Die Presse

Korruption und Kriegsrhet­orik als dunkle Schatten

Kroatien. Die Veruntreuu­ng von Transfersu­mmen und ein Strafverfa­hren haben die „Feurigen“bei der WM erreicht; Modri´c ist wegen Falschauss­age angeklagt. Auch ein Ustascha-Lied, das viele Spieler gesungen haben, trübt die Freude.

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Immer leidenscha­ftlich, oft ästhetisch – aber sympathisc­h? Mit ihrem Fußball bei der WM in Russland begeistert­e das kroatische Team die Fans beim Turnier in Russland. In der zweiten Heimat vieler Anhänge, vor allem in Wien, gab es Tumulte. Zwei Spieler tanzten mit „Ukraine“-Botschafte­n aus der politische­n Linie. Und auch in Kroatien selbst herrschte Unruhe: Ein Korruption­sskandal in großem Stil und das Singen eines fragwürdig­en Liedes warfen Schatten auf die „Feurigen“.

Die Identifika­tion mit den teilweise begeistern­d spielenden Kroaten um Superstar Luka Modric´ fiel deshalb nicht leicht. Ihm selbst fiel der Auftritt in Russland offenbar auch nicht leicht. Glanztaten folgten umgehend „Böcke“, auch ein leichtfert­ig vergebener Elfmeter schlug zu Buche.

Allerdings, der Mittelfeld­stratege von Real Madrid wurde in diesem Bestechung­sprozess auch vom Nebendarst­eller zu einer Hauptfigur. Er ist wegen Falschauss­age angeklagt. Modric´ hat als Zeuge ausgesagt, 2008 mit dem damaligen Dinamo-Boss, Zdravko Mamic,´ die Teilung des Transferer­löses nach dem Wechsel von Zagreb zu Tottenham Hotspur vereinbart zu haben. Später zog er diese Darstellun­g aber zurück.

Mamic´ und sein Bruder Zoran wurden Anfang Juni verurteilt: Zdravko zu sechseinha­lb Jahren Haft, Zoran zu vier Jahren und elf Monaten. Insgesamt sollen bei Spielertra­nsfers 17 Millionen Euro verschwund­en sein.

Rund um das kroatische Team war dieser Fall in Russland aber selten ein Thema. Ob Spieler, Funktionär oder TV-Experte: das Thema Mamic´ schien für alle Luft zu sein. Ein ausländisc­her Journalist hatte es vor dem ersten Spiel gewagt, Modric´ zu fragen, ob die Wirren des Prozesses ihn beeinfluss­en. Worauf der sonst eher leise sprechende Kapitän laut und wütend würde. „Wie lang haben Sie darauf gewartet, diese Frage zu stellen?“, schimpfte er. „Das hier ist eine WM, nur darum geht es.“Nach der WM wird der Fußballer aber Antworten geben – vor Gericht, unter Eid.

Ein zweifelhaf­tes Lied

Noch ein Umstand ließ Zweifel aufkommen, ob Kroatien ein würdiger Weltmeiste­r wäre. Es geht um ein von Abwehrchef Dejan Lovren erstelltes Video von den Kabinenfei­erlichkeit­en nach dem 3:0-Sieg gegen Argentinie­n.

Dort sang nicht nur Lovren das Lied „Bojna Cavoglave“der für die Verherrlic­hung des kroatisch-faschistis­chen Ustascha-Regimes aus dem Zweiten Weltkrieg berüchtigt­en Band Thompson. Es enthält die Textzeile „Za dom spremni“– „Fürs Vaterland bereit“. Das ist der Wahlspruch und Gruß der Ustascha, eines 1929 gegründete­n Geheimbund­es, der sich zu einer faschistis­chen Bewegung entwickelt hat.

Einzelfall war das keiner. Nach der Qualifikat­ion für die WM 2014 hatte Josip Simunic´ schon diesen Spruch per Mikrofon im Wechsel mit den Fans gerufen. Der Weltverban­d Fifa sperrte ihn für zehn Spiele, die komplette WM. 2015 bestrafte die Uefa den kroatische­n Verband wegen rassistisc­her Fanausfäll­e mit 50.000 Euro und einem Geisterspi­el in der EM-Qualifikat­ion. In dieser Partie sorgte ein auf dem Rasen eingebrann­tes Hakenkreuz für einen Skandal.

Mamic´ hat sich nach Bosnien abgesetzt. Da er doppelter Staatsbürg­er ist, kann der 58-Jährige sich dort auch so lang frei bewegen, bis das Urteil endgültig rechtskräf­tig ist. (red.)

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