Wie die USA wirtschaftliche Rivalen ausschalten
Russland. Die USA und Russland sind in einigen Sektoren Konkurrenten. Auffällig, dass Washington die Sanktionen genau dort verhängt hat.
Moskau/Wien. Ob US-Präsident Donald Trump auch die Wirtschaft meinte, als er am Donnerstag in Brüssel sagte, dass sein russischer Amtskollege Wladimir Putin „letztlich ein Konkurrent“sei, lässt sich nicht genau sagen. Zulässig wäre eine solche Interpretation aber allemal. In Wirklichkeit nämlich sind Russland und die USA Konkurrenten und keine nennenswerten Handelspartner. Ganz im Unterschied zur EU, die 44,8 Prozent des russischen Außenhandelsvolumens auf sich vereinigt und laut EU-Parlament zwischen 2014 und 2016 ganze 30 Mrd. Euro durch die Russland-Sanktionen verlor. Demgegenüber bringen es die USA auf nur 3,4 Prozent des russischen Außenhandelsvolumens, zeigen die Daten des russischen Zollamtes.
Die bilateral ausgetauschten Waren sind daher wenig konfliktträchtig, zumal von der Kategorie her sehr spezifisch: Whiskey, Zigaretten und Transporttechnik importieren die Russen aus Amerika. Umgekehrt kauft Boeing russisches Titan, und die US-Raumfahrt importiert die schweren russischen Raketenmotoren RD-180.
Die Tarnung und das Gas
Von den US-Sanktionen infolge der russischen Ukraine-Politik sind all diese Waren so gut wie nicht betroffen. Ganz im Gegensatz zu Gas, Aluminium, Waffen und Öl, die alle ein Aspekt eint: Auf diesen Sektoren sind die USA und Russland Konkurrenten. „Die US-Sanktionen sind nicht nur Politik, sondern auch eine protektionistische Maßnahme“, sagt Alexej Portanskij, Professor für Welthandel auf der Moskauer „Higher School of Economics“, zur „Presse“: „Die wirtschaftliche Absicht wird mit der Politik getarnt.“
Was Portanskij sagt, wird in europäischen, russischen und selbst amerikanischen Unternehmerkreisen immer mehr zur vorherrschenden Meinung, wie zwei hochrangige westliche Wirtschaftsvertreter in Moskau erklären. Auch sie wollen wie die meisten damit nicht zitiert werden.
Dabei verhüllen die USA selbst etwa auf dem Gassektor gar nicht, worum es ihnen geht: nämlich vermehrt auch Europa mit Flüssiggas (LNG) zu beliefern. Vor diesem Hintergrund hat Washington das russisch-europäische GaspipelineProjekt Nord Stream 2 explizit in das große CAATS-Sanktionsgesetz vom August 2017 aufgenommen und den teilnehmenden europäischen Gasfirmen (etwa der OMV) ebenfalls Sanktionen angedroht.
Aluminium
Sind die Sanktionen auf dem Gassektor vorerst nur angedroht, so haben die USA im April den russischen Aluminiumkonzern Rusal mit dem bisher wuchtigsten Sank- tionsgesetz fast vernichtet. Sein Export brach um 70 Prozent ein, da auch europäische Länder aus Angst nicht mehr einkauften. Der Alupreis stieg um 30 Prozent, der Börsenkurs des US-Konkurrenten Alcoa schoss in die Höhe, während die Rusal-Aktie um 60 Prozent absackte. Die USA mussten allerdings bald etwas zurückrudern, weil auch US-Konzerne zu sehr unter den Preisanstiegen gelitten hatten.
Waffen und Öl
Dabei ist Rusal für den US-Sektor gar nicht der Hauptkonkurrent. Ganz anders in der Rüstungsbranche, wo Russland hinter den USA weltweit zweitgrößter Exporteur ist und wo es sich mit umfassenden US-Sanktionen konfrontiert sieht.
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI, das in Fünfjahresperioden rechnet, dokumentiert, dass die USA im Zeitraum 2013 bis 2017 ihr Exportvolumen um 25 Prozent und damit ihren globalen Marktanteil um vier Prozentpunkte auf 34 Prozent erhöht haben. Der russische Weltmarktanteil fiel hingegen um vier Prozentpunkte auf 22 Prozent, da das Exportvolumen um 7,1 Prozent sank. Wie viel davon den US-Sanktionen zuzuschreiben ist, ist Teil einer Propagandaschlacht. Faktum ist nämlich auch, dass sich der Markt ändert und etwa Russlands Hauptkunden (Indien und China) ihre Zukäufe zurückfahren.
Der US-Schlag sei langfristig konzipiert, analysiert die russische Wirtschaftszeitung RBC: Russland solle vom wichtigsten Entwicklungsmotor des Sektors abgeschnitten werden – der Teilnahme an internationalen Kooperationen.
Der Ausschluss von der Entwicklung betrifft auch den Ölsektor. Dort verhindern Sanktionen, dass Russland Zugang zur neuesten Technik bei der Offshoreförderung erhält. Die USA steigen gerade zum größten Ölförderer auf.