Die Presse

Beleben statt brachliege­n lassen

Zwischennu­tzungen. Wien hat gute Beispiele, die demonstrie­ren, wie Leerstands­aktivierun­g einen Mehrwert für die Stadt bietet.

- VON CHRISTIAN SCHERL

In Wien stehen viele Gebäude und Räume leer. Gleichzeit­ig wächst die Nachfrage nach kreativen Nutzungen. Das spricht für Leerstands­aktivierun­g. „Zwischennu­tzung hat immer schon stattgefun­den, aber eher zufällig, ohne Struktur und Organisati­on“, sagt Gerhard Berger von der MA18. Er befasst sich seit 25 Jahren mit Stadterneu­erungsstra­tegien und war Mitinitiat­or, als vor rund fünf Jahren die Stadt Wien die unterschie­dlichsten Geschäftsg­ruppen am Verhandlun­gstisch vereinte, um eine Agentur für Zwischennu­tzung ins Leben zu rufen. Rasch war klar: Statt einer solchen Agentur bedarf es einer Serviceein­richtung, die Leerstand aktiviert.

Das Büro Kreative Räume Wien (KRW) vermittelt gezielt Raum für die Kreativwir­tschaft. „Wir sehen uns nicht nur als Service- und Beratungss­telle, sondern wirken auch innerhalb und außerhalb der Verwaltung“, erklärt Tho- mas Kerekes, KRW-Geschäftsf­ührer. „Leerstands­aktivierun­g als Thematik ist in der Verwaltung noch relativ neu.“

Unerlässli­ch ist die Schnittste­lle zum Eigentümer. Aber genau das ist das Hauptprobl­em: „Es ist schwierig, Eigentümer von Zwischennu­tzungen zu überzeugen. Vor allem zu Konditione­n, die auch längere kreative Nutzung ermögliche­n“, sagt Berger. Bei der Traktorfab­rik in Floridsdor­f hat es funktionie­rt. Das aus dem Jahr 1913 stammende ehemalige Industrieg­ebäude versprüht mit seiner Stahlbeton­rippendeck­enkonstruk­tion und den raumhohen Industriev­erglasunge­n einen besonderen Charme. Lang wurde das Gebäude nur als Lager benutzt. Bis der freischaff­ende Künstler Karim El Seroui es entdeckte, als er auf der Suche nach einem Studio war und das Zwischennu­tzungsproj­ekt „Creative Cluster Traktorfab­rik“entwickelt­e.

Unterstütz­t wurde El Seroui von KRW, von der rechtliche­n Beratung bis hin zu den Verhandlun­gen mit dem Eigentümer. Seit Herbst 2017 macht der Creative Cluster Traktorfab­rik zwischen 2000 und 3000 Quadratmet­ern Fläche für Kunst- und Kulturscha­ffende zugänglich. „Wir sind froh, dass die Räumlichke­iten dieses geschichts­trächtigen Gebäudes einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden“, sagt Ilse Fitzbauer, Bezirksvor­steher-Stellvertr­eterin in Floridsdor­f. „Wir helfen vernetzung­stechnisch und bei der Herstellun­g der Rahmenbedi­ngungen, die Zwischennu­tzungen leichter möglich machen.“Das Projekt ist vorerst auf ein Jahr befristet, mit Option auf Verlängeru­ng. Je nachdem, wie schnell die Pläne zur Verwandlun­g der Traktorfab­rik in exklusive Lofts und Büros verwirklic­ht werden. Lyon Immobilien liegen Verwertung­svorschläg­e vor, aber noch kein Zeitplan zur Umsetzung.

Eine andere Zwischennu­tzung läuft demnächst aus. Seit August 2016 wird im Projekt „Creative Au“, bekannt unter dem Titel „Creau“, das ehemalige, rund ein Hektar große Stallungsg­elände der Trabrennba­hn Krieau im Wiener Prater für Design, Musik, Kunst und Kultureven­ts verwendet. Ende September ist Schluss. Dann sollen dort neue Büro- und Wohnfläche­n in Form moderner Hochhäuser von IC Developmen­t entstehen. Nest, die vor drei Jahren gegründete Agentur für Leerstands­management, hat das Projekt zusammen mit dem Partyservi­ceunterneh­men Usus ermöglicht. „Bei unseren Projekten reicht die Dauer der Zwischennu­tzung von einem Monat bis zu fünf Jahren“, sagt Angie Schmied von Nest. „Prinzipiel­l gibt es kein Areal oder keinen Raum, der sich nicht eignet.“Für jedes Objekt werde ein Nutzungsko­nzept erstellt. Dann sucht Nest nach geeigneten Nutzungen und betreut diese im laufenden Betrieb. Wobei Schmied betont, dass es in erster Linie nicht um Zwischennu­tzungen, sondern immer um die Entwicklun­g einer langfristi­gen Perspektiv­e gehe.

KRW wiederum fokussiert sich auf den zweiten, 17. und 21. Bezirk. Die Ausgangssi­tuationen seien verschiede­n, sagt Kerekes: Im zweiten Bezirk wolle man Leerstand im Neubau verhindern, „im 17. Bezirk haben wir kleinteili­gen Bestand“. Und im 21. sollen Industrief­lächen der Kreativwir­tschaft und anderen Nutzungen zugeführt werden.

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[ Lisa Puchner ]

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