„Ganz nah an Kerns Plan A gehalten“
Interview. Der Zwölf-Stunden-Tag sollte niemanden überraschen, sagt Wirtschaftsministerin Schramböck. Automatische Genehmigungen bei Infrastrukturprojekten werden vor den Höchstgerichten halten. Die USA seien kein Partner mehr.
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck im „Presse“-Interview zum Zwölf-StundenTag.
Die Presse: Der Zwölf-StundenTag ist beschlossen, aber mit Kollateralschäden. Die Nichteinbindung der Sozialpartner hat Gräben aufgerissen. War es das wert? Margarete Schramböck: Wir haben uns ganz nah an den „Plan A“von Christian Kern gehalten, und an die ausverhandelten Vorschläge der Sozialpartner. Sie waren eingebunden. Aber sie haben das Thema nicht umgesetzt. Bei der Flexibilität der Arbeitszeit liegt Österreich im EU-Vergleich ganz weit hinten. Mehr als die Hälfte der Firmen und Mitarbeiter müssen das bisher so handhaben, dass sie dabei halb in der Illegalität sind. Es geht um Bereiche wie Projektmanagement, Forschung und Entwicklung oder Start-ups. Wir wollen auch dem Arbeitnehmer mehr Rechte geben. Zum ersten Mal kann er ohne Angabe von Gründen eine elfte und zwölfte Stunde ablehnen. Oder zwischen Auszahlung und Zeitausgleich wählen.
Es gab keine Begutachtungsfrist, der Termin des Inkrafttretens wurde kurzfristig vorverlegt: Man hat das Gefühl, hier wird etwas durchgedrückt. Es steht wortwörtlich im Regierungsprogramm. Das kann für niemanden überraschend sein. Vielleicht ist das Überraschende, dass man nicht noch zehn Jahre diskutiert. Ich finde das gut.
Ein anderes Gesetz soll Verfahren bei Infrastrukturprojekten verkürzen. Das will fast jeder. Trotzdem sorgt der Entwurf für heftige Kritik bei Juristen. Er sei verfassungswidrig und nicht EUkonform. Hauptgrund ist die automatische Genehmigung nach einem Jahr, wenn das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Haben Sie den Bogen überspannt? Wir brauchen rascher klarere Entscheidungen. Heute sind die UVPFristen sogar kürzer, nur werden sie nie eingehalten. Wir legen jetzt für die erste Instanz in Summe 18 Monate fest. Beide Seiten sind aufgefordert, in dieser Zeit hoch qualitative Unterlagen einzubringen. Sonst muss auch ein Betreiber damit rechnen, dass sein Projekt früher als bisher abgelehnt wird.
Ist die Rechtssicherheit nun nicht sogar geringer, wenn das Gesetz EU-Recht widerspricht? Unsere Juristen sehen das nicht so.
Ein weiterer Kritikpunkt lautet: Eine Beschwerde ist nur mehr eingeschränkt möglich. Neue Daten und Fakten, zum Beispiel korrigierte Emissionsmessungen, reichen dazu nicht mehr. 18 Monate sind lang genug, um ordentliche Gutachten einzuholen. Da muss man keine Angst haben.
Gegner des Gesetzes schlagen vor, besser das Personal der prüfenden Behörden aufzustocken. Bei 15 Projekten pro Jahr erwarte ich kein Ressourcenproblem. Künftig werden eher Ressourcen frei, weil alles gestraffter sein wird.
Umweltaktivisten sagen: „Eigent- lich freut uns das Gesetz, weil es eine Klagsflut bis zum EuGH auslöst und damit jedes Großprojekt im Land blockiert.“Geht der Schuss nach hinten los? Solche Projekte gehen fast immer bis zu den nationalen Höchstgerichten, oft auch zum EuGH. Und dieser Instanzenzug bleibt ja. Aber in Summe dauert es künftig nur mehr drei bis vier Jahre und nicht mehr zehn oder 15. Wer sagt: „So lang muss es weiterhin dauern“, der lebt an der Realität vorbei. In solchen Zeiträumen verschwinden Unternehmen oder gehen Regionen wirtschaftlich zugrunde, wenn die Infrastruktur fehlt.
Oberösterreichs FPÖ-Vizelandeshauptmann, Manfred Haimbuchner, will nun auch die Umweltanwälte abschaffen. Eine gute Idee? Es ist durchaus gerechtfertigt, einen Umweltanwalt zu haben. Es ist nicht das Ziel unseres Gesetzes, ihn abzuschaffen. Das Ziel ist, schneller zu werden.
Sie wollen auch das Staatsziel Wirtschaft in die Verfassung bringen. Unternehmer sagen uns: „Wir brauchen weniger Bürokratie, keine Symbolpolitik.“Das Staatsziel betrifft natürlich nicht kleine und mittlere Unternehmen. Aber bei großen Entscheidungen für den Standort wird es schon beachtet. Das haben wir bei der dritten Piste gesehen: Da ist auf die Verfassung verwiesen worden. Und da finde ich es nur fair, wenn Umwelt und Wirtschaft auf Augenhöhe stehen.
Themenwechsel: US-Präsident Donald Trump droht mit hohen Zöllen für Autos aus der EU. Was ist die richtige Reaktion? Der falsche Weg ist das, was die USA machen. Die Zölle werden sie Arbeitsplätze kosten, das ist ein Schuss ins eigene Knie. Das oft belächelte Beispiel von Harley Davidson hat es schon gezeigt. Das hilft aber nichts, weil Entscheidungen in den USA emotional getroffen werden. Europa muss die Abhängigkeit reduzieren, weil Amerika kein verlässlicher Partner mehr ist. Wenn Zölle kommen, werden wir mit Gegenzöllen antworten. Aber ich präferiere immer eine Reduktion von Zöllen in Summe. Eine konkrete Möglichkeit: ein Abkommen mit den USA über mehrere Warengruppen.
Einem Abkommen müssten auch die EU-Bürger zustimmen. Das taten viele bei TTIP nicht. Warum soll das nun anders sein? Der Unterschied ist, dass in frühere Abkommen viel hineingepackt wurde, was dort überhaupt nichts zu suchen hat. Ein solches Industrieabkommen wäre viel kleiner und klar auf den Abbau von Zöllen fokussiert.
Die USA werden ein solches Abkommen wohl nur machen, wenn Agrarprodukte enthalten sind. Wäre das für Sie denkbar? Ich würde es präferieren, bei Industrieprodukten zu bleiben. Und eines darf man bei der Diskussion nicht vergessen: Bezieht man die digitale Industrie, also die USInternetkonzerne, mit ein, gibt es kein so hohes Defizit der USA gegenüber der EU mehr. Das wird oft nicht gesehen, weil Trump nur auf die klassische Industrie schaut.
Welche Rolle spielt die WTO? Ich erwarte mir, dass sie von einer passiven in eine aktive Rolle kommt. Es muss auch innerhalb des bestehenden Rahmens Lösungen geben. Zum Beispiel: Braucht man die Einstimmigkeit, oder geht es auch mit dem Mehrheitsprinzip?
Die Ursprungskritik von Trump richtet sich gegen China. Und Pekings Methoden werden auch in Europa seit Langem kritisiert, ohne dass sich etwas ändert. Ist der Holzhammer der USA vielleicht sogar erfolgreicher? China kann sich nicht mehr hinter dem Ausdruck Entwicklungsland verstecken. Wir setzen hier aber auf Gespräche, um etwas zu verändern. Gleichzeitig wollen wir chinesische Investitionen in EUSchlüsselindustrien künftig genauer prüfen. Das wird ein wichtiger Punkt unserer Präsidentschaft sein.