Leitartikel von Wieland Schneider
Als Störenfried in den transatlantischen Beziehungen ist Trump für Moskau der richtige Mann. Die Europäer müssen sich stärker um ihre Interessen kümmern.
E s sind Worte, die man so von einem US-Präsidenten bisher nicht wirklich gehört hat: Die Europäische Union sei ein Feind, genauso wie Russland und China, sagte nun Donald Trump. Das Verhältnis zwischen den jeweiligen Regierungen in Washington und denen der Verbündeten in Europa stand schon in der Vergangenheit nicht immer zum Besten. So gab es etwa Spannungen zwischen der Regierung George W. Bushs und Deutschland und Frankreich. Weil Berlin und Paris Washingtons Irak-Feldzug nicht unterstützten, sprach Verteidigungsminister Donald Rumsfeld 2003 von einem „neuen“und einem „alten Europa“. Neu waren für Rumsfeld Länder wie Polen, die noch nicht so lange in der Nato waren, aber Bush bei seiner Irak-Politik zur Seite standen. Alt waren für ihn Deutschland und Frankreich, die die Militäroperation am Golf kritisierten. Das sorgte damals für Aufregung. Doch so weit, alle europäischen Verbündeten als Gegner zu bezeichnen, ging selbst Rumsfeld nicht.
Wenn Donald Trump redet – und twittert –, wählt er seine Worte nicht gerade mit Bedacht. Zudem sieht er internationale Politik vor allem durch die wirtschaftliche Brille. Da sind natürlich die EU-Staaten nicht nur Partner, sondern auch Konkurrenten der USA. Für Trump scheint „die EU“an sich so etwas wie ein Feindbild zu sein. Sie ist aber die Summe ihrer Mitgliedstaaten. Damit stellt der USPräsident Nato-Verbündete wie Deutschland, Frankreich, Polen und das NochEU-Mitglied Großbritannien auf eine Stufe mit Russland und China. Ein starkes Stück – ausgerechnet so kurz vor dem Treffen mit dem russischen Präsidenten, Wladimir Putin, in Helsinki.
Der Kreml – und vor allem russische Medien – hatten im US-Wahlkampf deutlich gemacht, dass sie einen Präsidenten Trump einer Präsidentin Hillary Clinton vorziehen würden. Trotzdem war das Verhältnis zwischen Trump und Putin bisher nicht das allerbeste. Die USA und Russland trennt eine Reihe unterschiedlicher Interessen. Aber: Wenn es darum geht, nach den Obama-Jahren wieder weltweit das Stereotyp vom „hässlichen Amerikaner“zu nähren und die Beziehung zwischen den Europäern und den USA zu stören, dann hätte sich der Kreml wirklich niemand anderen im Weißen Haus wünschen können als Donald Trump. EU-Staaten, die an einem Strang ziehen und zugleich mit den USA als geeinter transatlantischer Block auftreten: Das ist für Russland strategisch gesehen ein Horrorszenario. Doch diesbezüglich muss sich Moskau auch dank Trump derzeit keine großen Sorgen machen.
Im Vorfeld des russisch-amerikanischen Gipfels am Montag waren aus Europa warnende Stimmen zu hören. Zum einen verstört Trumps Auftreten gegenüber den europäischen Partnern zunehmend. Zum anderen wurden in Osteuropa Befürchtungen laut, Trump könnte Putin zu große Zugeständnisse machen.
Ein vernünftiges Verhältnis zwischen Washington und Moskau ist nach wie vor eine der Voraussetzungen für eine sicherere Welt. Zwar ist – trotz aller KalterKrieg-Rhetorik – die Gefahr einer direkten Konfrontation ungleich geringer als damals. Und Russland besitzt nicht mehr dasselbe strategische Gewicht wie die Sowjetunion. Trotzdem hat es Putin geschafft, sein Land wieder international zu einem wichtigen Spieler zu machen. Den Preis dafür haben unter anderem Tausende Syrer und Ukrainer bezahlt.
Ob das gefällt oder nicht: Ohne Zutun Moskaus wird es keinen tragbaren Frieden im Osten der Ukraine geben. Und will man eine Lösung für Syrien finden, kann man an Russland nicht vorbei. Hier brauchen sowohl die USA als auch die EU-Staaten Moskau. Im Streit um den US-Ausstieg aus dem Atomvertrag mit dem Iran findet sich die EU sogar auf derselben Seite wie Russland wieder. Z ugleich muss vor allem den EULändern daran gelegen sein, dass Putin mit seinen Großmachtambitionen nicht Grenzen überschreitet. Wenn sie zugleich fürchten, dass Washington unter Trump nicht mehr derselbe enge Partner ist wie früher, so gibt es eigentlich nur eine Konsequenz: Enger zusammenrücken und sich selbst stärker um die Interessen Europas kümmern. Mehr zum thema: Seiten 1 bis 3