Wie verschenkt man Wertpapiere?
Höchstgericht. Eine Frau schenkte ihrer Freundin ein halbes Wertpapierdepot, ihre Erben orteten Formfehler. Der OGH sprach ein Machtwort zugunsten der Beschenkten.
Dass Erben mit jemandem streiten, den der Erblasser großzügig beschenkt hat, kommt nicht selten vor und ist fast ein Standardfall vor Gericht. Rechtlich knifflig kann es trotzdem sein. Kürzlich schaffte es eine solche Causa sogar vor einen verstärkten Senat des Obersten Gerichtshofs (OGH; 2 Ob 122/17f ).
Geklagt hatten zwei Tierschutzinstitutionen als testamentarische Erben einer am 2. September 2014 verstorbenen Frau. Ihr Widerpart: eine Bekannte, die mit ihr im selben Haus gewohnt und sich um sie gekümmert hatte. Dafür hatte ihr die Frau in ihrem Testament ihre Eigentumswohnung und 30.000 Euro vermacht – sich dann jedoch entschlossen, ihr bereits zu Lebzeiten die Hälfte ihres Wertpapierdepots zu schenken. Sie war deshalb bei der Bank als Mitinhaberin des Depots eingetragen. Beide Frauen waren allein verfügungsberechtigt.
Im November 2014 verkaufte die Mitinhaberin die Hälfte der Wertpapiere und ließ sich den Erlös von rund 99.000 Euro auszahlen. Die Erben forderten daraufhin rund 69.000 Euro (samt Zinsen) von ihr – die Differenz zu den 30.000, die ihr im Testament vermacht worden waren. Die Schenkung sei unwirksam, argumentierten sie: Eine solche setzt, sofern kein Notariatsakt errichtet wird, die wirkliche Übergabe des Geschenks voraus. Die habe hier aber nicht stattgefunden, weil die Erblasserin ihre Bekannte nur zur Mitinhaberin gemacht habe und selbst ebenfalls über das Depot verfügungsberechtigt geblieben sei.
Die Gerichte erster und zweiter Instanz sahen das anders, ihnen genügte die Mitinhaberschaft. Die Erben wandten sich daraufhin mittels außerordentlicher Revision an den OGH. Sie beriefen sich auf ständige Rechtsprechung, die das Gegenteil besagt: Demnach müsste bei Kontoguthaben oder Wertpapieren der Geschenkgeber seine eigenen Verfügungsrechte aufgeben, damit das als Übergabe gilt. Aber: Es gibt auch OGH-Entscheidungen, die in die andere Richtung weisen. Die Rechtsprechung zu dieser „Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung“sei uneinheitlich, stellte das Höchstgericht fest. Der verstärkte Senat, der sich daraufhin der Sache annahm, machte sich die Entscheidung sichtlich nicht leicht. Er kam letztlich zum Schluss, die Beschenkte sei im Recht und nicht die Erben: Der Schenkungswille sei unstrittig, und die Beschenkte habe die Möglichkeit bekommen, allein über ihren Hälfte-Anteil zu verfügen. Dass die Erblasserin ebenfalls verfügungsberechtigt blieb, erkläre sich dadurch, dass sie ja nur das halbe Depot verschenkt habe.
Für künftige Fälle formulierte der Senat einen Rechtssatz: Wertpapiere auf einem Depot oder Kontoguthaben werden schon dadurch wirklich übergeben, „dass der Geschenkgeber dem Geschenknehmer – etwa durch Begründung einer Mitinhaberschaft – die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einräumt, darüber ohne sein weiteres Mitwirken zu verfügen. Das Einräumen einer ausschließlichen Verfügungsbefugnis ist nicht erforderlich.“(cka)