„Kein Wartezimmer für Flüchtlinge“
Interview. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) wehrt sich dagegen, dass Tirol beim Asylstreit mit Deutschland Nachteile erfährt: „Dann steht die Brennergrenze zur Diskussion.“
Die Presse: In Tirol findet heute, Donnerstag, das Treffen der EUInnenminister statt. Was erhoffen Sie sich davon? Günther Platter: Wichtig ist bei dem Treffen, dass man bei Themen wie Asyl und Flüchtlinge eine gemeinsame Linie findet, eine einheitliche Vorgangsweise.
Das wird insofern schwierig, als es ja nicht einmal innerhalb der deutschen Bundesregierung eine einheitliche Linie gibt. Ich bin in der Flüchtlings- und Asylthematik als ehemaliger Innenminister ja nicht ganz unerfahren. Das Wichtigste ist die Gemeinsamkeit der EU. Dazu gehört, dass die Außengrenzen gesichert werden, dass Frontex (die Agentur für die Grenz- und Küstenwache der EU, Anm.) aufgewertet wird, dass Asylverfahren außerhalb unseres Kontinents stattfinden – etwa in Asylzentren an der nordafrikanischen Grenze oder unter Beiziehung der UNO in anderen Gegenden. Man kann diese Fragen nur auf europäischer Ebene lösen, nationale Maßnahmen werden nicht greifen. Der Innenminister Deutschlands, Horst Seehofer, will aber genau diese nationalen Maßnahmen, er will notfalls die Grenzen zu Österreich dicht machen. Ich als Tiroler Landeshauptmann werde sicher nicht zuschauen, wie das Land zum Wartezimmer für Flüchtlinge wird. Wenn Deutschland meint, dass Grenzkontrollen stattfinden sollen und jedes Fahrzeug angehalten wird, dann geht es um die Brennergrenze, dann steht auch diese Grenze zur Diskussion.
Was können Sie als Landeshauptmann in der Frage unternehmen? Die Schützen an die Grenze schicken? Ich kann Deutschland auf seine Verantwortung hinweisen. Aber in dieser Frage gibt es ohnehin keine klare Linie Deutschlands.
Würden Sie von der österreichischen Bundesregierung in so einem Fall erwarten, dass man die Grenze zu Italien ebenfalls dicht macht? Der Bundeskanzler und der Innenminister haben schon in der Vergangenheit immer betont, dass es keine Maßnahmen Deutsch- lands zulasten Österreichs und Tirols geben darf. Ich erwarte mir, dass das auch eingehalten wird.
Zur Flüchtlingspolitik: Ihr Parteifreund Wilfried Haslauer, Salzburgs Landeshauptmann, hat gemeint, man müsse Möglichkeiten schaffen, um die Abschiebung gut integrierter Flüchtlinge zu verhindern. Wie stehen Sie dazu? Man muss diese Problematik grundsätzlicher angehen. Das Thema, das Landeshauptmann Haslauer aufgeworfen hat, zeigt, dass man Asylverfahren rasch abhandeln und erledigen muss.
Und was ist mit jemandem, der schon im Land ist, dessen Asylverfahren sich über einen langen Zeitraum hingezogen hat und der integriert ist? Soll diese Person bei einem negativen Bescheid abgeschoben werden? Man muss das Problem an der Wurzel packen, und das heißt, Asylverfahren so schnell abschließen, dass man gar nicht in diese Situation gerät. Wir kommen da nur heraus, wenn die Asylverfahren schneller abgehandelt werden – genau darum geht es. Noch einmal zu Ihrem Verhältnis zu Deutschland: Das ist ja auch wegen der Transitproblematik nicht das beste, mit der Blockabfertigung in Kufstein sorgt Tirol für lange Rückstaus in Deutschland – und das sorgt für gehörigen Unmut. Das wird auch so bleiben, bis wir eine gemeinsame Lösung haben. Wir haben mehrere Abkommen mit Deutschland zur Transitproblematik unterschrieben, und passiert ist genau gar nichts. Da sind jetzt eben Notmaßnahmen notwendig, und das wird Deutschland aushalten müssen. Wenn unser Nachbar nicht aktiv wird, werden noch schärfere Notmaßnahmen notwendig werden.
Die da wären? Noch mehr Blockabfertigungen mit dem Effekt, dass es noch mehr Rückstau gibt. Man muss den Transport auf der Straße teurer machen – eine Korridormaut, die von den derzeit 16 Cent auf den Tiroler Wert von 88 Cent pro Kilometer angehoben wird. Außerdem muss mehr in die Bahninfrastruktur investiert werden. Österreich gibt dafür 255 Euro pro Person aus, Deutschland nur 70 Euro.
Kurz noch zur Tiroler Landespolitik: Arbeitnehmer- und Wirtschaftsbund tauschen öffentlich Unfreundlichkeiten zur Regierungspolitik aus. Werden Sie als Parteichef einschreiten? Es ist logisch, dass es bei diesen Bünden unterschiedliche Interessenlagen gibt. Am Ende muss es zwei Gewinner geben: die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber.
Werden Sie ein klärendes Gespräch mit den Tiroler Streithähnen führen? Ich bin immer mit allen im Gespräch.