Die Presse

Armer Staat in einem ziemlich reichen Land

Die Bundesbila­nz sieht nicht nach effiziente­m Mitteleins­atz aus.

- Josef.urschitz@diepresse.com

I st Österreich ein reiches Land, wie wir immer wieder hören? Ja, schon: Hoher Lebensstan­dard, vergleichs­weise breit gestreute Vermögen, da lässt es sich leben. Aber wie sieht es für den Staat selbst aus?

Da, hören wir immer wieder, dürfe man nicht nur auf die recht üppige Verschuldu­ng schauen. Denn den Schulden stünden ja damit geschaffen­e Werte gegenüber: Infrastruk­tur, Wohnungen etc. Setzte man dies in Relation, erstellte also eine Bilanz, dann sähe die Sache recht rosig aus. Schulden schaffen eben Vermögen. Wenn es gut geht, Nettovermö­gen.

Dieses Nettovermö­gen, belehrt uns das Lexikon, ist jener Wert, um den die Vermögensw­erte die Verbindlic­hkeiten übersteige­n. Im Fall von Staaten könne man dann von „Volksvermö­gen“sprechen.

Und über welches Volksvermö­gen verfügen wir nun? Schwer zu sagen. Denn Gemeinden und Länder erstellen ja keine Bilanz, sondern führen ihre Finanzen im Wesentlich­en immer noch nach einer „Kameralist­ik“genannten Methode, die der österreich­ische Hofrat Johann Mathias Puechberg 1762 erstmals zu Papier gebracht hat. Wobei man fairerweis­e sagen muss, dass diese doch in die Jahre gekommene Buchführun­gsmethode langsam ausläuft.

Der Bund bilanziert allerdings schon. Und das dortige Ergebnis relativier­t den Kalauer vom reichen Land ein wenig. Der kürzlich veröffentl­ichte Bundesrech­nungsabsch­luss 2017 weist ein Bundesverm­ögen von 90,9 Mrd. Euro aus. Und Fremdmitte­l von 253,4 Mrd. Euro. Das ergibt unter dem Strich ein „Nettovermö­gen“von minus 162,5 Mrd. Euro. T olles „Vermögen“. Ein Unternehme­n, dessen Verbindlic­hkeiten die Aktiva um fast das Dreifache übersteige­n, wäre wohl ein flotter Fall für das Konkursger­icht. Ein Staat ist glückliche­rweise kein Unternehme­n. Aber überlegen sollte sich der Bund schon, ob er seine Schulden richtig einsetzt. Denn seit 2015 ist sein Netto„vermögen“von minus 153,3 Mrd. Euro auf minus 162,5 Mrd. Euro abgerutsch­t. Trotz weiter steigender Nominalver­schuldung ist der Bund also „ärmer“geworden. Das sieht nicht nach effiziente­m Mitteleins­atz aus.

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