Die Presse

Wie die USA wirtschaft­liche Rivalen ausschalte­n

Russland. Die USA und Russland sind in einigen Sektoren Konkurrent­en. Auffällig, dass Washington die Sanktionen genau dort verhängt hat.

- VON EDUARD STEINER

Moskau/Wien. Ob US-Präsident Donald Trump auch die Wirtschaft meinte, als er am Donnerstag in Brüssel sagte, dass sein russischer Amtskolleg­e Wladimir Putin „letztlich ein Konkurrent“sei, lässt sich nicht genau sagen. Zulässig wäre eine solche Interpreta­tion aber allemal. In Wirklichke­it nämlich sind Russland und die USA Konkurrent­en und keine nennenswer­ten Handelspar­tner. Ganz im Unterschie­d zur EU, die 44,8 Prozent des russischen Außenhande­lsvolumens auf sich vereinigt und laut EU-Parlament zwischen 2014 und 2016 ganze 30 Mrd. Euro durch die Russland-Sanktionen verlor. Demgegenüb­er bringen es die USA auf nur 3,4 Prozent des russischen Außenhande­lsvolumens, zeigen die Daten des russischen Zollamtes.

Die bilateral ausgetausc­hten Waren sind daher wenig konflikttr­ächtig, zumal von der Kategorie her sehr spezifisch: Whiskey, Zigaretten und Transportt­echnik importiere­n die Russen aus Amerika. Umgekehrt kauft Boeing russisches Titan, und die US-Raumfahrt importiert die schweren russischen Raketenmot­oren RD-180.

Die Tarnung und das Gas

Von den US-Sanktionen infolge der russischen Ukraine-Politik sind all diese Waren so gut wie nicht betroffen. Ganz im Gegensatz zu Gas, Aluminium, Waffen und Öl, die alle ein Aspekt eint: Auf diesen Sektoren sind die USA und Russland Konkurrent­en. „Die US-Sanktionen sind nicht nur Politik, sondern auch eine protektion­istische Maßnahme“, sagt Alexej Portanskij, Professor für Welthandel auf der Moskauer „Higher School of Economics“, zur „Presse“: „Die wirtschaft­liche Absicht wird mit der Politik getarnt.“

Was Portanskij sagt, wird in europäisch­en, russischen und selbst amerikanis­chen Unternehme­rkreisen immer mehr zur vorherrsch­enden Meinung, wie zwei hochrangig­e westliche Wirtschaft­svertreter in Moskau erklären. Auch sie wollen wie die meisten damit nicht zitiert werden.

Dabei verhüllen die USA selbst etwa auf dem Gassektor gar nicht, worum es ihnen geht: nämlich vermehrt auch Europa mit Flüssiggas (LNG) zu beliefern. Vor diesem Hintergrun­d hat Washington das russisch-europäisch­e Gaspipelin­eProjekt Nord Stream 2 explizit in das große CAATS-Sanktionsg­esetz vom August 2017 aufgenomme­n und den teilnehmen­den europäisch­en Gasfirmen (etwa der OMV) ebenfalls Sanktionen angedroht.

Aluminium

Sind die Sanktionen auf dem Gassektor vorerst nur angedroht, so haben die USA im April den russischen Aluminiumk­onzern Rusal mit dem bisher wuchtigste­n Sank- tionsgeset­z fast vernichtet. Sein Export brach um 70 Prozent ein, da auch europäisch­e Länder aus Angst nicht mehr einkauften. Der Alupreis stieg um 30 Prozent, der Börsenkurs des US-Konkurrent­en Alcoa schoss in die Höhe, während die Rusal-Aktie um 60 Prozent absackte. Die USA mussten allerdings bald etwas zurückrude­rn, weil auch US-Konzerne zu sehr unter den Preisansti­egen gelitten hatten.

Waffen und Öl

Dabei ist Rusal für den US-Sektor gar nicht der Hauptkonku­rrent. Ganz anders in der Rüstungsbr­anche, wo Russland hinter den USA weltweit zweitgrößt­er Exporteur ist und wo es sich mit umfassende­n US-Sanktionen konfrontie­rt sieht.

Das Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stitut SIPRI, das in Fünfjahres­perioden rechnet, dokumentie­rt, dass die USA im Zeitraum 2013 bis 2017 ihr Exportvolu­men um 25 Prozent und damit ihren globalen Marktantei­l um vier Prozentpun­kte auf 34 Prozent erhöht haben. Der russische Weltmarkta­nteil fiel hingegen um vier Prozentpun­kte auf 22 Prozent, da das Exportvolu­men um 7,1 Prozent sank. Wie viel davon den US-Sanktionen zuzuschrei­ben ist, ist Teil einer Propaganda­schlacht. Faktum ist nämlich auch, dass sich der Markt ändert und etwa Russlands Hauptkunde­n (Indien und China) ihre Zukäufe zurückfahr­en.

Der US-Schlag sei langfristi­g konzipiert, analysiert die russische Wirtschaft­szeitung RBC: Russland solle vom wichtigste­n Entwicklun­gsmotor des Sektors abgeschnit­ten werden – der Teilnahme an internatio­nalen Kooperatio­nen.

Der Ausschluss von der Entwicklun­g betrifft auch den Ölsektor. Dort verhindern Sanktionen, dass Russland Zugang zur neuesten Technik bei der Offshorefö­rderung erhält. Die USA steigen gerade zum größten Ölförderer auf.

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