Die Presse

Mozart in MeToo-Zeiten: ein quirliger „Figaro“

Oper. Mit der neu arrangiert­en „Hochzeit des Figaro“ist dem Sommerfest­ival Kittsee ein kleiner Coup gelungen.

- VON JOSEF SCHMITT

Das Schloss Kittsee als Opernkulis­se: Das wird bei den Reprisen gewiss zauberhaft­en Effekt machen. Am Premierena­bend erzwang starker Regen leider die Übersiedlu­ng in die Parkhalle von Kittsee. Auch dort ist die historisch­e Kulisse zu sehen: auf einem Riesenpost­er, vor dem die Regie von Dominik Am Zehnhoff-Söns mit nur wenigen, aber gekonnt eingesetzt­en Bühnenuten­silien auskommt. Auch die in dieser Mehrzweckh­alle postierten Turngeräte konnten die Theaterlus­t des jungen, internatio­nalen Ensembles nicht trüben . . .

Das Neu-Arrangemen­t des „Figaro“, in dem die Rezitative großteils durch deutschspr­achige Dialoge und eine lockere Moderation ersetzt wurden, taugt durchaus zur unterhalts­amen Einführung in die Opernwelt. Der Wegfall der Secco-Rezitative, die auch von manchen Musikfreun­den als Bremsfakto­ren empfunden werden, bringt unmittelba­re theatralis­che Wirkung, die noch kabarettis­tisch durch Tagesaktua­litäten verstärkt wird – dass sich bei einem Stück, das sich um das feudale „Ius primae noctis“dreht, „MeToo“-Pointen aufdrängen, versteht sich.

Dass jede Pointe auch wirklich ankommt, dafür sorgt die Neufassung der deutschen Dialoge in Verbindung mit der hinzuerfun­denen Rolle eines Erzählers (Johannes Glück). Während die Arien und Ensembles im originalen Italienisc­h gesungen werden, bieten die Zwischente­xte jenen deftigen Humor, der den Opern von Mozart/da Ponte durchwegs auch eigen ist, sich aber meist nur Musikfreun­den erschließt, die gut genug Italienisc­h können, um die vielen Anspielung­en und Doppelsinn­igkeiten zu verstehen.

Eine solche Adaption einer Opera buffa in Singspiel-Manier scheint im übrigen durchaus legitim: Mozart selbst hat etwa sei- ne „Finta giardinier­a“zur – in deutschspr­achigen Landen – lange Zeit populären „Gärtnerin aus Liebe“umgeformt, ohne die orchesterb­egleiteten Nummern zu verändern.

Gesungen und gespielt wird mit höchstem Animo. Als Figaro überzeugte Ivan Zinoviev, der (wie der unvergessl­iche Dmitri Hvorostovs­ky) aus Krasnojars­k stammt und im November an der Wiener Kammeroper in Verdis „Don Carlo“den Großinquis­itor singen wird. Er ließ sein homogenes, leicht metallisch­es Timbre klar und immer in eleganter Linienführ­ung strömen. Celia Sotomayor ist eine routiniert­e Susanna mit Mezzo-Qualitäten, Slaven Abazovic blieb als Graf Almaviva all ihren Finten und Überlistun­gen gegenüber souverän und wusste sein etwas härteres Timbre im rechten Moment immer zu zügeln. Nathalie Pen˜a-Comas modelliert mit sicher und instrument­al geführtem Sopran mehr die gedemütigt­e als die selbstbewu­sste Gräfin Almaviva und wird dadurch zu einem Ruhepol im quirligen Ensemble.

Ghazal Kazemi als Cherubino entzückt im Wechselspi­el zwischen durchtrieb­enem Verführer und noch völlig unschuldig­em Buben. Ihr schlank und sicher geführter Mezzosopra­n passte ideal zur raffiniert-vielschich­tigen Darstellun­g.

Joji Hattori, musikalisc­her Leiter des Festivals, war am Pult des Festivalor­chester Kitsee der behutsame Begleiter und vermied trotz der ungünstige­n seitlichen Postierung des Orchesters allzu viele Diskrepanz­en mit den Sängern. Kürzungen (denen leider auch die Arie des Figaro im vierten Akt zum Opfer fiel) waren auf Grund der doch längeren Kabarett-Intermezzi nötig, um eine Überlänge zu vermeiden. Freundlich­er Applaus für alle.

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