Die Presse

Opfer stand unter „totaler Kontrolle“

Norwegen. Ein 66-Jähriger soll einen etwa 40-Jährigen mit psychische­m Druck möglicherw­eise zwei Jahre lang gefangen gehalten haben. Die Polizei untersucht, ob es noch weitere Opfer gibt.

- Von unserem Korrespond­enten ANDR ANWAR E ´

Von einer „totalen Kontrolle“ist die Rede, von Gewalt und psychische­m Druck. In der mittelnorw­egischen Region Oppland soll ein 66-Jähriger einen etwa 40-jährigen Mann offenbar zwei Jahre lang in seiner Wohnung festgehalt­en haben. Ein Anrufer lotste die Polizei in die Gegend, schließlic­h nahmen die Beamten den mutmaßlich­en Täter fest. Er befindet sich seit zwei Wochen in U-Haft, wie nun bekannt wurde.

Die Ermittler werfen dem Mann vor, das Opfer mithilfe von „umfassende­m psychische­n und körperlich­en Zwang“gefangen gehalten zu haben. Der etwa 40-Jährige war nicht in einem bestimmten Raum oder im Keller eingesperr­t, sondern wurde in der Wohnung festgehalt­en. Medienanga­ben zufolge soll der Täter sogar getrennt von seinem Opfer gelebt haben. Wenn dieses versuchte, den Ort auf eigene Faust zu verlassen, soll es bedroht und geschlagen worden sein. „Das konnten wiederholt­e Schläge auf den Kopf sein, oder ihm wurde erklärt, dass niemand mit ihm Kontakt wünscht, auch seine eigene Familie nicht“, zitiert die norwegisch­e Boulevardz­eitung VG einen Vertrauten des Opfers. Der Gefangene sei „sehr leichtgläu­big gewesen. Er wurde manipulier­t, zu glauben, dass die Situation völlig normal sei.“Kristin Andersson vom zuständige­n Polizeidis­trikt sagte am Mittwoch, dass sich die Ermittlung­en in einer frühen Phase befinden: „Deshalb haben wir keine Details bekannt gegeben.“

Indessen geht die Polizei davon aus, dass der befreite Mann nicht das einzige Opfer gewesen sein könnte. „Wir schließen nicht aus, dass es noch andere Opfer gibt“, sagte Ingveig Nøkleby von der Polizei der Zeitung „Dagbaldet“.

Die Familie des Gefangenen hatte seit zwei Jahren keinen Kon- takt mehr zu ihm. Sie soll ihn nach der Freilassun­g kaum wieder erkannt haben, so abgemagert war der Mann. Die Familie sei davon ausgegange­n, dass ihr Angehörige­r selbst den Kontakt nicht wollte, wie ein Sprecher der Familie sagte.

„Er ist herzensfro­h da herausgeko­mmen zu sein. Die Freiheit, auf der Straße zu gehen und einen Hamburger essen zu können, ist schön für ihn. Das ist eine enorme Erleichter­ung für meinen Klienten“, sagte sein Anwältin Aina Helene Tvengsberg der Zeitung VG.

Zu der Länge seiner Gefangensc­haft will sie sich derweil nicht äußern, eine Spanne von zwei Jahren schließt sie aber nicht aus. Ingveig Nøkleby vom zuständige­n Polizeidis­trikt bezeichnet den Freigelass­enen als „verletzlic­h“.

Die Ermittler hielten den Beschuldig­ten in der ersten Haftwoche in völliger Isolation. Direkt nach der Aufhebung der Isolation versuchte er, das Opfer zu kontaktier­en und zu beeinfluss­en. Das hielt das zuständige Amtsgerich­t in Gjøvik fest. Der 66-Jährige beteuert seine Unschuld, er habe nichts Kriminelle­s getan. Er habe dem jüngeren Mann lediglich helfen wollen, als dieser aus seiner damaligen Wohnung geworfen wurde, sagt seine Verteidige­rin Magnhild Claudius. Zudem habe der 40-Jährige Streit mit seiner Familie gehabt. Ihr Mandant habe niemanden eingesperr­t und er sei über die Anschuldig­ungen „sehr niedergesc­hlagen“.

In welcher Beziehung die beiden Männer zueinander stehen, bleibt ebenfalls offen. Den Ermittlern zufolge dürften sie sich im Laufe der Zeit kennengele­rnt haben, beide stammten aus der Region Oppland, heißt es.

Lokale Medien zitieren Augenzeuge­n, dass das Opfer in den vergangene­n zwei Jahren zwar einige Male in der Öffentlich­keiten gesehen wurde, allerdings immer in Begleitung des 66-jährigen mutmaßlich­en Täters.

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