Asylanträge nur außerhalb Europas?
Interview. Ex-Minister Hans Peter Doskozil spricht sich für Verfahrenszentren in Afrika und einen verbesserten Schutz der EU-Außengrenze aus. Das sei auch Parteilinie der SPÖ. Hans Niessl wird er heuer nicht mehr als Landeshauptmann ablösen.
Menschen, die nicht aus einem unmittelbaren EU-Nachbarland kommen, solle es nicht mehr möglich sein, einen Asylantrag in der EU zu stellen. Dafür hat sich gestern Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) bei einer Pressekonferenz ausgesprochen. Andernfalls spiele man Schleppern in die Hände, denn die Wahrscheinlichkeit, dass man Menschen, die in der EU Asylanträge stellen, jemals wieder zurückbringe, sei „eine sehr, sehr geringe“.
Auch der frühere SPÖ-Innenminister Hans Peter Doskozil spricht sich im „Presse“-Interview für einen verbesserten Schutz der EU-Außengrenze und Verfahrenszentren in Afrika aus. Die Flüchtlinge müssten merken, dass ihr Asylantrag nicht behandelt werde, egal in welches EU-Land sie geschleppt werden. Sie müssten wissen, dass sie wieder zurück in die Verfahrenszentren müssen.
Die Presse: Ihre Ministerzeit ist über ein halbes Jahr her, seit Dezember sind Sie Finanzlandesrat im Burgenland. Vermissen Sie die Bundespolitik? Hans Peter Doskozil: Vermissen ist vielleicht der falsche Ausdruck. Ich hatte eine schöne Zeit beim Bundesheer. Das hat aber mehr mit dem Ressort zu tun als mit der Bundespolitik. Wenn ich mir die aktuellen Debatten – etwa über die Asylpolitik – ansehe, dann vermisse ich die Bundesebene eher in der Form, dass die SPÖ keine Regierungsverantwortung mehr hat.
Zum Auftakt des EU-Ratsvorsitzes hat Österreich eine radikale Asylreform vorgeschlagen. Demnach sollen auf europäischem Boden keine Asylanträge mehr gestellt werden. Das müsste doch in Ihrem Sinne sein – Sie waren immer für einen besseren Schutz der EU-Außengrenze. Da muss man zunächst ein, zwei Schritte zurückgehen. Das Thema ist deshalb wieder in den Fokus geraten, weil es der deutsche Innenminister Horst Seehofer in seiner robusten und vielleicht nicht von Sachkenntnis getragenen Art auf den Tisch gelegt hat, um Stimmung für die bayrische Landtagswahl zu machen. Das ist die Kurzanalyse.
Und wie geht die Langversion? In diesem Rausch ist auch die österreichische Regierung in die Debatte eingestiegen, hat die Achse der Willigen propagiert, dabei aber übersehen, was das für Österreich bedeutet. Nämlich dass die Deutschen versuchen werden, Flüchtlinge nach Österreich zurückzustellen, wenn sich andere Staaten für nicht zuständig erklären. Und das kann nicht toleriert werden.
Was schlagen Sie vor? Ich würde noch einen Schritt weiter gehen als die Regierung: Wenn die Deutschen diesen Schritt setzen, muss man auch ihnen die Grenzen aufzeigen und das Rücknahmeabkommen aussetzen. Das würde den Asylstreit in der EU aber noch weiter verschärfen. Wie stehen Sie nun zum Vorschlag, Asylanträge nur noch außerhalb Europas zuzulassen? Natürlich wäre das im Ergebnis richtig. Wenn es nach der Regierung ginge, kann man nirgendwo mehr einen Asylantrag stellen. Da ist unser Zugang ein anderer: Zunächst braucht es Verfahrenszentren außerhalb Europas – nicht in den nordafrikanischen Staaten, sondern weiter südlich.
Welche Staaten kämen in Frage? Jene in der Sahelzone – Niger etwa. Dieses Ziel hat auch EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verfolgt. Allerdings ist sie vom Reden nicht ins Handeln gekommen. Und weil gewisse Kreise immer das Argument bringen, man könne außerhalb Europas keine Asylverfahren nach europäischen Standards durchführen: Das stimmt einfach nicht. Wir haben das historisch bereits in Botschaften getan.
Warum sollten Flüchtlinge in diese Verfahrenszentren kommen, anstatt den direkten Weg nach Europa zu nehmen? Man wird das Problem nur mit einer Verfahrenssystematik lösen können, sodass die Flüchtlinge merken: Es ist egal, in welches europäische Land ich geschleppt werde – mein Asylverfahren wird da nicht behandelt, ich muss wieder zurück ins Verfahrenszentrum. Einhergehen muss das mit einem besseren Schutz der EU-Außengrenze. Das ist der zweite Punkt.
Und der dritte? Wir brauchen Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern. Weil wir jenen Staaten, in denen die Verfahrenszentren dann stehen, auch eine Antwort auf die Frage geben müssen, was mit den Personen passiert, die kein Asyl in Europa bekommen. Und erst wenn diese drei Punkte umgesetzt sind, wird man mit den Visegrad-´Staaten über eine Verteilung anerkannter Flüchtlinge reden können. Diese ganze Quotendebatte führt ja nur dazu, dass sich die EU noch mehr auseinander entwickelt.
Und worin genau besteht nun der Unterschied zwischen Ihrem Asylmodell für Europa und jenem der ÖVP-FPÖ-Regierung? Wenn diese vier Punkte auch von der Regierung vertreten werden, gibt es keinen Unterschied. Aber man muss genau hinhören. Wir fordern menschenrechtskonforme Verfahrenszentren, in denen ein Asylantrag gestellt werden kann. Die Regierung propagiert das australische Modell – das lehne ich ab. Dort dürfen sich Flüchtlinge nur auf vorgelagerten Inseln aufhalten, aber es wird kein Verfahren geführt. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Wir werden nicht sagen können, dass es nirgendwo in Europa mehr Asylverfahren gibt.
Ist Ihre Position in der SPÖ mehrheitsfähig? Das ist mit Christian Kern paktiert.
Und das akzeptieren wirklich alle Strömungen in der Partei? Dass die SPÖ ein gewisses Meinungsspektrum abdeckt, ist logisch
ZUR PERSON
Hans Peter Doskozil (48) ist Finanzlandesrat im Burgenland. Davor war er – ab Jänner 2016 – Verteidigungsminister. Bekannt wurde der Jurist während der Flüchtlingskrise 2015 als Polizeichef. und gut so. Aber die Linie in dieser Frage ist geklärt, dazu hat sich auch der Parteivorsitzende bekannt.
Sind Sie zufrieden mit der SPÖVorstellung in der Opposition? Dass man eine Zeit braucht, um in die neue Rolle zu finden, ist klar. Ich glaube, dass man sich anfangs zu sehr in Einzelgefechte verstrickt hat. Wenn man nur noch negativ ist, wird man irgendwann nicht mehr wahrgenommen.
Was hätten Sie anders gemacht? Mir hätte gereicht, wenn wir länger gegen die Abschaffung der Aktion 20.000 (für ältere Arbeitslose, Anm.) aufgetreten wären und sie nicht mit dem Beschäftigungsbonus vermischt hätten. Wenn wir, wie jetzt, gegen die 60-StundenWoche auftreten und uns zu wichtigen Themen wie der Asylfrage positionieren, bin ich zufrieden.
Ist Christian Kern noch der Richtige an der SPÖ-Spitze? Christian Kern ist der Richtige, sonst wäre er nicht an der SPÖSpitze. Er selbst hat gesagt, dass er zehn Jahre Parteichef bleiben will. Da ist noch einige Zeit ausständig.
Schließen Sie aus, dass Sie eines Tages in die Bundespolitik zurückkehren? Es gibt klare Vereinbarungen in der Partei. Und im Burgenland stehen Veränderungen an. Ich bin jetzt 48 und kann nicht sagen, was ich mit 60 machen werde. Man weiß nie, wie sich der Wähler entscheidet. Es ist ja auch möglich, dass meine politische Karriere nach der Landtagswahl 2020 zu Ende ist.
Am 8. September übernehmen Sie die Landespartei von Hans Niessl. Wann werden Sie ihm als Landeshauptmann nachfolgen? Zuerst muss ich am Landesparteitag in Oberwart gewählt werden. Eines ist aber fix: Heuer wird es keinen Wechsel mehr geben. Weil es richtig ist, wenn Hans Niessl den Landeshauptmann-Vorsitz, den das Burgenland im zweiten Halbjahr 2018 hat, zu Ende führt.