Die Presse

Trump irritiert Regierung in London

Großbritan­nien. Der US-Präsident kritisiert­e in einem Interview May und ihren sanften BrexitKurs: Hoffnungen auf ein Wirtschaft­sabkommen mit den USA seien tot. Später ruderte er zurück.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

Bevor er noch Tee mit Queen Elizabeth aus edelsten Behältniss­en zu sich nehmen durfte, zerschlug US-Präsident Donald Trump gestern, Freitag, alles, was es an diplomatis­chem Porzellan zu zerstören gab. In einem beispiello­sen Interview mit dem Boulevardb­latt „The Sun“erklärte er nicht nur die britischen Hoffnungen auf ein rasches Wirtschaft­sabkommen mit den USA nach dem Brexit für „wahrschein­lich tot“, sondern attackiert­e auch direkt die britische Premiermin­isterin, Theresa May: „Ich habe ihr gezeigt, wie man das verhandeln muss.“

Stunden nachdem das Interview für Irritation­en auf höchster Ebene gesorgt hatte, machte Trump einen radikalen Kurswechse­l und beschuldig­te – wieder einmal – die Medien. Das Interview sei „Fake News“, denn die Zeitung habe nicht seine „positiven Aussagen“über May wiedergege­ben, sagte er in einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit der britischen Premiermin­isterin. Hatte er der „Sun“noch gesagt, die neue Linie Londons für einen „soft Brexit“werde eine Vereinbaru­ng zwischen den USA und Großbritan­nien wohl unmöglich machen, meinte er nun: „Was immer Großbritan­nien entscheide­t, soll uns recht sein.“

Auch von der persönlich­en Kritik an May rückte er ab. In dem „Sun“-Interview hatte er sie in beispiello­ser Form vorgeführt, indem er etwa zu den Brexit-Verhandlun­gen meinte: „Ich habe ihr gezeigt, wie man das macht. Aber sie hat nicht zugestimmt, sie hat mir nicht zugehört.“Zum Schaden fügt er noch Spott hinzu, indem er den früheren britischen Außenminis­ter Boris Johnson über den grünen Klee lobte: „Er hat ohne Zweifel das Zeug zum Premier.“Johnson war aus Protest gegen die sanftere Linie Londons am Montag zurückgetr­eten. Es wird erwartet, dass er früher oder später einen Angriff gegen May um die Führung der britischen Politik starten wird.

Wie schon so oft schien alles ungerührt an May abzuprasse­ln. In einer Tischrede wiederholt­e sich das Werben um enge bilaterale Wirtschaft­sbeziehung­en nach dem Brexit, nach den Gesprächen mit Trump beharrt die Premiermin­isterin darauf, dass auch bei einem weichen EU-Ausstieg besondere Vereinbaru­ngen mit den USA möglich sein würden.

Zugleich bemühte Trump sich, persönlich­en Schaden wiedergutz­umachen: „Ich kann nur das Beste über Theresa May sagen.“May ihrerseits betonte angesichts wachsender Zweifel, was an der viel beschworen­en „special relationsh­ip“noch besonders sei: „Ich kann unseren Beziehunge­n nur die höchsten Noten verleihen.“Thomas Wright, Außenpolit­ikex- perte des Washington­er Thinktanks Brookings Institutio­n, meinte über seinen Präsidente­n: „So verhält sich kein Verbündete­r. Das ist die Politik eines Raubtiers, die darauf abzielt, aus der gegenwärti­gen Verwundbar­keit der Briten maximalen Nutzen zu ziehen.“

Anders als die stoische May zeigten sich viele Briten über den US-Präsidente­n und seine Politik empört. Mehr als 70.000 Menschen versammelt­en sich allein in London, wo neben dem Parlament ein Ballon, der Trump als Heulbaby darstellte, aufstieg. Sollte es die Absicht der Organisato­ren gewesen sein, den bekannt dünnhäutig­en Herrn des Weißen Hauses zu provoziere­n, war ihnen offensicht­lich Erfolg beschieden: „Ich hatte London einst wirklich gern. Aber jetzt fühlt man sich hier nicht einmal mehr willkommen“, beschwerte er sich.

So vermied er auch die Hauptstadt während seines viertägige­n Besuchs fast völlig. Nach dem Treffen mit May auf dem Landsitz Chequers machte er der Queen seine Aufwartung auf Schloss Windsor, ehe er zum Golfspiele­n am Wochenende auf einer seiner Anlagen in Schottland aufbrach.

Die Regionalre­gierung verweigert­e Trump einen offizielle­n Empfang, die Sicherheit­skosten von zehn Millionen Pfund musste London aufbringen. Von allen Seiten wird es am Montag ein lautes Aufatmen geben, wenn der USPräsiden­t nach Helsinki zu Gesprächen mit dem russischen Präsidente­n, Wladimir Putin, weiterreis­en wird. „Niemand ist härter gegen Russland als wir“, sagte Trump gemeinsam mit May. Er habe „keine Erwartunge­n“vor dem Treffen mit Putin. „Aber es gibt Überraschu­ngen.“

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[ AFP ]

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