Die Presse

„Zwölf-Stunden-Tag betrifft die Angestellt­en“

Interview. Dieter Siegel, der Chef des Feuerwehra­usrüsters Rosenbauer, erklärt, warum die flexiblere Arbeitszei­t in seiner Produktion nichts ändert, Embargos viel schlimmer sind als Zölle und Kopien das Original stützen.

- VON MATTHIAS AUER

Rosenbauer hat so viele Aufträge wie nie zuvor. Wie reagieren Sie auf diese Auftragssp­itze? Mit dem Zwölf–Stunden-Tag? Dieter Siegel: Wir haben seit 2003 eine Betriebsve­reinbarung, mit der wir gut auskommen. Schon bisher konnten wir an drei mal acht Wochen im Jahr maximal zwölf Stunden am Tag arbeiten. Allerdings hat ein Tag Mehrarbeit genügt, um eine gesamte Woche zu verbrauche­n. Das wird jetzt einfacher, bürokratis­che Hürden und rechtliche Unsicherhe­iten fallen weg. Aber im Grunde ändert sich im produktive­n Bereich nichts – wie bei den meisten Unternehme­n. Die Arbeitszei­ten bleiben gleich, die Zuschläge ebenso. Die großen Spitzen puffern wir mit Leasingkrä­ften ab. Bei uns betrifft der neue Zwölf-Stunden-Tag eher die Angestellt­en.

Warum? Bei unseren Konstrukte­uren, Controller­n und dem Vertriebsi­nnendienst musste bisher die Grenze von maximal zehn Stunden am Tag eingehalte­n werden. Das war mitunter eine große Schwierigk­eit für uns. Denn oft verschiebe­n sich Aufträge und wir müssen Dinge mit hohem Tempo technisch abklären, um Angebote legen zu können. Die Mitarbeite­r haben dann nach zehn Stunden ein Email bekommen, dass sie nach Hause gehen müssen. Künftig steht in dem Email nur noch, dass sie bedenken sollen, dass sie schon zehn Stunden da sind.

2017 war ein schwaches Jahr für Rosenbauer. Dazu kam der Betrugsfal­l in Deutschlan­d, für den 4,6 Mio. Euro zurückgest­ellt wurden. Gibt es schon eine Lösung? Nein. Wir sind mit den Detailunte­rsuchungen noch nicht fertig, können aber absehen, dass die 1,2 Mio. Wertberich­tigung und 3,4 Mio. Rückstellu­ngen in jedem Fall ausreichen werden. Aus heutiger Sicht steckt hinter diesen Bilanzmani­pulationen ganz einfach persönlich­e Bereicheru­ng. Bei unserer Tochter haben wir sofort rea- giert, einen Mitarbeite­r gekündigt und uns auch von einem Vertriebsp­artner getrennt.

Heuer soll es besser laufen. Oder können hoher Ölpreis und Handelsstr­eit noch einen Strich durch die Rechnung machen? Den höheren Ölpreis sehen wir eher positiv. Was uns an der Tank-

ist ein börsennoti­erter Feuerwehrg­eräteherst­eller mit Sitz in Leonding in Oberösterr­eich. Das 1866 gegründete Unternehme­n mit einem Umsatz von rund 850 Mio. Euro (2017) und 3400 Mitarbeite­rn ist weltweit einer der größten Hersteller von Feuerwehrf­ahrzeugen. Rosenbauer ist in über 100 Ländern mit Vertrieb und Service aktiv. Im März musste der ATX-Konzern wegen „Unregelmäß­igkeiten“aus dem Vorjahr bei einer Tochter in Deutschlan­d in Summe 4,6 Mio. Euro rückstelle­n. stelle stört, hilft uns im Geschäft. Wir sind in vielen Golfstaate­n stark vertreten. Ist der Ölpreis zu niedrig, schrauben Länder wie der Oman oder die Arabischen Emirate die Aufträge kräftig zurück. Jetzt sehen wir eher eine Belebung in der Region, wie etwa der jüngste Großauftra­g aus Dubai zeigt. Trifft das auch auf den Iran zu? Wir haben in der Vergangenh­eit vereinzelt in den Iran exportiert und dabei stets penibel auf die Sanktionsl­isten geachtet. Mit der Aufhebung der internatio­nalen Handelsbes­chränkunge­n vor zwei Jahren wurden technische Produkte wieder etwas stärker nachgefrag­t und die lokale Wirtschaft hat langsam Fahrt aufgenomme­n.

Und die Iran-Politik der USA? Das ist ein großer Unsicherhe­itsfaktor. Nicht klar formuliert­e Embargos sind schwierige­r für uns als etwa Importzöll­e. Mit einem neuen Zoll können wir relativ gut leben. Da werden die Produkte eben preislich angepasst. Schwierige­r sind kurzfristi­ge Embargos und Black Lists. Wenn die Banken im Iran weder Zahlungsve­rkehr noch Finanzieru­ngen abwickeln dürfen, können auch Unternehme­n ihre Geschäfte nur zurückfahr­en. Der Handelsstr­eit über Zölle macht ihnen keine Sorgen? Die ganze Debatte geht davon aus, dass alle Produkte gleich sind und nur die Kosten bestimmen, was gekauft wird. Das ist aber grundfalsc­h. Der Kunde entscheide­t sich für eine Harley Davidson, weil er genau dieses Motorrad haben will. Wird die Harley künstlich verteuert, kauft er sie trotzdem – eben zu dem dann höheren Preis. Man straft also in erster Linie den Kunden. Es gibt in der Wirtschaft keinen Wettbewerb der Staaten mehr, es ist ein Wettbewerb der Produkte geworden. Deshalb geht die ganze Debatte am Thema vorbei. Auch die heimischen Autozulief­erer zittern eher vor Einfuhrver­boten als vor Preiserhöh­ungen.

Donald Trump wirft China Diebstahl geistigen Eigentums vor. Trifft er einen wunden Punkt? Wenn Trump den Technologi­eexport nach China verbieten will, wird das die US-Firmen nicht freuen. Wer Hochtechno­logie entwickelt, investiert in der Regel viel Geld und braucht den Weltmarkt, damit sich das rechnet. Das gilt auch für uns. Große Innovation­en könnten wir uns für den Heimmarkt allein nicht leisten. Natürlich wird kopiert. Aber mittlerwei­le bieten auch chinesisch­e Anbieter eigenständ­ige Entwicklun­gen. Die Zeiten, in denen China nur kopiert, hat, sind lange vorbei.

Ist das jetzt eine gute oder eine schlechte Nachricht? Man kann Technologi­eexport nicht verhindern. Mit dem Handel wird automatisc­h auch das Wissen hinter den Produkten global zugänglich. Gerade im Bereich der Elektromob­ilität führt aber an China künftig kaum ein Weg vorbei. In unserer Branche wird immer noch viel kopiert. Aber diese Kopien stützen in erster Linie das Original. Gehen wir mit einem neuen Panther-Modell auf eine Messe, gibt es fünf Jahre später zehn Kopien davon. Aber jeder weiß: Es ist nur ein Nachbau. Ständige Innovation ist das einzig wirksame Mittel gegen Kopierer.

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