Made for China: Hollywood im Reich der Mitte
Film. Immer mehr Blockbuster orientieren sich am chinesischen Markt: Das zeigt nicht nur der neue Katastrophenfilm „Skyscraper“. Warum Hollywood nach Osten drängt – und wie sich das auf die westliche Kinolandschaft auswirkt.
Wer eine Bestätigung für Chinas wachsenden Einfluss in der Welt braucht, muss eigentlich nur ins Kino gehen. Nein, Filme „Made in China“wird er dort nicht vorfinden. Filme „Made for China“jedoch allemal – und zwar meist in Form hochbudgetierter Hollywood-Blockbuster. Spätestens seit Michael Bays RoboterKrawallorgie „Transformers: Ära des Untergangs“anno 2014 einen beachtlichen Kassenrekord im Reich der Mitte errang, haben sich die Dollarzeichen in den Augen vieler US-Produzenten in Yuan-Ypsilons verwandelt. China gewinnt im Kontext der globalisierten Kinoindustrie täglich an Bedeutung.
Zugleich kommt diese dem Westen stückweise abhanden. Hollywood reagierte auf den Aufstieg von Streaming-Diensten und anderen audiovisuellen Unterhaltungsangeboten mit dem Wechsel auf ein zweigleisiges Geschäftsmodell: billige Horrorund Comedy-Konfektion auf der einen, sündteure Monumentalkassenschlager auf der anderen Seite. Wollen sich Letztere amortisieren, sind sie auf Zuschauerzahlen angewiesen, die die USA und Europa alleine nicht bieten. Daher verlassen sich die Studios zusehends auf den ansehnlichen Kundenstock des asiatischen Raums.
Und China steht dort in puncto Filmbegeisterung an vorderster Stelle. Zahllose Multiplexe wurden in den vergangenen Jahren aus dem Boden gestampft. Viele jüngere Blockbuster, die im Westen floppten („Warcraft“, „Pacific Rim“, „Die Unfassbaren 2“), wurden von Einnahmen im Vielvölkerstaat aufgefangen. Ganze Filmreihen, allen voran die Action-Seifenoper „The Fast & The Furious“, zehren von ihrer Beliebtheit in Fernost. Noch ist China nicht der größte Filmmarkt der Welt – viele meinen aber, es sei nur eine Frage der Zeit. Was dazu führt, dass immer mehr Flaggschiffproduktionen großer Hollywood-Studios das chinesische Publikum mit in den Blick nehmen.
Kein tibetischer Mönch bei Marvel
Und das wirkt sich natürlich auf ihre Beschaffenheit aus. Zum einen geht es dabei schlicht um den Zugang zum Markt: Chinas Regierung setzt auf eine Quotenregelung, um die nationale Filmindustrie zu schützen. Jährlich wird nur 34 ausländischen Filmen ein Start gewährt, an dessen Umsatz Importeure mitverdienen dürfen. Ein Gesetz diktiert, dass diese Filme die „soziale Stabilität und das Nationalgefühl nicht verletzen“dürfen. Daher wurde in Marvels „Doctor Strange“aus einem tibetischen Mönch eine keltische Zauberin. Daher versuchte Paramount eine Passage aus dem Brad-Pitt-Zombiefilm „World War Z“zu entfernen, die China als Ausgangspunkt seiner Monsterepidemie be- nannte. Daher fehlt in der globalen Fassung der Komödie „Pixels“eine Szene, in der die chinesische Mauer zu Bruch geht.
Weiters biedern sich Hollywood-Produktionen verstärkt beim chinesischen Publikum an – indem sie örtliche Institutionen als tatkräftige Unterstützer in die Handlung einbeziehen (siehe „The Martian“und „Transformers: Ära des Untergangs“), asiatische Schauplätze nutzen oder lokale Stars in Nebenrollen besetzen, wie im Star-Wars-Ableger „Rogue One“. Xi Jinping dürfte das freuen: Selbst wenn Chinas Kinobesucher diese Schmeicheleien durchschauen und verschmähen, steigern sie international die positive Medienpräsenz und vielbeschworene Soft Power der Volksrepublik. Und zwar mehr als aufwendige Brückenschlag-Blockbuster wie Zhang Yimous „The Great Wall“(der im Westen trotz Matt Damon und Pedro Pascal in den Hauptrollen scheiterte).
Am deutlichsten spürt man die veränderte Zielgruppenlage vieler Leinwandgoldesel aber in ihrer Machart: Kulturelle Eigen- heiten fallen universeller Verständlichkeit zum Opfer, vom Plot über die Ästhetik bis zur Figurenzeichnung wirkt manches oft drastisch vereinfacht. Realismus gerät ins Hintertreffen, Spektakel wird endgültig Trumpf. Wer sich fragt, warum Filme über Riesenmonster („Kong: Skull Island“, „Rampage“) wieder groß im Kommen sind, sollte sich den einen oder anderen asiatischen Fantasy-Streifen zu Gemüte führen. Und wer sich über die plakative Öko-Botschaft am Ende von „Jurassic World: Das gefallene Königreich“gewundert hat, kennt offenbar Stephen Chows chinesischen Comedy-Sensationshit „The Mermaid“nicht.
Ein Amerikaner spielt den Bösewicht
Viele US-Filme entstehen überdies längst mit Finanzhilfe aus China. Ein Beispiel wäre der heute in Österreich startende Katastrophenreißer „Skyscraper“(siehe Kritik unten): Dieser spielt überwiegend in Hongkong und wurde von Legendary Pictures produziert, seit 2016 eine Tochterfirma der chinesischen Wanda Group. Deren Chef Wang Jianlin lässt jedoch auch die Kinoindustrie seiner Heimat nicht darben: Im April eröffnete er im ostchinesischen Qingdao einen milliardenschweren Studiokomplex, der berühmten Hollywood-Dreharealen Konkurrenz machen soll.
Dass dafür Bedarf besteht, ist offenkundig: Die härtesten Rivalen Hollywoods sind in China längst hauseigene Produktionen wie „Wolf Warrior 2“: Der patriotische Actionknaller wurde im Westen kaum wahrgenommen, spielte aber zuhause über 800 Millionen Dollar ein. Ironischerweise mit Unterstützung von Profis aus Übersee: Wu Jing, Star und Federführer des Projekts, engagierte Marvels Stunt-Experten Sam Hargrave und den Komponisten Joseph Trapanese, um sich von heimischer Meterware abzuheben. Frank Grillo, bekannt aus „Captain America: Civil War“, spielt den Bösewicht.
Manche US-Filmhandwerker suchen ihr Glück in China auch, weil die Angebote daheim ausbleiben. Der Regisseur Renny Harlin, der in den Neunzigern Erfolge mit „Cliffhanger“und „Stirb Langsam 2“feierte, machte sich nach langer Karriereflaute mit dem Jackie-Chan-Spätwerk „Skiptrace“einen Namen im Osten. Auch westliche Schauspielgrößen lassen sich in Filmen blicken, die rein für den chinesischen Markt konzipiert wurden – etwa Michael Douglas in der Comicverfilmung „Animal World“.
China und Hollywood rücken also stetig näher. Sofern Donald Trump den Schulterschluss nicht vereitelt: Laufende Verhandlungen der Motion Picture Association of America mit Peking zwecks einer Lockerung der erwähnten Filmquotenregelung könnten der protektionistischen Handelspolitik des US-Präsidenten zum Opfer fallen.