierte Weltmeister in Serie aus Europa. Dabei erlebten Südamerikas Vertreter ihr schlechtestes Turnier seit 2006, scheiterten in der Vorrunde (Peru), Achtelfinale (Argen- tinien/Kolumbien) und Viertelfinale (Brasilien/Uruguay). „Die Wahrheit aus finanzieller und historischer Sicht“könne nicht ignoriert werden, erklärte Uruguays Trainer Oscar Tabarez nach der 0:2-Niederlage gegen Frankreich. Vor acht Jahren stand Uruguay noch als einziges südamerikanisches Team im Halbfinale.
Die Dominanz der europäischen Ligen durch die MilliardenEinnahmen in der Champions League befeuert aus Sicht der Außenseiter aus Afrika, Asien und Amerika auch weiterhin ein Ungleichgewicht auf der Weltbühne. „Meine Meinung nach 37 Jahren in diesem Geschäft ist, dass es klar ist: Die Lücke ist groß und sie wächst weiter und wird weiter wachsen, WM für WM“, analysierte Irans Coach Carlos Queiroz die wahren Unterschiede der Kontinente.
2026: Noch drei Europäer
14 der 32 Teilnehmer der WM kamen aus Europa (44 Prozent). Dieser Anteil erhöhte sich vom Achtelfinale (62) über das Viertelfinale (75) bis zum Halbfinale, das nun endgültig zur Europameisterschaft geworden ist. In der Verteilung der Startplätze sehen die anderen Erdteile zukünftig aber auch eine Chance, diese Vormachtstellung zumindest etwas einzudämmen. Wenn spätestens die WM 2026 mit 48 Teams gespielt wird, bekommt Europa nur fix drei zusätzliche Startplätze (zum Leidwesen des ÖFB). Doch auch 29 Prozent können am Ende 100 werden. (red)