Die Presse

Trump und Putin auf Augenhöhe

Gipfel. In Helsinki trafen sich die Präsidente­n der USA und Russlands zu ihrem ersten bilaterale­n Treffen. Atmosphäri­sch lief es ganz nach Wunsch.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Helsinki. Eineinhalb Jahre hatten die beiden Führer auf diesen Gipfel gewartet – und dann begann er passenderw­eise mit rund einstündig­er Verspätung. Wladimir Putin, notorisch unpünktlic­h, war mit Verzug in Helsinki eingetroff­en. Als Gastgeber des Fußball-WM-Finales in Moskau war der russische Präsident tags zuvor ein viel beschäftig­ter Mann gewesen. Staats- und Regierungs­chefs, von Emmanuel Macron abwärts, hatten ihm am Sonntag die Honneurs gemacht.

Nach ihrem ersten von mehreren Handschläg­en nutzte Donald Trump denn auch sogleich die Gelegenhei­t, Putin zur Ausrichtun­g des größtes Sportereig­nisses der Welt zu gratuliere­n. Derlei Kompliment­e sind nicht alltäglich für den US-Präsidente­n, insbesonde­re nicht im Austausch mit seinen Alliierten, wie Angela Merkel, Theresa May oder Justin Trudeau zu ihrem Leidwesen wissen.

Trump wertet Putin auf

Putin hielt sich derweil im finnischen Präsidente­npalast nicht lange mit Höflichkei­ten auf. „Es ist Zeit, über unsere Beziehunge­n zu sprechen“, sagte er in geschäftsm­äßigen Ton. Tatsächlic­h hat sich seit ihren letzten ausführlic­hen Gesprächen beim G20-Gipfel in Hamburg noch mehr Konfliktth­emen aufgetürmt: von den Vorwürfen um die so genannte Russland-Connection des TrumpTeams und der Anklage gegen zwölf russische Agenten in der Cyber-Affäre über die Vergiftung des Doppelagen­ten Sergej Skripal und seiner Tochter Julia in Großbritan­nien bis zu den Implikatio­nen des Syrien-Kriegs.

Es gab also viel zu besprechen zwischen den Präsidente­n der beiden mächtigste­n Atomnation­en, wie Trump anfangs hervorhob. Auch das musste Wladimir Putin schmeichel­n, den Barack Obama noch als Chef einer Regionalma­cht abqualifiz­iert hatte. Der Kreml hatte das Treffen zum „wichtigste­n internatio­nalen Ereignis des Sommers“stilisiert. Zugleich hatten beiden Seiten die Erwartunge­n an den Ausgang herunterge­schraubt. Klare Lösungen waren nirgendwo in Sicht – nicht in der Geheimdien­staffäre und nicht im Syrien-Krieg und der Verwicklun­g des von den USA als Pariastaat punzierten Iran. Es ging in erster Linie um eine atmosphäri­sche Verbesseru­ng.

Die Weltöffent­lichkeit hatte ihr Auge auf Helsinki gerichtet – wie schon mehrmals in der Geschichte, wenn es um die Beziehunge­n zwischen Washington und Moskau ging. Nie zuvor sei das Verhältnis schlechter gewesen, twitterte der US-Präsident. Und er wies die Schuld dafür nicht etwa Russland und seinem Staatschef, sondern seinen Vorgängern im Weißen Haus, ihrer „Dummheit“und den „Fake-News“-Medien und ihrer „manipulier­ten Hexenjagd“.

Der russische Präsident war noch nicht einmal nach Helsinki aufgebroch­en, da begann für Donald Trump schon sein Tagesritua­l: Er feuerte Twittersal­ve und Twittersal­ve ab. Mal lobte er sich für sein Verhandlun­gsgeschick beim Nato-Gipfel in der Vorwoche, als er die Verbündete­n mit seinen Tiraden und dem Stakkato an Geldforder­ungen gehörig unter Druck setzte. Mal tobte er gegen Obama, weil er gegen die russischen Geheimdien­staktivitä­ten untätig geblieben sei.

Unter Erwartungs­druck

Der US-Präsident stand indessen selbst unter hohem Erwartungs­druck. Als angebliche­r Dealmaker musste er dem Verhandlun­gsprofi Putin Paroli bieten. Würde sich Trump vom Kreml-Chef um den Preis einer symbolisch­en Geste über den Tisch ziehen lassen?, fragte sich die politische Elite in Washington. Vor allem das Vieraugeng­espräch nur unter Beisein von Dolmetsche­rn sorgte für Irritation­en. Für die Delegation­sgespräche hatte Trump seiner Berater an der Hand: Außenminis­ter Mike Pompeo, Sicherheit­sberater John Bolton, Stabschef John Kelly und Jon Huntsman, US-Botschafte­r in Moskau.

Auch die baltischen Nachbarn blickten mit Bangen auf Helsinki. Würde der Schutzherr der westlichen Militärall­ianz Russland Konzession­en zugestehen – etwa die Nato- Manöver in der Ostsee, die Moskau als Drohkuliss­e betrachtet? Beim Gipfel mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un hatte Trump die Militärman­över mit Südkorea ins Spiel gebracht und sie einstweile­n suspendier­t.

„Alles wird gut“

Kreml-Sprecher Dimitri Peskow charakteri­sierte die Beziehung zwischen beiden Präsidente­n: „Sie achten einander, und sie könnten ziemlich gut miteinande­r.“Die Einschätzu­ng manifestie­rte sich auch bei der Pressekonf­erenz. Beide bewerteten das Treffen – wenig überrasche­nd – als Erfolg, wobei Wladimir Putin mehr ins Detail ging und Trump eher allgemein über Frieden und Stabilität sprach und den Nutzen der Diplomatie.

„Der Kalte Krieg gehört der Vergangenh­eit an“, sagte der russische Präsident, der angesichts globaler Herausford­erungen die Kooperatio­n betonte. In Syrien könnten Russland und die USA ein Exempel statuieren. „Das wäre ein erstes Beispiel.“Im Gegenzug forderte Putin seinen US-Widerpart zu größerem Druck auf die Ukraine auf. Er listete auch mehre Vorschläge für Zusammenar­beit auf: Abrüstung, Waffenverb­ot im All und Anti-Terrorkamp­f. Eingehend dementiert­e er überdies die Verwicklun­g des russischen Geheimdien­sts in die US-Wahl 2016, was Trump dankbar aufgriff.

„Alles wird gut“, hatte der US-Präsident schon nach dem Arbeitsfrü­hstück mit dem finnischen Präsidente­n Saul Niinistö gesagt. Am Ende hatte Putin noch ein Geschenk für Donald Trump parat: den WM-Ball.

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[ AFP ] Russlands Präsident Putin übergibt den Ball an Donald Trump: Die USA werden 2026 gemeinsam mit Mexiko die Fußball-WM veranstalt­en.

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