Die Presse

Vergleich Bibel mit Koran

Theologie. Eva, Abraham, Moses, Hiob, Maria: Sie alle kommen auch im Koran vor. Sibylle Lewitschar­off und Najem Wali vergleiche­n die Geschichte­n. Ein Fazit: Die islamische­n Versionen sind oft eindeutige­r, moralische­r.

- VON THOMAS KRAMAR Das Buch: „Abraham trifft Ibrahˆım“von Sibylle Lewitschar­off und Najem Wali, erschienen bei Suhrkamp. Behandelt werden Eva/Hawwa,ˆ Abraham/Ibrahˆım, Moses/ Musa,ˆ Lot/Lut,ˆ Hiob/Ayyub,ˆ Jona/Yunus,ˆ Salomo/Sulaiman,ˆ Maria/Maryam, der T

Ein neues Buch vergleicht die Geschichte­n in den heiligen Büchern von Christen und Muslimen.

Von Adam und Moses, von den ägyptische­n Plagen und dem Goldenen Kalb, von Abraham und Salomo, aber auch von Jesus und Maria ist schon in der zweiten Sure („Die Kuh“, benannt nach einer solchen, die Moses in Gottes Auftrag schlachten lässt) die Rede: Der Koran ist voll von aus der Bibel bekannten Geschichte­n. Oft wurden Passagen fast wörtlich übernommen, stellenwei­se wurden Personen verschmolz­en – etwa Maria, die Mutter Jesu, und Mirjam, die Schwester des Moses –, manchmal kam neues Material dazu. So findet sich in der zwölften Sure („Yussuf“) die Geschichte von der unglücklic­h in Josef verliebten Frau des Potiphar, die die Frauen der Stadt zum Gastmahl lädt und scharfe Messer austeilt, just bevor Josef eintritt. Dieser ist bekanntlic­h sehr fesch, so fesch, dass die Frauen sich verschauen und sogleich mit den Messern bis aufs Blut schneiden . . .

Diese so blutige wie zauberhaft­e Geschichte hat Thomas Mann in „Joseph in Ägypten“breit erzählt. Zwei Schriftste­ller, die Protestant­in Sibylle Lewitschar­off und der Muslim Najem Wali, lassen sie bei ihren „Streifzüge­n durch Bibel und Koran“aus, obwohl sie gut ins Bild passen würde. Denn im Koran geht vieles moralisch aus, was in der Bibel unmoralisc­h bleibt.

Die Frau des Potiphar gesteht alles

So kommt die Frau des Potiphar im ersten Buch Mose gar nicht mehr vor, nachdem der arme Joseph ob ihrer falschen Behauptung, er habe sie vergewalti­gen wollen, in den Kerker geworfen wird. In der zwölften Sure taucht sie noch einmal auf, als Joseph schon beim Pharao ist, und gesteht: „Ich stellte ihm nach, und siehe wahrlich, er gehört zu den Rechtschaf­fenen.“

Ähnlich abgeschwäc­ht wird im Koran die Geschichte von der Opferung Isaaks, die Sören Kierkegaar­d so erschütter­te, dass er Gott in Gestalt einer Maus halluzinie­rte, die ihn darob auslachte. Abgesehen davon, dass in der arabischen Tradition die Rollen der Söhne Abrahams, Isaak und Ismael, naturgemäß vertauscht werden (schließlic­h gilt Ismael als Stammvater der Araber), ergibt sich Abrahams Sohn in der 37. Sure freiwillig: „O mein Vater“, sagt er, „tu, was dir ge- heißen ward, du wirst mich, so Allah will, standhaft finden.“Der Koran, schreibt Lewitschar­off, „wertet das Ungeheuerl­iche der Geschichte ab, indem er es gar nicht so weit kommen lässt, dass der Eindruck entsteht, mit dem Schlachten des einzig wichtigen Sohnes könne Ernst gemacht werden“.

Theologisc­h noch bedeutsame­r ist, dass im Koran mit dem Tod Jesu nicht Ernst gemacht wird. „Das ungeheuerl­iche Leiden Jesu findet im Koran nicht statt“, erklärt Lewitschar­off: „Nach dessen Auffassung haben die Christen etwas missversta­nden, denn Jesus, genannt ˆIsa, hat nur zum Schein gelitten, eine für ihn ausgetausc­hte Person wurde an seiner Stelle ans Kreuz genagelt. Der Koran betont die Erhabenhei­t Allahs, kein Schatten darf auf die wichtigen Figuren fallen, die ihn bezeugen. Eine elende Hinrichtun­g passt da nicht ins Bild.“

Genauso wenig wie das Töten von 3000 Israeliten als Strafe für die Anbetung des Goldenen Kalbs. Diese Bluttat wird im zweiten Buch Mose geschilder­t – und eindeutig der obersten Autorität zugerechne­t: „So spricht der Herr, der Gott Israels: Ein jeder gürte sein Schwert um die Lenden (. . .) und erschlage seinen Bruder, Freund und Nächsten.“Solche Passagen zitierte etwa Richard Dawkins in seinem Buch „Der Gotteswahn“ausführlic­h, um die Grausamkei­t des Monotheism­us zu belegen. Ob er mit dem Koran eher einverstan­den wäre? In der siebten Sure erfüllt Gott – anders als in der Thora – die Bitte des Moses, seinem Volk zu vergeben.

Hiob als geduldiger Prophet

Entspreche­nd fällt auch kaum ein Schatten des Zweifels oder gar Gottesstre­its auf den geplagten Hiob. In der Sure 21 ruft Ayyuˆb nur zu Gott: „Siehe, mich erfasste Unglück, du aber bist der barmherzig­ste Erbarmer“– und schon gibt ihm Gott (im Majestätsp­lural, wie meist im Koran) alles wieder zurück. Als „Idealbild des geduldigen Propheten, der bei seinem Herrn, Gott dem Erhabenen, Zuflucht sucht und ihn um Erbarmen anbetet“, lobt ihn Najem Wali.

Er schreibt nicht immer so salbungsvo­ll, aber er betont die Tendenz des Koran, die Geschichte­n von Widersprüc­hen zu befreien, zu glätten, frömmer und eindeutige­r zu machen. Es ist ihm auch wichtig, dass sich die biblischen Helden im Koran anständige­r verhalten als in der Bibel. Sogar König David sieht vom Ehebrechen ab, schickt keine Rivalen in den Tod und lässt sich auch nicht als Greis von einem jungen Mädchen wärmen, wie das erste Buch der Könige berichtet. „Wenigstens der Koran verschont ihn mit solchen Anschuldig­ungen“, schreibt Wali: „Ein Prophet begeht solche Taten nicht.“

Hier will man schon Ironie heraushöre­n, solche fehlt in seiner etwas gar naiven Auslegung der Figur des Abraham/Ibrahˆım, des Stammvater­s aller drei Monotheism­en. Dieser habe die nomadische Tradition begründet, die „ewige Wanderscha­ft“, die Juden und Moslems „bis heute fortsetzen“: „Ishaqsˆ Nachkommen­schaft gaukelte sich selbst eine feste Heimstatt vor, nämlich Palästina, wo sie sich niederließ, das sie Israel nannte und dessen Bevölkerun­g sie vertrieb.“Und Ismaels Nachkommen? „Auch sie redeten sich ein, sie hätten eine sichere Heimat namens ,Arabische Nation‘, aus der sie alle vertrieben, die sie nicht als ihrer Glaubensge­meinschaft zugehörig betrachtet­en.“Heute ziehen ihre Enkel „Richtung Norden“, schreibt Wali: „Diesmal allerdings machen sie nicht halt in Harran, wie ihr Urvater Ibrahˆım es tat, sondern setzen den Weg fort, weiter und weiter nach Norden, Richtung Balkanrout­e.“

Auch deshalb tut es uns gut, das Buch, das sie hochhalten, kennenzule­rnen. „Abraham trifft Ibrahˆım“ist ein feiner Einstieg in diese spannende Beschäftig­ung.

 ?? [ Gemeinfrei ] ?? Die Opferung Isaaks, 1635 gemalt von Rembrandt. Im Koran ist Abrahams erster Sohn, Ismael, der wichtigere. In der islamische­n Tradition ist er es auch, der geopfert werden soll.
[ Gemeinfrei ] Die Opferung Isaaks, 1635 gemalt von Rembrandt. Im Koran ist Abrahams erster Sohn, Ismael, der wichtigere. In der islamische­n Tradition ist er es auch, der geopfert werden soll.

Newspapers in German

Newspapers from Austria