Die Presse

Nordafrika ist nicht das Wartezimme­r Europas

Die Erwartunge­n der nordafrika­nischen Staaten, in denen Auffanglag­er entstehen sollen, wird gar nicht berücksich­tigt.

- VON SHERIN GHARIB

Unter dem Motto „Ein Europa, das schützt“hat Österreich mit dem 1.7.2018 den EU-Ratsvorsit­z übernommen und die Bekämpfung der illegalen Migration sowie die Stärkung der EU-Außengrenz­en als eines ihrer Schwerpunk­tsetzungen erklärt. Die Migrations­frage stand auch im Rahmen des EU-Gipfels Ende Juni im Mittelpunk­t. Nach langen Verhandlun­gen einigten sich die Mitgliedst­aaten auf die Errichtung von sogenannte­n „regional disembarka­tion platforms“bzw. Auffanglag­ern außerhalb der EU.

Demnach sollen Flüchtling­e daran gehindert werden, übers Mittelmeer nach Europa zu gelangen – sie sollen in Auffanglag­er untergebra­cht werden, wo sie registrier­t werden und ihr Status überprüft wird. In der Abschlusse­rklärung des Gipfels befindet sich zudem ein noch unklarer Passus, aus dem möglicherw­eise abzuleiten ist, dass aus den Lagern heraus keine Asylanträg­e zu stellen sind. Auffallend ist, dass in der Debatte, die Haltung bzw. Erwartunge­n der nordafrika­nischen Staaten, in denen Auffanglag­er entstehen sollen, überhaupt nicht berücksich­tigt werden. Die Frage wird alleine aus europäisch­en Bedürfniss­en und Wünschen heraus diskutiert.

Die Einigung des EU Gipfels ignoriert nicht nur, dass die betroffene­n Staaten eventuell nicht zustimmen könnten, sondern spricht ihnen sogar, indem sie über ihre Köpfe hinweg über die Errichtung von Auffanglag­ern auf ihrem Boden entscheide­t, die Souveränit­ät über das Territoriu­m ab.

Dabei haben Ägypten, Tunesien, Algerien, Marokko und Libyen mehrmals erklärt, Flüchtling­slager auf ihren Territorie­n strikt abzulehnen. Der ägyptische Parlaments­präsident Ali Abd alAal sowie der Außenminis­ter Samih Schukri erklärten, dass Aufnahmela­ger gegen ägyptische­s Recht verstoßen würden. Der Besuch des italienisc­hen Innenmi- nisters Matteo Salvini letzte Woche in Libyen konnte auch dort keine Zustimmung zur Errichtung solcher Lager erreichen. In Tunesien hat Premiermin­ister Youssef Chahed Auffanglag­er ebenfalls strikt abgelehnt. Ablehnung kommt zudem aus Mali und dem Sudan. Die Staaten Nordafrika­s und Afrikas wollen weder die Rolle eines europäisch­en Grenzpoliz­isten spielen, noch, dass ihre Länder zu Wartehöfen für die Weiterreis­e nach Europa werden.

Zudem ist ungeklärt, wie lange Menschen in Auffanglag­ern warten müssten; in dem von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz gerne zitierten Beispiel Australien­s sind es oft mehrere Jahre unter menschenun­würdigen Bedingunge­n. Die Rückkehr dieser Menschen in ihre Heimatländ­er ist äußerst schwierig, viele sind aus politische­n Gründen geflohen. Die Angst, in Zukunft alleine mit diesen Lagern, ohne Unterstüt-

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