Koalition: Konflikt mit Kassen eskaliert
Gesundheit. Warum die Sozialversicherungen mit einer „Ausgabenbremse“besachwaltet werden.
„Es wird heute keine Kampfansagen geben“, sagte Alexander Biach, Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Doch die Pressekonferenz selbst war schon eine Kampfansage, denn Biach trat mit prominenter Unterstützung auf: Thomas Szekeres, Präsident der Ärztekammer, war ebenso gekommen wie ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Sie alle warnten vor Verschlechterungen im Gesundheitssystem.
Worum geht es? Vergangenen Donnerstag hat die Koalition im Parlament nicht nur den Zwölf-Stunden-Tag beschlossen, sondern auch – kurioserweise als Teil des Sachwaltergesetzes – eine Ausgabenbremse für die Sozialversicherungen. Diese dürfen keine unbefristeten Verträge für Spitzenfunktionen mehr vergeben (was angesichts der anstehenden Strukturreform noch einigermaßen logisch ist), sie dürfen aber auch keine Verträge mit den Ärzten abschließen und keine Bauprojekte starten.
Hintergrund dieses überfallsartig per Initiativantrag eingebrachten Gesetzes ist die Konfliktsituation zwischen der Koalition und den Vertretern der Kassen. Von sozialdemokratischen Funktionären sind Äußerungen bekannt, wonach man die Zeit bis zur Strukturreform nutzen, Geld ausgeben und vollendete Tatsachen schaffen werde. Dem wollte die Koalition gegensteuern.
Hauptverband-Chef Biach betrachtete man dabei offensichtlich nicht als Verbündeten, sondern als Gegner: Es ist der Konflikt der „Türkisen“gegen die sozialpartnerschaftlichen „Schwarzen“innerhalb der ÖVP, der da mitspielt. Biach ist nicht nur Kammerfunktionär, sondern auch ÖVP-Bezirksobmann in Wien-Margarethen. Beim Regierungsprogramm durfte er noch mitverhandeln, inzwischen fungiert er schon als Feindbild für den eigenen Generalsekretär, der ihn am Donnerstag per Aussendung in die „Achse der Blockierer und Systembewahrer“einreihte.
Inhaltlich ist die Besachwaltung der Sozialversicherungen nicht ganz so leicht nachvollziehbar, hat doch das Sozialminis- terium jetzt schon die Möglichkeit, ein Veto gegen Verträge einzulegen, die es für unwirtschaftlich oder ungesetzlich hält. So geschehen beim Unfallkrankenhaus Klagenfurt, das – mit Unterstützung aller Landtagsparteien – einen Neubau auf dem Gelände des Landeskrankenhauses errichten und so Synergien heben sollte. Künftig können die Kassen derartige Projekte gar nicht mehr in Angriff nehmen. Bauvorhaben im Wert von 400 Millionen Euro liegen damit auf Eis. Da geht es beispielsweise um eine Kinderambulanz im 10. Bezirk, um Ambulanzen in Graz, Wolfsberg, Neunkirchen, Völkermarkt oder Liezen oder um Servicezentren in etlichen Bezirkshauptstädten. Auch ein wesentliches gesundheitspolitisches Reformvorhaben steht in der Warteschleife: Für die geplanten Primärversorgungszentren ist ein Vertrag mit der Ärztekammer notwendig.
Gesundheitsministerin Beate HartingerKlein ging auf die Argumente der Sozialversicherungen nicht im Einzelnen ein und sprach von „Panikmache“. Für die Patienten werde das Gesetz keinerlei negative Auswirkungen haben. Unterdessen versucht die FPÖ-Ministerin nicht nur, die Strukturen bei den Krankenkassen aufzubrechen, sondern auch im eigenen Haus: Durch den Umbau der Sektionen müssen die Führungspositionen neu ausgeschrieben werden, wodurch nicht nur die frühere Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) ihr Rückkehrrecht verliert, sondern auch der ÖVP-nahe Sektionschef Clemens Martin Auer seinen Job. Auer, dessen Vertrag auch von SPÖ-Ministern stets verlängert wurde, galt als maßgeblicher Architekt der Gesundheitsreformen der vergangenen 15 Jahre.