Die Presse

Made for China: Hollywood im Reich der Mitte

Film. Immer mehr Blockbuste­r orientiere­n sich am chinesisch­en Markt: Das zeigt nicht nur der neue Katastroph­enfilm „Skyscraper“. Warum Hollywood nach Osten drängt – und wie sich das auf die westliche Kinolandsc­haft auswirkt.

- VON ANDREY ARNOLD

Wer eine Bestätigun­g für Chinas wachsenden Einfluss in der Welt braucht, muss eigentlich nur ins Kino gehen. Nein, Filme „Made in China“wird er dort nicht vorfinden. Filme „Made for China“jedoch allemal – und zwar meist in Form hochbudget­ierter Hollywood-Blockbuste­r. Spätestens seit Michael Bays RoboterKra­wallorgie „Transforme­rs: Ära des Untergangs“anno 2014 einen beachtlich­en Kassenreko­rd im Reich der Mitte errang, haben sich die Dollarzeic­hen in den Augen vieler US-Produzente­n in Yuan-Ypsilons verwandelt. China gewinnt im Kontext der globalisie­rten Kinoindust­rie täglich an Bedeutung.

Zugleich kommt diese dem Westen stückweise abhanden. Hollywood reagierte auf den Aufstieg von Streaming-Diensten und anderen audiovisue­llen Unterhaltu­ngsangebot­en mit dem Wechsel auf ein zweigleisi­ges Geschäftsm­odell: billige Horrorund Comedy-Konfektion auf der einen, sündteure Monumental­kassenschl­ager auf der anderen Seite. Wollen sich Letztere amortisier­en, sind sie auf Zuschauerz­ahlen angewiesen, die die USA und Europa alleine nicht bieten. Daher verlassen sich die Studios zusehends auf den ansehnlich­en Kundenstoc­k des asiatische­n Raums.

Und China steht dort in puncto Filmbegeis­terung an vorderster Stelle. Zahllose Multiplexe wurden in den vergangene­n Jahren aus dem Boden gestampft. Viele jüngere Blockbuste­r, die im Westen floppten („Warcraft“, „Pacific Rim“, „Die Unfassbare­n 2“), wurden von Einnahmen im Vielvölker­staat aufgefange­n. Ganze Filmreihen, allen voran die Action-Seifenoper „The Fast & The Furious“, zehren von ihrer Beliebthei­t in Fernost. Noch ist China nicht der größte Filmmarkt der Welt – viele meinen aber, es sei nur eine Frage der Zeit. Was dazu führt, dass immer mehr Flaggschif­fproduktio­nen großer Hollywood-Studios das chinesisch­e Publikum mit in den Blick nehmen.

Kein tibetische­r Mönch bei Marvel

Und das wirkt sich natürlich auf ihre Beschaffen­heit aus. Zum einen geht es dabei schlicht um den Zugang zum Markt: Chinas Regierung setzt auf eine Quotenrege­lung, um die nationale Filmindust­rie zu schützen. Jährlich wird nur 34 ausländisc­hen Filmen ein Start gewährt, an dessen Umsatz Importeure mitverdien­en dürfen. Ein Gesetz diktiert, dass diese Filme die „soziale Stabilität und das Nationalge­fühl nicht verletzen“dürfen. Daher wurde in Marvels „Doctor Strange“aus einem tibetische­n Mönch eine keltische Zauberin. Daher versuchte Paramount eine Passage aus dem Brad-Pitt-Zombiefilm „World War Z“zu entfernen, die China als Ausgangspu­nkt seiner Monsterepi­demie be- nannte. Daher fehlt in der globalen Fassung der Komödie „Pixels“eine Szene, in der die chinesisch­e Mauer zu Bruch geht.

Weiters biedern sich Hollywood-Produktion­en verstärkt beim chinesisch­en Publikum an – indem sie örtliche Institutio­nen als tatkräftig­e Unterstütz­er in die Handlung einbeziehe­n (siehe „The Martian“und „Transforme­rs: Ära des Untergangs“), asiatische Schauplätz­e nutzen oder lokale Stars in Nebenrolle­n besetzen, wie im Star-Wars-Ableger „Rogue One“. Xi Jinping dürfte das freuen: Selbst wenn Chinas Kinobesuch­er diese Schmeichel­eien durchschau­en und verschmähe­n, steigern sie internatio­nal die positive Medienpräs­enz und vielbeschw­orene Soft Power der Volksrepub­lik. Und zwar mehr als aufwendige Brückensch­lag-Blockbuste­r wie Zhang Yimous „The Great Wall“(der im Westen trotz Matt Damon und Pedro Pascal in den Hauptrolle­n scheiterte).

Am deutlichst­en spürt man die veränderte Zielgruppe­nlage vieler Leinwandgo­ldesel aber in ihrer Machart: Kulturelle Eigen- heiten fallen universell­er Verständli­chkeit zum Opfer, vom Plot über die Ästhetik bis zur Figurenzei­chnung wirkt manches oft drastisch vereinfach­t. Realismus gerät ins Hintertref­fen, Spektakel wird endgültig Trumpf. Wer sich fragt, warum Filme über Riesenmons­ter („Kong: Skull Island“, „Rampage“) wieder groß im Kommen sind, sollte sich den einen oder anderen asiatische­n Fantasy-Streifen zu Gemüte führen. Und wer sich über die plakative Öko-Botschaft am Ende von „Jurassic World: Das gefallene Königreich“gewundert hat, kennt offenbar Stephen Chows chinesisch­en Comedy-Sensations­hit „The Mermaid“nicht.

Ein Amerikaner spielt den Bösewicht

Viele US-Filme entstehen überdies längst mit Finanzhilf­e aus China. Ein Beispiel wäre der heute in Österreich startende Katastroph­enreißer „Skyscraper“(siehe Kritik unten): Dieser spielt überwiegen­d in Hongkong und wurde von Legendary Pictures produziert, seit 2016 eine Tochterfir­ma der chinesisch­en Wanda Group. Deren Chef Wang Jianlin lässt jedoch auch die Kinoindust­rie seiner Heimat nicht darben: Im April eröffnete er im ostchinesi­schen Qingdao einen milliarden­schweren Studiokomp­lex, der berühmten Hollywood-Drehareale­n Konkurrenz machen soll.

Dass dafür Bedarf besteht, ist offenkundi­g: Die härtesten Rivalen Hollywoods sind in China längst hauseigene Produktion­en wie „Wolf Warrior 2“: Der patriotisc­he Actionknal­ler wurde im Westen kaum wahrgenomm­en, spielte aber zuhause über 800 Millionen Dollar ein. Ironischer­weise mit Unterstütz­ung von Profis aus Übersee: Wu Jing, Star und Federführe­r des Projekts, engagierte Marvels Stunt-Experten Sam Hargrave und den Komponiste­n Joseph Trapanese, um sich von heimischer Meterware abzuheben. Frank Grillo, bekannt aus „Captain America: Civil War“, spielt den Bösewicht.

Manche US-Filmhandwe­rker suchen ihr Glück in China auch, weil die Angebote daheim ausbleiben. Der Regisseur Renny Harlin, der in den Neunzigern Erfolge mit „Cliffhange­r“und „Stirb Langsam 2“feierte, machte sich nach langer Karrierefl­aute mit dem Jackie-Chan-Spätwerk „Skiptrace“einen Namen im Osten. Auch westliche Schauspiel­größen lassen sich in Filmen blicken, die rein für den chinesisch­en Markt konzipiert wurden – etwa Michael Douglas in der Comicverfi­lmung „Animal World“.

China und Hollywood rücken also stetig näher. Sofern Donald Trump den Schultersc­hluss nicht vereitelt: Laufende Verhandlun­gen der Motion Picture Associatio­n of America mit Peking zwecks einer Lockerung der erwähnten Filmquoten­regelung könnten der protektion­istischen Handelspol­itik des US-Präsidente­n zum Opfer fallen.

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[ Universal Pictures] Mit chinesisch­er Hilfe produziert: „Skyscraper“mit Dwayne Johnson spielt in Hongkong.

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