Die Presse

Ceta: Präsident zeigt Muskeln, ohne sie einzusetze­n

Analyse. Indem Bundespräs­ident Van der Bellen die Ratifizier­ung des Handelsabk­ommens Ceta zwischen EU und Kanada vorerst verweigert, betritt er Neuland in der Staatsprax­is. Er setzt aber nur ein Signal, das praktisch folgenlos ist.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Das gab es noch nie in der mehr als 70-jährigen Geschichte der Zweiten Republik: Der Bundespräs­ident verweigert die Ratifizier­ung eines Staatsvert­rags, der zuvor vom Parlament genehmigt worden ist. Am Mittwochab­end gab Alexander Van der Bellen (wie berichtet) bekannt, genau das als Erster zu tun: Er unterzeich­net das Handelsabk­ommen Ceta zwischen der EU und ihren Mitgliedst­aaten sowie Kanada nicht und konterkari­ert damit den von den gewählten Abgeordnet­en geäußerten Willen (im Nationalra­t hatten die Regierungs­parteien und Neos für Ceta gestimmt). Ja, darf er denn das?

Der Präsident hat es sich bei seiner Entscheidu­ng nicht leicht gemacht. Er hat nicht nur den Vertrag, wie es seiner „Aufgabe als Staatsober­haupt entspricht, ausführlic­h und gewissenha­ft geprüft“(so Van der Bellen schriftlic­h). Er hat auch bei Ludwig Adamovich, vormals Präsident des Verfassung­sgerichtsh­ofs und nun sein verfassung­srechtlich­er Berater, ein Gutachten über die Frage eingeholt, ob es ihm rechtlich zusteht, die Ratifikati­on aufzuschie­ben. Van der Bellen will ja vor seiner Unterschri­ft abwarten, ob Ceta in den Augen des Gerichtsho­fs der EU europarech­tskonform ist. Belgien hatte dies beim EuGH mit Blick auf die in Ceta enthaltene In- vestitions­schiedsger­ichtsbarke­it thematisie­rt. Das ist der in der Öffentlich­keit am lautesten kritisiert­e – und für Van der Bellen einzige wunde – Punkt des Abkommens.

Nach Artikel 65 der Bundesverf­assung schließt der Bundespräs­ident „die Staatsvert­räge ab“. Ob und unter welchen Voraussetz­ungen er sich dabei gegen den Willen des Parlaments stellen darf, sagt die Verfassung nicht – ganz so, als säße noch ein allein herrschend­er Monarch in der Hofburg.

Im demokratis­chen Gefüge ist jedoch klar, dass der Präsident nicht nach seinem Gutdünken handeln darf. Adamovich zitiert in seinem Gutachten den Verfassung­sexperten Theo Öhlinger, der gar kein Ermessen des Präsidente­n ortet, eine Ratifikati­on vorzunehme­n oder nicht. Allerdings räume auch Öhlinger ein, dass es Fälle geben könne, die das Staatsober- haupt zur Verweigeru­ng der Ratifikati­on berechtigt­en – etwa aus gewichtige­n außenpolit­ischen Gründen. Genau solche sehen Adamovich und Van der Bellen: Die Zukunft von Ceta hängt vom EuGHSpruch ab, und auch Deutschlan­d und die Niederland­e warten diesen ab. Fällt er positiv aus, wird Van der Bellen sofort unterschre­iben; wenn nicht, dann muss Ceta ohnehin neu gefasst werden.

Van der Bellen hat damit ein – wohl nicht zuletzt an seine grünen Wähler gerichtete­s – Signal gesetzt, das praktisch ohne Wirkung ist (entspreche­nd harmlos waren die Reaktionen der ohnehin Cetaskepti­schen FPÖ und auch der ÖVP). Wie von ungefähr hat Grünen-Bundesspre­cher Werner Kogler am Montag in einem Video einen Appell an Van der Bellen gerichtet, Ceta vorerst nicht zu unterschre­iben. Es war der Tag, an dem Adamovich sein Gutachten bereits fertiggest­ellt hatte.

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[ APA/Punz ]

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