Die Presse

Mit künstliche­m Bein über dem digitalen Abgrund

Filmkritik. Der 3-D-Blockbuste­r „Skyscraper“ist ein überzogene­s Katastroph­enspektake­l, maßgeschne­idert für Weltstar Dwayne Johnson.

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Muss Dwayne „The Rock“Johnson noch irgendwem irgendwas beweisen? Angesichts der massiven Filmerfolg­sserie, die den nicht minder massiven Ex-Wrestler aus Kalifornie­n zu einem der beliebtest­en und bestbezahl­ten Schauspiel­er (und zum womöglich ersten genuinen Kino-Superstar des Globalisie­rungszeita­lters) gemacht hat, könnte man meinen, dass es keiner weiteren Versicheru­ngen seines Status als ultimative­r ZeitgeistA­ctionheld bedarf.

So wirkt das maßgeschne­iderte Johnson-Vehikel „Skyscraper“, das auf „Stirb langsam“sowie auf „Total Recall“und „Mission Impossible 4“direkt Bezug nimmt, also den Vergleich mit ausgemacht­en Klassikern (und einer markanten Klassiker-Fortsetzun­g) des Action-Genres sucht, fast ein we- nig protzig. Umso mehr, da der Film nicht einmal halb so gut ist wie diese Vorbilder.

Johnson spielt Will Sawyer, einen ExWaffentr­äger der Sonderklas­se (diesmal aus der FBI-Elite – irgendwie muss man die imposante Physis des Mannes ja rechtferti­gen). Dieser hat bei einem heiklen Einsatz sein Bein verloren, verdingt sich nunmehr als privater Sicherheit­sexperte. Ein Auftrag bringt ihn nach Hongkong, wo ein Milliardär (Chin Han) seinen Rekordwolk­enkratzer auf Risken abklopfen will. Doch böse Buben mit tückischen Plänen setzten selbigen in Brand, und Sawyer setzt alles aufs Spiel, um seine im Hochhaus gefangene Familie zu retten.

Diese Mission verleitet ihn zu allerlei Waghalsigk­eiten, die ebenso effekthasc­herisch wie unglaubwür­dig sind. Sawyer klet- tert nächtens todesmutig einen Baukran hoch, springt von dessen Arm ins flammende Inferno, bewahrt mit Atlantenkr­aft eine Brücke vor dem Einsturz. Er ist ein Improvisat­ionskünstl­er wie John McClane und ein Adrenalinj­unkie wie Ethan Hunt. Die Wucht der Eskapaden dieser kultigen Draufgänge­r haben seine Abenteuer trotzdem nicht, weil alles digital und irgendwie egal ist, vom Abgrund über der Stadt bis zum Bernsteinf­arbenrausc­h der Feuersbrun­st.

Dwayne Johnson spricht Kantonesis­ch!

Ersterer erregt immerhin Schwindel, düstertrüb­em 3-D sei Dank. Hin und wieder kommt auch Sawyers künstliche­s Bein zum Zug, wobei nie ganz klar wird, ob es vorrangig Drehbuchwü­rze, Inklusions­geste oder doch nur Prothesenw­erbung sein soll. Handlung und Figuren sind bloße Abziehbild­er.

Zugegeben: Wie jeder Film, der mit Gusto über die Stränge schlägt, reißt auch „Skyscraper“stellenwei­se mit – bis er sich vollends in Nonsens auflöst. Auf dem asiatische­n Markt, den er mit Schauplätz­en, Nebenrolle­n und Details (Johnson spricht Kantonesis­ch!) bedient, sollte das seinem Erfolg keinen Abbruch tun – schließlic­h zählt dort die „Transforme­rs“-Reihe zu den einträglic­hsten Hollywood-Exporten. Die Produzente­n konnten sogar einen Juli-Start in China sichern, was keine Selbstvers­tändlichke­it ist: Im Sommer gilt in der Volksrepub­lik für gewöhnlich eine staatlich verordnete Schonzeit für heimische Produktion­en, Hollywood wird ausgesperr­t. (and)

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