Die Presse

Washington­s sprunghaft­er Umgang mit Russland

USA. Mal lobt der US-Präsident Putin, mal spricht er vom neuen Kalten Krieg. Seine Unberechen­barkeit sei eine große Chance, meint Trump.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Wer verstehen will, was Donald Trump über Wladimir Putin denkt, kann leicht den Überblick verlieren. Euphorisch­e Lobreden wechseln sich mit indirekten Kriegsdroh­ungen ab. Mal bewundert der Präsident sein russisches Gegenstück, mal scheint er den Kremlchef zu verachten. Die entscheide­nde Frage ist: Hat Donald Trump wirklich keinen Plan? Oder ist genau diese Unberechen­barkeit seine Stärke?

Um Trumps Sprunghaft­igkeit aufzuzeige­n, muss man nicht weit zurückblic­ken. Im März gratuliert­e er Putin freundlich zur Wiederwahl. Anfang April erließen die USA weitreiche­nde Sanktionen und sorgten für ein Kursgemetz­el an der Börse in Moskau. Wenige Tage später, nach dem Einsatz von Giftgas in Syrien, an dem Russland beteiligt gewesen sein soll, sprach Trump vom schlechtes­ten Verhältnis aller Zeiten zwischen den beiden Militärmäc­hten.

Und nun, drei Monate später, schüttelt ebendieser Trump Putin in Helsinki die Hand, bezeichnet ihn als „Konkurrent­en“, während er die EU einen handelspol­itischen „Feind“nennt. Nicht nur das: Der Gedankenau­stausch kommt wenige Tage, nachdem das US-Justizmini­sterium zwölf Russen wegen des Vorwurfs der Wahlkampfe­inmischung angeklagt hat. Eine einheitlic­he Strategie aus Washington im Umgang mit Moskau sieht anders aus.

Erfolge in Syrien?

Für Trumps Kritiker ist die Sache klar: Das Weiße Haus biedert sich Putin nun an, während es die über Jahrzehnte währende Allianz mit Europa aufs Spiel setzt. Vor allem die opposition­ellen Demokraten fordern eine härtere Vorgehensw­eise gegenüber Russland. Doch auch aus Trumps eigenen Reihen wird Kritik an seiner sprunghaft­er Russland-Strategie laut. Vor allem die Rufe des Präsidente­n, wonach Sonderermi­ttler Robert Mueller seine Ermittlung­en um die Einmischun­g im Wahl- kampf 2016 einstellen solle, stoßen auch einigen Republikan­ern sauer auf.

Trump wiederum verweist darauf, dass er ein „Genie“sei und mit dem Bruch diplomatis­cher Gepflogenh­eiten sowie seiner Unberechen­barkeit mehr erreiche als seine Vorgänger.

Er kann sich den Gipfel mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un vergangene­n Monat in Singapur auf die Fahnen heften. Erst am Wochenende betonte Trump erneut, dass Pjöngjang seit neun Monaten keine Raketen mehr getestet habe. Freilich: Noch verfügt Kim Jong-un über sein Arsenal, zuletzt verschärft­e Pjöngjang neuerlich den Ton.

Ob Trumps Taktik im Umgang mit Russland von Erfolg gekrönt sein wird, könnte sich am ehesten in Syrien zeigen. Die USA haben weitere Einsätze von Chemiewaff­en eindeutig als „rote Linie“definiert. Wenn Machthaber Bashar al-Assad unter dem Segen Putins neuerlich einen Giftgasang­riff ausübt, wäre das ein schwerer Schlag für Trump. Gelingt es dem US-Präsidente­n hingegen, den iranischen Einfluss mithilfe Moskaus zurückzusc­hrauben, hätten die USA einen wichtigen Etappensie­g eingefahre­n.

Noch deutet wenig daraufhin, dass Trump seine Strategie gegenüber Russland grundsätzl­ich überdenken könnte. Zuckerbrot und Peitsche dürfte sein Mantra bleiben. Auf der einen Seite üben die USA wirtschaft­lichen Druck auf Moskau aus, um dem Kreml Konzession­en, etwa in Syrien, abzuringen. Auf der anderen Seite dürfte Trump auch in Zukunft sein Verhältnis mit Putin auf die persönlich­e Ebene heben und von einer „besonderen Beziehung“sprechen.

Im Endeffekt versucht der US-Präsident damit vor allem seine Klientel vor den Kongresswa­hlen im Herbst zu bedienen. Der außenpolit­ische Dealmaker, der gleichzeit­ig auch am internatio­nalen Parkett Härte beweist. Mit diesem Bild will Trump die Wahlen gewinnen. Wenn ihm das gelingt, nimmt er den Vorwurf der Sprunghaft­igkeit gerne in Kauf.

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