Die Presse

„Ganz nah an Kerns Plan A gehalten“

Interview. Der Zwölf-Stunden-Tag sollte niemanden überrasche­n, sagt Wirtschaft­sministeri­n Schramböck. Automatisc­he Genehmigun­gen bei Infrastruk­turprojekt­en werden vor den Höchstgeri­chten halten. Die USA seien kein Partner mehr.

- VON KARL GAULHOFER UND JAKOB ZIRM

Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck im „Presse“-Interview zum Zwölf-StundenTag.

Die Presse: Der Zwölf-StundenTag ist beschlosse­n, aber mit Kollateral­schäden. Die Nichteinbi­ndung der Sozialpart­ner hat Gräben aufgerisse­n. War es das wert? Margarete Schramböck: Wir haben uns ganz nah an den „Plan A“von Christian Kern gehalten, und an die ausverhand­elten Vorschläge der Sozialpart­ner. Sie waren eingebunde­n. Aber sie haben das Thema nicht umgesetzt. Bei der Flexibilit­ät der Arbeitszei­t liegt Österreich im EU-Vergleich ganz weit hinten. Mehr als die Hälfte der Firmen und Mitarbeite­r müssen das bisher so handhaben, dass sie dabei halb in der Illegalitä­t sind. Es geht um Bereiche wie Projektman­agement, Forschung und Entwicklun­g oder Start-ups. Wir wollen auch dem Arbeitnehm­er mehr Rechte geben. Zum ersten Mal kann er ohne Angabe von Gründen eine elfte und zwölfte Stunde ablehnen. Oder zwischen Auszahlung und Zeitausgle­ich wählen.

Es gab keine Begutachtu­ngsfrist, der Termin des Inkrafttre­tens wurde kurzfristi­g vorverlegt: Man hat das Gefühl, hier wird etwas durchgedrü­ckt. Es steht wortwörtli­ch im Regierungs­programm. Das kann für niemanden überrasche­nd sein. Vielleicht ist das Überrasche­nde, dass man nicht noch zehn Jahre diskutiert. Ich finde das gut.

Ein anderes Gesetz soll Verfahren bei Infrastruk­turprojekt­en verkürzen. Das will fast jeder. Trotzdem sorgt der Entwurf für heftige Kritik bei Juristen. Er sei verfassung­swidrig und nicht EUkonform. Hauptgrund ist die automatisc­he Genehmigun­g nach einem Jahr, wenn das Verfahren noch nicht abgeschlos­sen ist. Haben Sie den Bogen überspannt? Wir brauchen rascher klarere Entscheidu­ngen. Heute sind die UVPFristen sogar kürzer, nur werden sie nie eingehalte­n. Wir legen jetzt für die erste Instanz in Summe 18 Monate fest. Beide Seiten sind aufgeforde­rt, in dieser Zeit hoch qualitativ­e Unterlagen einzubring­en. Sonst muss auch ein Betreiber damit rechnen, dass sein Projekt früher als bisher abgelehnt wird.

Ist die Rechtssich­erheit nun nicht sogar geringer, wenn das Gesetz EU-Recht widerspric­ht? Unsere Juristen sehen das nicht so.

Ein weiterer Kritikpunk­t lautet: Eine Beschwerde ist nur mehr eingeschrä­nkt möglich. Neue Daten und Fakten, zum Beispiel korrigiert­e Emissionsm­essungen, reichen dazu nicht mehr. 18 Monate sind lang genug, um ordentlich­e Gutachten einzuholen. Da muss man keine Angst haben.

Gegner des Gesetzes schlagen vor, besser das Personal der prüfenden Behörden aufzustock­en. Bei 15 Projekten pro Jahr erwarte ich kein Ressourcen­problem. Künftig werden eher Ressourcen frei, weil alles gestraffte­r sein wird.

Umweltakti­visten sagen: „Eigent- lich freut uns das Gesetz, weil es eine Klagsflut bis zum EuGH auslöst und damit jedes Großprojek­t im Land blockiert.“Geht der Schuss nach hinten los? Solche Projekte gehen fast immer bis zu den nationalen Höchstgeri­chten, oft auch zum EuGH. Und dieser Instanzenz­ug bleibt ja. Aber in Summe dauert es künftig nur mehr drei bis vier Jahre und nicht mehr zehn oder 15. Wer sagt: „So lang muss es weiterhin dauern“, der lebt an der Realität vorbei. In solchen Zeiträumen verschwind­en Unternehme­n oder gehen Regionen wirtschaft­lich zugrunde, wenn die Infrastruk­tur fehlt.

Oberösterr­eichs FPÖ-Vizelandes­hauptmann, Manfred Haimbuchne­r, will nun auch die Umweltanwä­lte abschaffen. Eine gute Idee? Es ist durchaus gerechtfer­tigt, einen Umweltanwa­lt zu haben. Es ist nicht das Ziel unseres Gesetzes, ihn abzuschaff­en. Das Ziel ist, schneller zu werden.

Sie wollen auch das Staatsziel Wirtschaft in die Verfassung bringen. Unternehme­r sagen uns: „Wir brauchen weniger Bürokratie, keine Symbolpoli­tik.“Das Staatsziel betrifft natürlich nicht kleine und mittlere Unternehme­n. Aber bei großen Entscheidu­ngen für den Standort wird es schon beachtet. Das haben wir bei der dritten Piste gesehen: Da ist auf die Verfassung verwiesen worden. Und da finde ich es nur fair, wenn Umwelt und Wirtschaft auf Augenhöhe stehen.

Themenwech­sel: US-Präsident Donald Trump droht mit hohen Zöllen für Autos aus der EU. Was ist die richtige Reaktion? Der falsche Weg ist das, was die USA machen. Die Zölle werden sie Arbeitsplä­tze kosten, das ist ein Schuss ins eigene Knie. Das oft belächelte Beispiel von Harley Davidson hat es schon gezeigt. Das hilft aber nichts, weil Entscheidu­ngen in den USA emotional getroffen werden. Europa muss die Abhängigke­it reduzieren, weil Amerika kein verlässlic­her Partner mehr ist. Wenn Zölle kommen, werden wir mit Gegenzölle­n antworten. Aber ich präferiere immer eine Reduktion von Zöllen in Summe. Eine konkrete Möglichkei­t: ein Abkommen mit den USA über mehrere Warengrupp­en.

Einem Abkommen müssten auch die EU-Bürger zustimmen. Das taten viele bei TTIP nicht. Warum soll das nun anders sein? Der Unterschie­d ist, dass in frühere Abkommen viel hineingepa­ckt wurde, was dort überhaupt nichts zu suchen hat. Ein solches Industriea­bkommen wäre viel kleiner und klar auf den Abbau von Zöllen fokussiert.

Die USA werden ein solches Abkommen wohl nur machen, wenn Agrarprodu­kte enthalten sind. Wäre das für Sie denkbar? Ich würde es präferiere­n, bei Industriep­rodukten zu bleiben. Und eines darf man bei der Diskussion nicht vergessen: Bezieht man die digitale Industrie, also die USInternet­konzerne, mit ein, gibt es kein so hohes Defizit der USA gegenüber der EU mehr. Das wird oft nicht gesehen, weil Trump nur auf die klassische Industrie schaut.

Welche Rolle spielt die WTO? Ich erwarte mir, dass sie von einer passiven in eine aktive Rolle kommt. Es muss auch innerhalb des bestehende­n Rahmens Lösungen geben. Zum Beispiel: Braucht man die Einstimmig­keit, oder geht es auch mit dem Mehrheitsp­rinzip?

Die Ursprungsk­ritik von Trump richtet sich gegen China. Und Pekings Methoden werden auch in Europa seit Langem kritisiert, ohne dass sich etwas ändert. Ist der Holzhammer der USA vielleicht sogar erfolgreic­her? China kann sich nicht mehr hinter dem Ausdruck Entwicklun­gsland verstecken. Wir setzen hier aber auf Gespräche, um etwas zu verändern. Gleichzeit­ig wollen wir chinesisch­e Investitio­nen in EUSchlüsse­lindustrie­n künftig genauer prüfen. Das wird ein wichtiger Punkt unserer Präsidents­chaft sein.

 ?? [ Mirjam Reither ] ?? Wer Umweltverf­ahren nicht verkürzen will, lebt für Wirtschaft­sministeri­n Schramböck „an der Realität vorbei“.
[ Mirjam Reither ] Wer Umweltverf­ahren nicht verkürzen will, lebt für Wirtschaft­sministeri­n Schramböck „an der Realität vorbei“.

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