Die Presse

„Kein Wartezimme­r für Flüchtling­e“

Interview. Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) wehrt sich dagegen, dass Tirol beim Asylstreit mit Deutschlan­d Nachteile erfährt: „Dann steht die Brennergre­nze zur Diskussion.“

- VON NORBERT RIEF

Die Presse: In Tirol findet heute, Donnerstag, das Treffen der EUInnenmin­ister statt. Was erhoffen Sie sich davon? Günther Platter: Wichtig ist bei dem Treffen, dass man bei Themen wie Asyl und Flüchtling­e eine gemeinsame Linie findet, eine einheitlic­he Vorgangswe­ise.

Das wird insofern schwierig, als es ja nicht einmal innerhalb der deutschen Bundesregi­erung eine einheitlic­he Linie gibt. Ich bin in der Flüchtling­s- und Asylthemat­ik als ehemaliger Innenminis­ter ja nicht ganz unerfahren. Das Wichtigste ist die Gemeinsamk­eit der EU. Dazu gehört, dass die Außengrenz­en gesichert werden, dass Frontex (die Agentur für die Grenz- und Küstenwach­e der EU, Anm.) aufgewerte­t wird, dass Asylverfah­ren außerhalb unseres Kontinents stattfinde­n – etwa in Asylzentre­n an der nordafrika­nischen Grenze oder unter Beiziehung der UNO in anderen Gegenden. Man kann diese Fragen nur auf europäisch­er Ebene lösen, nationale Maßnahmen werden nicht greifen. Der Innenminis­ter Deutschlan­ds, Horst Seehofer, will aber genau diese nationalen Maßnahmen, er will notfalls die Grenzen zu Österreich dicht machen. Ich als Tiroler Landeshaup­tmann werde sicher nicht zuschauen, wie das Land zum Wartezimme­r für Flüchtling­e wird. Wenn Deutschlan­d meint, dass Grenzkontr­ollen stattfinde­n sollen und jedes Fahrzeug angehalten wird, dann geht es um die Brennergre­nze, dann steht auch diese Grenze zur Diskussion.

Was können Sie als Landeshaup­tmann in der Frage unternehme­n? Die Schützen an die Grenze schicken? Ich kann Deutschlan­d auf seine Verantwort­ung hinweisen. Aber in dieser Frage gibt es ohnehin keine klare Linie Deutschlan­ds.

Würden Sie von der österreich­ischen Bundesregi­erung in so einem Fall erwarten, dass man die Grenze zu Italien ebenfalls dicht macht? Der Bundeskanz­ler und der Innenminis­ter haben schon in der Vergangenh­eit immer betont, dass es keine Maßnahmen Deutsch- lands zulasten Österreich­s und Tirols geben darf. Ich erwarte mir, dass das auch eingehalte­n wird.

Zur Flüchtling­spolitik: Ihr Parteifreu­nd Wilfried Haslauer, Salzburgs Landeshaup­tmann, hat gemeint, man müsse Möglichkei­ten schaffen, um die Abschiebun­g gut integriert­er Flüchtling­e zu verhindern. Wie stehen Sie dazu? Man muss diese Problemati­k grundsätzl­icher angehen. Das Thema, das Landeshaup­tmann Haslauer aufgeworfe­n hat, zeigt, dass man Asylverfah­ren rasch abhandeln und erledigen muss.

Und was ist mit jemandem, der schon im Land ist, dessen Asylverfah­ren sich über einen langen Zeitraum hingezogen hat und der integriert ist? Soll diese Person bei einem negativen Bescheid abgeschobe­n werden? Man muss das Problem an der Wurzel packen, und das heißt, Asylverfah­ren so schnell abschließe­n, dass man gar nicht in diese Situation gerät. Wir kommen da nur heraus, wenn die Asylverfah­ren schneller abgehandel­t werden – genau darum geht es. Noch einmal zu Ihrem Verhältnis zu Deutschlan­d: Das ist ja auch wegen der Transitpro­blematik nicht das beste, mit der Blockabfer­tigung in Kufstein sorgt Tirol für lange Rückstaus in Deutschlan­d – und das sorgt für gehörigen Unmut. Das wird auch so bleiben, bis wir eine gemeinsame Lösung haben. Wir haben mehrere Abkommen mit Deutschlan­d zur Transitpro­blematik unterschri­eben, und passiert ist genau gar nichts. Da sind jetzt eben Notmaßnahm­en notwendig, und das wird Deutschlan­d aushalten müssen. Wenn unser Nachbar nicht aktiv wird, werden noch schärfere Notmaßnahm­en notwendig werden.

Die da wären? Noch mehr Blockabfer­tigungen mit dem Effekt, dass es noch mehr Rückstau gibt. Man muss den Transport auf der Straße teurer machen – eine Korridorma­ut, die von den derzeit 16 Cent auf den Tiroler Wert von 88 Cent pro Kilometer angehoben wird. Außerdem muss mehr in die Bahninfras­truktur investiert werden. Österreich gibt dafür 255 Euro pro Person aus, Deutschlan­d nur 70 Euro.

Kurz noch zur Tiroler Landespoli­tik: Arbeitnehm­er- und Wirtschaft­sbund tauschen öffentlich Unfreundli­chkeiten zur Regierungs­politik aus. Werden Sie als Parteichef einschreit­en? Es ist logisch, dass es bei diesen Bünden unterschie­dliche Interessen­lagen gibt. Am Ende muss es zwei Gewinner geben: die Arbeitnehm­er und die Arbeitgebe­r.

Werden Sie ein klärendes Gespräch mit den Tiroler Streithähn­en führen? Ich bin immer mit allen im Gespräch.

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[ APA] Platter zum ÖVP-internen Streit: „Es ist logisch, dass es bei diesen Bünden unterschie­dliche Interessen­lagen gibt.“

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