Warum soll Kurz für das Glück junger Menschen zuständig sein?
Eine Replik auf Anneliese Rohrers seltsame Forderung an den Kanzler, dass er „die Rahmenbedingungen für ein besseres Lebensgefühl“der Jungen schaffen solle.
Mit bemerkenswerter Ausdauer pflegt die geschätzte Kollegin Anneliese Rohrer in ihrer „Quergeschrieben“-Kolumne die amtierende Bundesregierung, und da ganz besonders Bundeskanzler Sebastian Kurz, vor sich herzuwatschen. Auch letzten Samstag widmete Rohrer ihre Kolumne dem – aus ihrer Sicht – Versagen der Regierung, diesmal begründet mit einer mangelnden Befassung mit den Anliegen der jüngeren Menschen durch die Regierenden. „Das Problem“, schreibt sie, „ist, dass die aktuelle Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ die Generation des Sebastian Kurz nicht im Fokus hat.“
Das ist insofern etwas eigenwillig, als es bis jetzt nicht allzu viele empirische Hinweise darauf gibt, dass die „Generation Sebastian Kurz“– also die plus/minus 30-Jährigen – so wahnsinnig schwer darunter leidet, dass die Bundesregierung sie „nicht im Fokus hat“.
Denkbar ist sogar, wenn auch offenkundig nicht für Kollegin Rohrer, dass gar nicht so wenige junge Frauen und Männer dieser Jahrgänge überhaupt keinen gesteigerten Wert darauf legen, „im Fokus der Regierung“zu stehen, sondern viel lieber unbehelligt von der Politik ihr jeweiliges Ding durchziehen – sei es berufliches Fortkommen, die Gründung eines Unternehmens, einer Familie, sei es, was auch immer der oder die Einzelne halt so an Präferenzen im Leben hat.
Auch wenn es sich Frau Rohrer vielleicht nicht erschließen mag: Es gibt ziemlich viele Menschen in diesem Land, Eltern wie Junge, die sich nicht von vornherein als betreuungsbedürftige Mündel der Politik verstehen, die ohne deren permanente Zuwendung auf der Stelle verkümmern würden. Sogar unter den ganz Jungen soll es Fälle geben, die von der Politik nichts anderes wollen als: in Ruhe gelassen zu werden.
Deshalb befremdet, wenn man diese Republik nicht gerade als sozialistisches Volksheim mit 24-Stunden-Rundumbetreuung seiner Insassen durch die Anstaltsleitung am Ballhausplatz versteht, was Rohrer in diesem Kontext so am Walten von Sebastian Kurz bedrückt. „Ir- gendwann werden seine Zeitgenossen von ihm erwarten, dass er die Rahmenbedingungen für ein besseres Lebensgefühl schafft – für Optimismus und Selbstbewusstsein“, diagnostiziert sie, „die Politik der Angst vor dem Fremden zieht vielleicht bei den Älteren auf Dauer, aber nicht in dieser Altersgruppe.“
Es bleibt Rohrers Geheimnis, warum „seine Zeitgenossen“– oft sehr gut ausgebildet, in vielen Fällen extrem tüchtig, wettbewerbsfähig und leistungsbereit – ausgerechnet von Bundeskanzler Kurz erwarten sollen, für „die Rahmenbedingungen“ihres eigenen Lebensgefühls verantwortlich zu sein. Diese schaffen sie sich nämlich nicht selten selbst, ganz ohne weinerliches Mimimi.
Hier wird dankenswerterweise für einen Moment offenbar, wie tief sozialdemokratische Mentalitäten ins bürgerliche Milieu dieser Republik eingesickert sind. Denn dort würde man eigentlich davon ausgehen, dass 30-Jährige selbst für ihr Lebensgefühl verantwortlich sein müssen – und nicht der Herr Bundeskanzler.
Was Rohrer aber als „Politik der Angst vor dem Fremden“bezeichnet, also der mehr oder weniger gelungene Versuch der Politik, die Bevölkerung vor den minder erbaulichen Folgen der Massenmigration aus der arabisch-islamischen Welt zu schützen, werden nicht alle aus der „Generation Kurz“so schrecklich finden. Etwa junge Frauen, die gern am Abend im Prater joggen oder an jedem öffentlichen Platz zu jeder Zeit so sexy bekleidet auftreten wollen, wie sie es wünschen, ohne Gefahr zu laufen, behelligt zu werden.
Es gehört zu den seltsamen politischen Phänomenen dieser Republik, dass gerade Bürgerliche oft die Anerkennung des linken Lagers für irgendwie erstrebenswert halten, was wohl mit der jahrzehntelangen Dominanz dieses Lagers zu tun haben dürfte. Frau Kollegin Rohrer gebührt Dank dafür, dass sie uns das wieder einmal vor Augen geführt hat.