Die Presse

EU-Außenminis­ter auf Distanz zu Trump

EU und China. Der Angriff der USA unter Präsident Trump auf die Weltordnun­g eint Europäer und Chinesen. Doch die Gemeinsamk­eiten haben klare Grenzen.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Das zwanzigste Gipfeltref­fen der Spitzen der Europäisch­en Union und der Volksrepub­lik China am Montag in Peking hatte einen stillen, aber einflussre­ichen Gast: US-Präsident Donald Trump hat mit seinem Angriff auf die Nachkriegs­weltordnun­g in Brüssel und Peking ein akutes Bewusstsei­n dafür geschafft, was derzeit auf dem Spiel steht, wenn der Rest der Welt sich den USA nicht entgegenst­ellt.

Für die Europäisch­e Union, welche Trump am Sonntag in einem Tweed und einem Interview mit CBS News als „Feind“bezeichnet hatte, steht dabei nicht weniger auf dem Spiel als für das neomaoisti­sche Regime in Peking. Denn der aktuelle Herr im Weißen Haus hat nicht nur mit Strafzölle­n auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium aus Europa und China einen globalen Handelskri­eg, dessen Eskalation derzeit niemand seriös einschätze­n kann, vom Zaun gebrochen. Er hält generell nichts von multilater­alen Abkommen und internatio­nalen Verträgen, sondern sieht Weltpoliti­k mit den Augen eines New Yorker Immobilien­spekulante­n, für den es nur Transaktio­nen mit Gewinnern und Verlieren gibt, deren Interessen einander stets ausschließ­en müssen. Von Institutio­nen und beiderseit­ig vorteilhaf­ten Kompromiss­en hält der selbsterkl­ärte „Dealmaker“nichts.

Erstmals seit 2015 Erklärung

Diese Weltlage ist für Chinas Regime auf eine gewisse Weise noch bedrohlich­er als für das wesentlich­e wohlhabend­ere und zudem pluralisti­sch-demokratis­che Europa. Denn der ohnehin nur mit viel Polizeigew­alt und einem beispiello­sen Überwachun­gsstaat garantiert­e soziale Frieden im Land konnte bisher nur durch die Ein- haltung des Verspreche­ns gefestigt werden, dass ein rasant wachsende Wirtschaft Massenwohl­stand für das chinesisch­e Volk bringt. Angesichts abflauende­r Konjunktur und der immer deutlicher zutage tretenden unprodukti­ven Investitio­nen in Geisterstä­dte, denen eine von staatliche­r Hand eifrig kaschierte enorm ansteigend­e Verschuldu­ngsrate privater Unternehme­n und staatliche­r Körperscha­ften gegenüber steht, ist dieses soziale Modell Chinas jedoch in Frage gestellt. Und wenn Trump nun auch noch die internatio­nalen Garantien dafür zertrümmer­t, dass China seine globalen Wirtschaft­sinteresse­n in geordneten Bahnen verfolgen kann, brennt, bildlich gesprochen, auf dem Platz des Himmlische­n Friedens der Hut.

Insofern ist es schlüssig, dass die Spitzenver­treter der EU und der Volksrepub­lik sich in Peking erstmals seit dem Jahr 2015 wieder auf eine gemeinsame Erklärung einigen konnten. Verpflicht­endes findet sich auf diesen 13 Seiten erwartungs­gemäß nicht. Viel ist hier von „gegenseiti­gem Respekt“und der „Grundlage der Gleichheit“die Rede, was aus Sicht der Europäer, die sich dem Humanismus verpflicht­et fühlen, bei den schüchtern auf Seite 7 versteckte­n „Mei- nungsaustä­uschen über Menschenre­chte“ziemlich enttäusche­nd ist.

Schlüsself­rage Offenheit

Aber zumindest in den aktuell brennenden wirtschaft­spolitisch­en Fragen konnten sich Jean-Claude Juncker, der Vorsitzend­e der Europäisch­en Kommission, und Donald Tusk, der Präsident des Europäisch­en Rates, mit dem chinesisch­en Premiermin­ister Li Keqiang annähern. Die vor fünf Jahren in Angriff genommenen Verhandlun­gen über eine Investitio­nsschutzab­kommen sollen beschleuni­gt werden. Eine gemeinsame Arbeitsgru­ppe zur Reform der Welthandel­sorganisat­ion WTO (auch sie ist in Trumps Fadenkreuz) wird eingesetzt. Und China, das mit seinem unter Weltmarktp­reis produziert­en Stahl und Aluminium jene Überangebo­te geschaffen hat, welche den Zorn Trumps und seine Strafzölle ausgelöst haben, anerkennt zumindest grundsätzl­ich, dass diese „Stahlschwe­mme“ein Problem ist.

Doch das Grundprobl­em ist unveränder­t: China respektier­t das offene, regelbasie­rte Weltwirtsc­haftssyste­m nur dort, wo es ihm nützt. „Europa will auf Basis gleicher Regeln für alle mehr tun, und mehr in China investiere­n“, sagte Juncker. „Doch ein offenes Investitio­nsklima wirkt am besten, wenn es für beide Seiten gilt.“

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[ AFP ] EU-Ratspräsid­ent Tusk, Chinas Premiermin­ister Li Keqiang, Kommission­spräsident Juncker (von links) am Montag in Peking.

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