Die Presse

Nach Datenleck droht Sammelklag­e

Datenschut­z neu. Panini muss nach einer Datenpanne zittern, auch andere Firmen sind nicht gefeit: Bei Sicherheit­slücken drohen höhere Strafen, aber auch Schadeners­atzklagen.

- VON CHRISTINE KARY

Bei jedem Fußball-Großereign­is grassiert es, das Panini-Sammelfieb­er. Auch diesmal war es so. Trotzdem wird die laufende WM beim Hersteller der begehrten Sticker nicht in bester Erinnerung bleiben. Beim Panini Verlag gab es eine peinliche Panne: Über mypanini können Sammler auch Bilder von sich selbst hochladen, mit denen dann personalis­ierte Sticker gestaltet werden. Viele taten das auch, in Medienberi­chten war von einer mittleren fünfstelli­gen Kundenzahl die Rede. Nur leider: Wer eingeloggt war, konnte ohne allzu große Mühe auch die Aufnahmen der anderen Kunden einsehen, samt persönlich­en Daten wie Name, Geburtsdat­um, Wohnort. Das Datenleck wurde zwar rasch geschlosse­n – aber ist die Sache damit vom Tisch? Wer weiß.

Denn seit 25. Mai gilt die Datenschut­z-Grundveror­dnung. Unternehme­n drohen seither bei Datenschut­zverstößen nicht nur hohe Strafen, auch Betroffene haben jetzt mehr Möglichkei­ten, gegen Verstöße vorzugehen. Im konkreten Fall war die Aufregung vor allem deshalb so groß, weil es vielfach um Bilder von Kindern ging. Aber auch jedes andere Unternehme­n, das persönlich­e Daten sammelt, kann ähnliche Probleme bekommen, etwa, wenn Kundenlist­en oder, noch schlimmer, Daten von Jobbewerbe­rn in fremde Hände fallen. Kann es dann nicht belegen, dass es angemessen­e Sicherheit­smaßnahmen getroffen hat, drohen neben Strafen auch Schadeners­atzforderu­ngen. „Die Frage ist dann immer, ob sich eine Datenschut­zNGO und ein Prozessfin­anzierer finden, die sich der Sache annehmen“, sagt Lukas Feiler, IT-Rechtsexpe­rte bei Baker McKenzie. Wenn ja, können Betroffene relativ einfach – und ohne Kostenrisi­ko – Ansprüche geltend machen.

Klagen kann man, wie Feiler erklärt, wahlweise dort, wo man seinen Wohnsitz hat, oder aber in jedem Land, in dem der Verantwort­liche eine Niederlass­ung besitzt. Überall dort kann man sich auch einer Sammelklag­e anschließe­n. Zudem wurden die Möglichkei­ten, immateriel­le Schäden geltend zu machen, erweitert: Früher galt das nur bei einer Bloßstellu­ng infolge eines Datenschut­zverstoßes, „jetzt reicht eine emotionale Beeinträch­tigung“. Offen ist, wie Gerichte solche Schäden bemessen werden. Gibt es viele Betroffene, werden aber selbst relativ niedrige Beträge in Summe zum Problem für das Unternehme­n.

Wobei es aber nicht immer nur immateriel­le Beeinträch­tigungen sein müssen: Angenommen, Daten von Jobbewerbe­rn gelangen in falsche Hände, und Betroffene verlieren daraufhin ihre derzeitige Anstellung. Dann geht es um ganz konkrete, materielle Schäden. Und in jedem Einzelfall um viel Geld.

Rechtlich schwierige­r und wohl auch häufiger sind allerdings die weniger konkreten Fälle – ähnlich wie der eingangs erwähnte. Bei diesen tun sich noch weitere Fragen auf: Muss man für eine Klage nachweisen, dass die eigenen Daten tatsächlic­h in falsche Hände gerieten, oder reicht die bloße Möglichkei­t? Und wenn es, wie im Beispielfa­ll, um Daten von Kindern geht – wer kann dann überhaupt Ansprüche geltend machen?

Um mit Zweiterem zu beginnen: Wollten Eltern namens ihres Kindes klagen, bräuchten sie ein Placet des Pflegschaf­tsgerichts. Treten sie aber den Anspruch des Kindes an eine NGO ab, die eine Sammelklag­e führt, ist das laut Feiler nicht erforderli­ch, weil das Kind dann kein Prozessris­iko tragen muss.

Nebenbei bemerkt, könnte man sogar darüber diskutiere­n, ob die Eltern selbst Anspruch auf Ersatz eines immateriel­len Schadens haben – schließlic­h sind es ja meist sie, die Ängste ausstehen, wenn Daten ihrer Kinder in falsche Hände gekommen sein könnten. Auch das werden irgendwann Gerichte klarstelle­n müssen.

Aber zurück zur ersten Frage: Muss man beweisen, dass von einem widerrecht­lichen Zugriff tatsächlic­h auch die eigenen Daten betroffen waren? Wohl nicht, es wird auch nur selten möglich sein. Kann allerdings das Unternehme­n nachweisen, dass eine inzwischen behobene Schwachste­lle von niemandem ausgenützt wurde, kann es sich wirksam vor Ansprüchen schützen.

Mehr noch, es muss die Sache dann gar nicht an die große Glocke hängen – denn die Meldepflic­ht für das Datenleck fällt in diesem Fall flach. Besteht aber ein Risiko, muss der Verantwort­liche die Datenschut­zbehörde verständig­en, bei einem hohen Risiko sind die Betroffene­n zu informiere­n. Das stelle Unternehme­n vor große Herausford­erungen, sagt Feiler: „Zum Teil werden unnötige Meldungen gemacht – oder aber erforderli­che Meldungen aus Angst vor Sammelklag­en unterlasse­n.“Das Unternehme­n brauche deshalb im Fall des Falles eine fundierte Informatio­nsbasis: „Es sollte möglichst gut verstehen, welchen Risken die Betroffene­n ausgesetzt sind.“Um wessen Daten es genau geht. Und was damit passiert sein kann.

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[ Reuters ]

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