Vergleich Bibel mit Koran
Theologie. Eva, Abraham, Moses, Hiob, Maria: Sie alle kommen auch im Koran vor. Sibylle Lewitscharoff und Najem Wali vergleichen die Geschichten. Ein Fazit: Die islamischen Versionen sind oft eindeutiger, moralischer.
Ein neues Buch vergleicht die Geschichten in den heiligen Büchern von Christen und Muslimen.
Von Adam und Moses, von den ägyptischen Plagen und dem Goldenen Kalb, von Abraham und Salomo, aber auch von Jesus und Maria ist schon in der zweiten Sure („Die Kuh“, benannt nach einer solchen, die Moses in Gottes Auftrag schlachten lässt) die Rede: Der Koran ist voll von aus der Bibel bekannten Geschichten. Oft wurden Passagen fast wörtlich übernommen, stellenweise wurden Personen verschmolzen – etwa Maria, die Mutter Jesu, und Mirjam, die Schwester des Moses –, manchmal kam neues Material dazu. So findet sich in der zwölften Sure („Yussuf“) die Geschichte von der unglücklich in Josef verliebten Frau des Potiphar, die die Frauen der Stadt zum Gastmahl lädt und scharfe Messer austeilt, just bevor Josef eintritt. Dieser ist bekanntlich sehr fesch, so fesch, dass die Frauen sich verschauen und sogleich mit den Messern bis aufs Blut schneiden . . .
Diese so blutige wie zauberhafte Geschichte hat Thomas Mann in „Joseph in Ägypten“breit erzählt. Zwei Schriftsteller, die Protestantin Sibylle Lewitscharoff und der Muslim Najem Wali, lassen sie bei ihren „Streifzügen durch Bibel und Koran“aus, obwohl sie gut ins Bild passen würde. Denn im Koran geht vieles moralisch aus, was in der Bibel unmoralisch bleibt.
Die Frau des Potiphar gesteht alles
So kommt die Frau des Potiphar im ersten Buch Mose gar nicht mehr vor, nachdem der arme Joseph ob ihrer falschen Behauptung, er habe sie vergewaltigen wollen, in den Kerker geworfen wird. In der zwölften Sure taucht sie noch einmal auf, als Joseph schon beim Pharao ist, und gesteht: „Ich stellte ihm nach, und siehe wahrlich, er gehört zu den Rechtschaffenen.“
Ähnlich abgeschwächt wird im Koran die Geschichte von der Opferung Isaaks, die Sören Kierkegaard so erschütterte, dass er Gott in Gestalt einer Maus halluzinierte, die ihn darob auslachte. Abgesehen davon, dass in der arabischen Tradition die Rollen der Söhne Abrahams, Isaak und Ismael, naturgemäß vertauscht werden (schließlich gilt Ismael als Stammvater der Araber), ergibt sich Abrahams Sohn in der 37. Sure freiwillig: „O mein Vater“, sagt er, „tu, was dir ge- heißen ward, du wirst mich, so Allah will, standhaft finden.“Der Koran, schreibt Lewitscharoff, „wertet das Ungeheuerliche der Geschichte ab, indem er es gar nicht so weit kommen lässt, dass der Eindruck entsteht, mit dem Schlachten des einzig wichtigen Sohnes könne Ernst gemacht werden“.
Theologisch noch bedeutsamer ist, dass im Koran mit dem Tod Jesu nicht Ernst gemacht wird. „Das ungeheuerliche Leiden Jesu findet im Koran nicht statt“, erklärt Lewitscharoff: „Nach dessen Auffassung haben die Christen etwas missverstanden, denn Jesus, genannt ˆIsa, hat nur zum Schein gelitten, eine für ihn ausgetauschte Person wurde an seiner Stelle ans Kreuz genagelt. Der Koran betont die Erhabenheit Allahs, kein Schatten darf auf die wichtigen Figuren fallen, die ihn bezeugen. Eine elende Hinrichtung passt da nicht ins Bild.“
Genauso wenig wie das Töten von 3000 Israeliten als Strafe für die Anbetung des Goldenen Kalbs. Diese Bluttat wird im zweiten Buch Mose geschildert – und eindeutig der obersten Autorität zugerechnet: „So spricht der Herr, der Gott Israels: Ein jeder gürte sein Schwert um die Lenden (. . .) und erschlage seinen Bruder, Freund und Nächsten.“Solche Passagen zitierte etwa Richard Dawkins in seinem Buch „Der Gotteswahn“ausführlich, um die Grausamkeit des Monotheismus zu belegen. Ob er mit dem Koran eher einverstanden wäre? In der siebten Sure erfüllt Gott – anders als in der Thora – die Bitte des Moses, seinem Volk zu vergeben.
Hiob als geduldiger Prophet
Entsprechend fällt auch kaum ein Schatten des Zweifels oder gar Gottesstreits auf den geplagten Hiob. In der Sure 21 ruft Ayyuˆb nur zu Gott: „Siehe, mich erfasste Unglück, du aber bist der barmherzigste Erbarmer“– und schon gibt ihm Gott (im Majestätsplural, wie meist im Koran) alles wieder zurück. Als „Idealbild des geduldigen Propheten, der bei seinem Herrn, Gott dem Erhabenen, Zuflucht sucht und ihn um Erbarmen anbetet“, lobt ihn Najem Wali.
Er schreibt nicht immer so salbungsvoll, aber er betont die Tendenz des Koran, die Geschichten von Widersprüchen zu befreien, zu glätten, frömmer und eindeutiger zu machen. Es ist ihm auch wichtig, dass sich die biblischen Helden im Koran anständiger verhalten als in der Bibel. Sogar König David sieht vom Ehebrechen ab, schickt keine Rivalen in den Tod und lässt sich auch nicht als Greis von einem jungen Mädchen wärmen, wie das erste Buch der Könige berichtet. „Wenigstens der Koran verschont ihn mit solchen Anschuldigungen“, schreibt Wali: „Ein Prophet begeht solche Taten nicht.“
Hier will man schon Ironie heraushören, solche fehlt in seiner etwas gar naiven Auslegung der Figur des Abraham/Ibrahˆım, des Stammvaters aller drei Monotheismen. Dieser habe die nomadische Tradition begründet, die „ewige Wanderschaft“, die Juden und Moslems „bis heute fortsetzen“: „Ishaqsˆ Nachkommenschaft gaukelte sich selbst eine feste Heimstatt vor, nämlich Palästina, wo sie sich niederließ, das sie Israel nannte und dessen Bevölkerung sie vertrieb.“Und Ismaels Nachkommen? „Auch sie redeten sich ein, sie hätten eine sichere Heimat namens ,Arabische Nation‘, aus der sie alle vertrieben, die sie nicht als ihrer Glaubensgemeinschaft zugehörig betrachteten.“Heute ziehen ihre Enkel „Richtung Norden“, schreibt Wali: „Diesmal allerdings machen sie nicht halt in Harran, wie ihr Urvater Ibrahˆım es tat, sondern setzen den Weg fort, weiter und weiter nach Norden, Richtung Balkanroute.“
Auch deshalb tut es uns gut, das Buch, das sie hochhalten, kennenzulernen. „Abraham trifft Ibrahˆım“ist ein feiner Einstieg in diese spannende Beschäftigung.