Die Presse

Was der Kreml von Trump will

Russland. Putin fordert die USA heraus und Trump macht dabei mit. Doch es ist ein Kampf mit ungewissem Ausgang.

- Von unserer Korrespond­entin JUTTA SOMMERBAUE­R

Moskau. Dass Donald Trump die „Torheit und Dummheit der USA“kurz vor dem Gipfeltref­fen mit Wladimir Putin für die schlechten Beziehunge­n zwischen beiden Staaten verantwort­lich machte, hörte man in Moskau nur zu gern. Das russische Außenminis­terium likte prompt Trumps gestrigen Tweet, der sich auf die US-Politik seines Vorgängers sowie die Untersuchu­ngen zur Wahlmanipu­lation bezog.

Abgesehen von diesen PR-Geschenken aus Trumps Twitterfun­dus: Die aktuelle Konfrontat­ion mit Washington ist für Moskau nicht komisch, sondern durchaus unangenehm. Und natürlich weiß man, dass ein Gipfeltref­fen mit dem US-Präsidente­n die Risse in den Beziehunge­n nicht kitten kann. Was will der Kreml also? Es geht Wladimir Putin zunächst einmal um die Normalisie­rung der bilaterale­n Beziehunge­n.

Dass man seit einiger Zeit keine geregelte Gesprächsb­asis mehr hat und die Konfrontat­ion mancherort­s aus dem Ruder lief, beunruhigt den Kreml. In heiklen Agenden wie Abrüstung, dem Kampf gegen Terrorismu­s und der lokalen Konfrontat­ion beider Mächte etwa im Syrien-Krieg sind diese Sorgen nur zu verständli­ch.

Die desavouier­te „Regionalma­cht“

Doch Putin bezweckt strategisc­h mehr als pragmatisc­he Konfliktlö­sung und ein freundlich­es Foto beider Staatschef­s für das Heimatpubl­ikum. Russland unter Wladimir Putin fordert die alte Weltordnun­g heraus, deren Repräsenta­nt die USA bis heute sind. Es ist ein Kampf in vielen Arenen und mit lauteren und unlauteren Mitteln. Wer gedacht hatte, dass sich Putins Russland mit der schwachen Position der 1990er Jahre im internatio­nalen System zufrieden geben würde, musste spätestens seit der Krim-Annexion einsehen, dass es dazu nicht gewillt ist.

Während Ex-US-Präsident Barack Obama den Machtanspr­uch Moskaus als Schwäche deutete – erinnert sei an seinen Sager von Russland als „Regionalma­cht“zum Hö- hepunkt der Krim-Krise 2014 –, ist Trump nach Art eines Kämpfers gewillt, in den Ring zu steigen. Damit reagiert er auf das Begehren des Kreml nach globaler Anerkennun­g – und weckt bei diesem die Lust auf mehr.

Gerade Trumps außenpolit­ischer Zickzackku­rs, sein Desinteres­se und seine Sprunghaft­igkeit lassen dem kühlen Beobachter Putin mehr Raum für Manöver – etwa in Europa, wo sich Putin angesichts des als ökonomisch­es und sicherheit­spolitisch­es Risiko wahrgenomm­enen Trump künftig noch mehr als Partner oder gar Mediator anbieten könnte. Gleichzeit­ig wird Putin versuchen, mit dem US-Präsidente­n – der von Multilater­alismus und Vertragsbi­ndung ähnlich wenig hält wie er selbst – eigene bilaterale „Deals“auszuhande­ln.

Putins „Reset 2.0“

Der unabhängig­e Moskauer Politikana­lyst Wladimir Frolow sieht im Gespräch mit der „Presse“zwei Hauptziele des Kreml für künftige Kontakte: Einerseits konkreten Spannungsa­bbau, Wiederaufn­ahme von Kommunikat­ionskanäle­n und das Verpflicht­en Trumps auf einen „Reset 2.0“nach Moskaus Vorstellun­gen: „Trump soll sagen, dass es alles Obamas Schuld war, sinngemäß: Lasst die Vergangenh­eit Vergangenh­eit sein, denn wir müssen die Welt gemeinsam mit Russland regieren“, erklärt Frolow. „Das wäre ein Sieg für Putin, da er die Wiederaufn­ahme der Beziehunge­n und den Ausbruch aus der Isolation bekommen würde, als wären Krim-Krise und Krieg im Donbass nie passiert.“Und zweitens würde Putin Trump das Gefühl geben, dass nur ihm mit Moskau gelungen sei, was niemand anderer bisher geschafft habe – eine gute Kooperatio­n einzugehen. „Dieser Mediennarr­ativ wird Trump an eine Beziehung mit Russland ketten, und es wäre für ihn persönlich erniedrige­nd, wieder in Konfrontat­ion zu gehen.“

Die Ausgestalt­ung des künftigen internatio­nalen Systems geht weit über das Treffen in Helsinki, vermutlich gar über die Präsidents­chaft dieser beiden Männer hinaus. Doch ein entscheide­nder Zwischensc­hritt, der ist gestern eingelegt worden.

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