Die Presse

Leitartike­l von Oliver Pink

Ist es ein FPÖ-Skandal? Ein FPÖ-Skandal und ein ÖVP-Skandal? Oder ein ÖVPSkandal mit dilettanti­scher FPÖ-Beteiligun­g? Im Fall BVT tut Aufklärung not.

- E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

S elten war ein Untersuchu­ngsausschu­ss in der jüngeren Vergangenh­eit derart angebracht wie nun jener rund um die Vorgänge im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT). Bei anderen U-Ausschüsse­n, etwa jenem zur Hypo-Alpe-Adria-Bank, wusste man schon vor dessen Beginn – mehr oder weniger – über das meiste Bescheid. Der Erkenntnis­gewinn war also überschaub­ar.

Nun aber weiß man im Grunde genommen nicht viel. Also man kennt diverse Details und Abläufe. Aber die Hintergrün­de kann man nur erahnen.

Im Vordergrun­d steht das Vorgehen des von der FPÖ geführten Innenminis­teriums, das die ganze Sache mit Karacho hochgehen ließ. Und dies möglicherw­eise auch für eigene Zwecke nützen wollte.

Aber eines lässt sich jedenfalls sagen: Aus Jux und Tollerei hat das von der FPÖ geführte Innenminis­terium das nicht gemacht (die Tollerei kam dann später in der Ausführung hinzu).

Es gab im zuvor viele Jahre von der ÖVP geführten Innenminis­terium offensicht­lich – nennen wir es einmal vorsichtig – bedenklich­e Entwicklun­gen. Schon damals, lang vor den aktuellen Hausdurchs­uchungen, wurde der schwarze Machtzirke­l rund um den Innenminis­teriumskab­inettschef und späteren Präsidialc­hef Michael Kloibmülle­r medial immer wieder thematisie­rt, der damalige Grünen-Aufdecker Peter Pilz verbiss sich regelrecht in ihn.

Später dann wurde berichtet, dass im BVT unter anderem – mutmaßlich – Daten eines SPÖ-nahen Anwalts nicht gelöscht worden sein sollen. Eventuell, um im Fall des Falles, wenn man es einmal braucht, etwas gegen ihn und/oder seine Partei in der Hand zu haben?

In all das reiht sich nun auch die jüngste Geschichte, die gestern via Austria Presse Agentur publik wurde: Ein Mitarbeite­r des BVT hat private Daten von Regierungs­mitglieder­n und Staatsanwä­lten bei sich zu Hause gehortet. In einem Brief an den ehemaligen Generaldir­ektor für öffentlich­e Sicherheit, Herbert Anderl, hat sich der Mann, der als ÖVP-nahe beschriebe­n wird, für „Vernetzung­sarbeit“angeboten.

Wörtlich heißt es in dem Brief des Cartellver­band-Mitglieds an seinen „Bundesbrud­er“: „Ich will dich nicht nur über meine ,Existenz‘ im BVT informiere­n, sondern dir auch mitteilen, dass ich dir selbstvers­tändlich jederzeit für authentisc­he Informatio­nen abseits der formellen Kanäle und ebenso für eine persönlich­e Vorstellun­g meiner Möglichkei­ten [. . .] zur Verfügung stehe.“

Die Causa BVT war von Anfang an auch eine Informatio­nsschlacht – Litigation-PR at its best könnte man sagen. Jede Seite, die Beschuldig­ten und ihre Anwälte auf der einen, das Innenminis­terium und die FPÖ auf der anderen, erzählte ihre Version der Geschichte. Was glauben? Wem trauen? Schwierig.

Die involviert­en Behörden, die Ministerie­n für Inneres und Justiz, die Staatsanwa­ltschaft, die Exekutive in Gestalt der Einsatzgru­ppe für die Bekämpfung der Straßenkri­minalität, haben sich jedenfalls nicht mit Ruhm bekleckert. So viel lässt sich derzeit relativ gefahrlos festhalten.

Dass Vertreter des Innenminis­teriums der Staatsanwa­ltschaft proaktiv Zeugen vorführen – und das alles auf Basis von Gerüchten, die ein ehemaliger Mitarbeite­r in ein über weite Strecken zweifelhaf­tes Konvolut gepresst hat –, das war so noch nicht da. Jedenfalls nicht öffentlich bekannt.

Der Eifer, mit dem hier insbesonde­re der Generalsek­retär des Innenminis­teriums, Peter Goldgruber, zu Werke ging, könnte durchaus auch persönlich begründet sein. Der Mann kommt aus jenem Apparat, den er nun dirigiert. Und dessen – echte oder vermeintli­che – Auswüchse er jetzt bekämpft. E s scheint also zu sein, wie es schon unter Schwarz-Blau I (und SchwarzOra­nge) in der ersten Hälfte der Nullerjahr­e war: Mit der FPÖ in der Regierung bricht nicht der Faschismus aus, sondern nur der Dilettanti­smus.

Anfang September startet der Untersuchu­ngsausschu­ss. Es wird spannend. So viel ist sicher.

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