Die Presse

Essen in der U-Bahn?

Verbot. Stadträtin Ulli Sima plant eine Liste verbotener Nahrungsmi­ttel in der U6, auch die Fahrgäste sollen darüber abstimmen können.

- VON ERICH KOCINA

Die Stadt Wien plante eine Liste mit verbotenen Nahrungsmi­tteln in der U-Bahn. Stinkt Leberkäse mehr als mancher Passagier?

Wien. Es war wohl nur ein Zufall. Dass die zuständige Stadträtin Ulli Sima ausgerechn­et jetzt Deospray in der U6 verteilt, soll nämlich nichts damit zu tun haben, dass auf genau dieser Linie ab September geruchsint­ensive Speisen verboten sein sollen. Das Deodorant sei ein „Abkühlungs­goodie“, heißt es bei den Wiener Linien. Als Gimmick zusätzlich zu Abkühlungs­maßnahmen, die man in der U6 schon geschaffen habe, etwa Kiemenfens­ter für eine bessere Luftzirkul­ation.

Und doch passt es ins Bild. Die Stadträtin will – zunächst vor allem entlang der U6 – gegen intensive Gerüche kämpfen. Etwas, das die Wiener Linien schon seit Jahren mit Kampagnen versuchen, das nun aber mit einem Verbot bestimmter Speisen auf eine neue Stufe gehoben wird. Dezidiert geht es um Kebab, Pizza, Leberkäses­emmeln oder auch Nudelboxen. Und während man bei den Wiener Linien von keiner dezidierte­n Auflistung sprechen will, sondern auf das Ermessen der Kontrollor­gane verweist, überlegt Sima gegenüber Journalist­en schon eine Liste, welche Nahrungsmi­ttel tabu sind. Und auch eine Abstimmung, bei der sich die Fahrgäste auch beteiligen können.

Ob die klassische Extrawurst­semmel oder ein steirische­r Apfel sanktionie­rt werden, ist also noch offen. Wobei Strafen vorerst ohnehin nicht ausgesproc­hen werden sollen. Zunächst soll es eine Testphase geben, die auch von einer weiteren Infokampag­ne begleitet werden soll. Ab wann man härter durchgreif­en will, und wie hoch Strafen dann ausfallen können, ist noch offen. Wobei man bei den Wiener Linien vor allem auf eine Sensibilis­ierung der Fahrgäste hofft. „Die paar Minuten im Fahrzeug sollte man ohne Essen auskommen“, sagt ein Sprecher. Viele Menschen hätten die bisherigen Kampagnen schon gesehen, sich aber vielleicht nicht persönlich angesproch­en gefühlt.

Tatsächlic­h ist der Geruch in der U-Bahn ein Thema, das offenbar viele Fahrgäste intensiv beschäftig­t. 76 Prozent waren es laut einer Umfrage der Wiener Linien aus dem Vorjahr, die über geruchsint­ensives Essen klagen – übertroffe­n nur von laut telefonier­enden Passagiere­n, die von 83 Prozent als Problem gesehen werden. Dabei gilt der Geruch von Speisen nicht immer als negativ – der Geruch von Speisen rund um den Naschmarkt oder die intensiven Emissionen der Manner-Fabrik in Hernals oder der Ottakringe­r Brauerei werden etwa auch als positive Erkennungs­marken auf einer olfaktoris­chen Wien-Karte gesehen.

Der Geruch der Stadt

Gerade im abgeschlos­senen Raum der U-Bahn scheinen aber konzentrie­rte Gerüche besonders negativ wahrgenomm­en zu werden. Nach „Arbeit, Deo und Kebab“rieche die U6 im Sommer, wie es in „Sensorisch­es Labor Wien“heißt, einer Studie der Uni Wien von 2011, in der dem Geruch der Stadt an verschiede­nen Orten nachgegang­en wird. Essen in der U-Bahn, ein auch laut dieser Studie bisher nicht untypische­r Eintrag auf der städtische­n Geruchskar­te, dürfte allerdings, wie es derzeit aussieht, aber bald verschwund­en sein.

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[ Michaela Bruckberge­r ] Essen in der U-Bahn, wie „Presse“-Redakteur Erich Kocina es 2009 im Selbstvers­uch testete, wird bald verboten.

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