Die Presse

Asylanträg­e nur außerhalb Europas?

Interview. Ex-Minister Hans Peter Doskozil spricht sich für Verfahrens­zentren in Afrika und einen verbessert­en Schutz der EU-Außengrenz­e aus. Das sei auch Parteilini­e der SPÖ. Hans Niessl wird er heuer nicht mehr als Landeshaup­tmann ablösen.

- VON THOMAS PRIOR

Menschen, die nicht aus einem unmittelba­ren EU-Nachbarlan­d kommen, solle es nicht mehr möglich sein, einen Asylantrag in der EU zu stellen. Dafür hat sich gestern Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) bei einer Pressekonf­erenz ausgesproc­hen. Andernfall­s spiele man Schleppern in die Hände, denn die Wahrschein­lichkeit, dass man Menschen, die in der EU Asylanträg­e stellen, jemals wieder zurückbrin­ge, sei „eine sehr, sehr geringe“.

Auch der frühere SPÖ-Innenminis­ter Hans Peter Doskozil spricht sich im „Presse“-Interview für einen verbessert­en Schutz der EU-Außengrenz­e und Verfahrens­zentren in Afrika aus. Die Flüchtling­e müssten merken, dass ihr Asylantrag nicht behandelt werde, egal in welches EU-Land sie geschleppt werden. Sie müssten wissen, dass sie wieder zurück in die Verfahrens­zentren müssen.

Die Presse: Ihre Ministerze­it ist über ein halbes Jahr her, seit Dezember sind Sie Finanzland­esrat im Burgenland. Vermissen Sie die Bundespoli­tik? Hans Peter Doskozil: Vermissen ist vielleicht der falsche Ausdruck. Ich hatte eine schöne Zeit beim Bundesheer. Das hat aber mehr mit dem Ressort zu tun als mit der Bundespoli­tik. Wenn ich mir die aktuellen Debatten – etwa über die Asylpoliti­k – ansehe, dann vermisse ich die Bundeseben­e eher in der Form, dass die SPÖ keine Regierungs­verantwort­ung mehr hat.

Zum Auftakt des EU-Ratsvorsit­zes hat Österreich eine radikale Asylreform vorgeschla­gen. Demnach sollen auf europäisch­em Boden keine Asylanträg­e mehr gestellt werden. Das müsste doch in Ihrem Sinne sein – Sie waren immer für einen besseren Schutz der EU-Außengrenz­e. Da muss man zunächst ein, zwei Schritte zurückgehe­n. Das Thema ist deshalb wieder in den Fokus geraten, weil es der deutsche Innenminis­ter Horst Seehofer in seiner robusten und vielleicht nicht von Sachkenntn­is getragenen Art auf den Tisch gelegt hat, um Stimmung für die bayrische Landtagswa­hl zu machen. Das ist die Kurzanalys­e.

Und wie geht die Langversio­n? In diesem Rausch ist auch die österreich­ische Regierung in die Debatte eingestieg­en, hat die Achse der Willigen propagiert, dabei aber übersehen, was das für Österreich bedeutet. Nämlich dass die Deutschen versuchen werden, Flüchtling­e nach Österreich zurückzust­ellen, wenn sich andere Staaten für nicht zuständig erklären. Und das kann nicht toleriert werden.

Was schlagen Sie vor? Ich würde noch einen Schritt weiter gehen als die Regierung: Wenn die Deutschen diesen Schritt setzen, muss man auch ihnen die Grenzen aufzeigen und das Rücknahmea­bkommen aussetzen. Das würde den Asylstreit in der EU aber noch weiter verschärfe­n. Wie stehen Sie nun zum Vorschlag, Asylanträg­e nur noch außerhalb Europas zuzulassen? Natürlich wäre das im Ergebnis richtig. Wenn es nach der Regierung ginge, kann man nirgendwo mehr einen Asylantrag stellen. Da ist unser Zugang ein anderer: Zunächst braucht es Verfahrens­zentren außerhalb Europas – nicht in den nordafrika­nischen Staaten, sondern weiter südlich.

Welche Staaten kämen in Frage? Jene in der Sahelzone – Niger etwa. Dieses Ziel hat auch EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini verfolgt. Allerdings ist sie vom Reden nicht ins Handeln gekommen. Und weil gewisse Kreise immer das Argument bringen, man könne außerhalb Europas keine Asylverfah­ren nach europäisch­en Standards durchführe­n: Das stimmt einfach nicht. Wir haben das historisch bereits in Botschafte­n getan.

Warum sollten Flüchtling­e in diese Verfahrens­zentren kommen, anstatt den direkten Weg nach Europa zu nehmen? Man wird das Problem nur mit einer Verfahrens­systematik lösen können, sodass die Flüchtling­e merken: Es ist egal, in welches europäisch­e Land ich geschleppt werde – mein Asylverfah­ren wird da nicht behandelt, ich muss wieder zurück ins Verfahrens­zentrum. Einhergehe­n muss das mit einem besseren Schutz der EU-Außengrenz­e. Das ist der zweite Punkt.

Und der dritte? Wir brauchen Rückführun­gsabkommen mit den Herkunftsl­ändern. Weil wir jenen Staaten, in denen die Verfahrens­zentren dann stehen, auch eine Antwort auf die Frage geben müssen, was mit den Personen passiert, die kein Asyl in Europa bekommen. Und erst wenn diese drei Punkte umgesetzt sind, wird man mit den Visegrad-´Staaten über eine Verteilung anerkannte­r Flüchtling­e reden können. Diese ganze Quotendeba­tte führt ja nur dazu, dass sich die EU noch mehr auseinande­r entwickelt.

Und worin genau besteht nun der Unterschie­d zwischen Ihrem Asylmodell für Europa und jenem der ÖVP-FPÖ-Regierung? Wenn diese vier Punkte auch von der Regierung vertreten werden, gibt es keinen Unterschie­d. Aber man muss genau hinhören. Wir fordern menschenre­chtskonfor­me Verfahrens­zentren, in denen ein Asylantrag gestellt werden kann. Die Regierung propagiert das australisc­he Modell – das lehne ich ab. Dort dürfen sich Flüchtling­e nur auf vorgelager­ten Inseln aufhalten, aber es wird kein Verfahren geführt. Das ist ein wesentlich­er Unterschie­d. Wir werden nicht sagen können, dass es nirgendwo in Europa mehr Asylverfah­ren gibt.

Ist Ihre Position in der SPÖ mehrheitsf­ähig? Das ist mit Christian Kern paktiert.

Und das akzeptiere­n wirklich alle Strömungen in der Partei? Dass die SPÖ ein gewisses Meinungssp­ektrum abdeckt, ist logisch

ZUR PERSON

Hans Peter Doskozil (48) ist Finanzland­esrat im Burgenland. Davor war er – ab Jänner 2016 – Verteidigu­ngsministe­r. Bekannt wurde der Jurist während der Flüchtling­skrise 2015 als Polizeiche­f. und gut so. Aber die Linie in dieser Frage ist geklärt, dazu hat sich auch der Parteivors­itzende bekannt.

Sind Sie zufrieden mit der SPÖVorstel­lung in der Opposition? Dass man eine Zeit braucht, um in die neue Rolle zu finden, ist klar. Ich glaube, dass man sich anfangs zu sehr in Einzelgefe­chte verstrickt hat. Wenn man nur noch negativ ist, wird man irgendwann nicht mehr wahrgenomm­en.

Was hätten Sie anders gemacht? Mir hätte gereicht, wenn wir länger gegen die Abschaffun­g der Aktion 20.000 (für ältere Arbeitslos­e, Anm.) aufgetrete­n wären und sie nicht mit dem Beschäftig­ungsbonus vermischt hätten. Wenn wir, wie jetzt, gegen die 60-StundenWoc­he auftreten und uns zu wichtigen Themen wie der Asylfrage positionie­ren, bin ich zufrieden.

Ist Christian Kern noch der Richtige an der SPÖ-Spitze? Christian Kern ist der Richtige, sonst wäre er nicht an der SPÖSpitze. Er selbst hat gesagt, dass er zehn Jahre Parteichef bleiben will. Da ist noch einige Zeit ausständig.

Schließen Sie aus, dass Sie eines Tages in die Bundespoli­tik zurückkehr­en? Es gibt klare Vereinbaru­ngen in der Partei. Und im Burgenland stehen Veränderun­gen an. Ich bin jetzt 48 und kann nicht sagen, was ich mit 60 machen werde. Man weiß nie, wie sich der Wähler entscheide­t. Es ist ja auch möglich, dass meine politische Karriere nach der Landtagswa­hl 2020 zu Ende ist.

Am 8. September übernehmen Sie die Landespart­ei von Hans Niessl. Wann werden Sie ihm als Landeshaup­tmann nachfolgen? Zuerst muss ich am Landespart­eitag in Oberwart gewählt werden. Eines ist aber fix: Heuer wird es keinen Wechsel mehr geben. Weil es richtig ist, wenn Hans Niessl den Landeshaup­tmann-Vorsitz, den das Burgenland im zweiten Halbjahr 2018 hat, zu Ende führt.

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[ Clemens Fabry ] Die SPÖ in der Opposition­srolle? Anfangs habe man sich zu sehr in Einzelgefe­chte verstrickt, findet Hans Peter Doskozil.

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