Washingtons sprunghafter Umgang mit Russland
USA. Mal lobt der US-Präsident Putin, mal spricht er vom neuen Kalten Krieg. Seine Unberechenbarkeit sei eine große Chance, meint Trump.
New York. Wer verstehen will, was Donald Trump über Wladimir Putin denkt, kann leicht den Überblick verlieren. Euphorische Lobreden wechseln sich mit indirekten Kriegsdrohungen ab. Mal bewundert der Präsident sein russisches Gegenstück, mal scheint er den Kremlchef zu verachten. Die entscheidende Frage ist: Hat Donald Trump wirklich keinen Plan? Oder ist genau diese Unberechenbarkeit seine Stärke?
Um Trumps Sprunghaftigkeit aufzuzeigen, muss man nicht weit zurückblicken. Im März gratulierte er Putin freundlich zur Wiederwahl. Anfang April erließen die USA weitreichende Sanktionen und sorgten für ein Kursgemetzel an der Börse in Moskau. Wenige Tage später, nach dem Einsatz von Giftgas in Syrien, an dem Russland beteiligt gewesen sein soll, sprach Trump vom schlechtesten Verhältnis aller Zeiten zwischen den beiden Militärmächten.
Und nun, drei Monate später, schüttelt ebendieser Trump Putin in Helsinki die Hand, bezeichnet ihn als „Konkurrenten“, während er die EU einen handelspolitischen „Feind“nennt. Nicht nur das: Der Gedankenaustausch kommt wenige Tage, nachdem das US-Justizministerium zwölf Russen wegen des Vorwurfs der Wahlkampfeinmischung angeklagt hat. Eine einheitliche Strategie aus Washington im Umgang mit Moskau sieht anders aus.
Erfolge in Syrien?
Für Trumps Kritiker ist die Sache klar: Das Weiße Haus biedert sich Putin nun an, während es die über Jahrzehnte währende Allianz mit Europa aufs Spiel setzt. Vor allem die oppositionellen Demokraten fordern eine härtere Vorgehensweise gegenüber Russland. Doch auch aus Trumps eigenen Reihen wird Kritik an seiner sprunghafter Russland-Strategie laut. Vor allem die Rufe des Präsidenten, wonach Sonderermittler Robert Mueller seine Ermittlungen um die Einmischung im Wahl- kampf 2016 einstellen solle, stoßen auch einigen Republikanern sauer auf.
Trump wiederum verweist darauf, dass er ein „Genie“sei und mit dem Bruch diplomatischer Gepflogenheiten sowie seiner Unberechenbarkeit mehr erreiche als seine Vorgänger.
Er kann sich den Gipfel mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un vergangenen Monat in Singapur auf die Fahnen heften. Erst am Wochenende betonte Trump erneut, dass Pjöngjang seit neun Monaten keine Raketen mehr getestet habe. Freilich: Noch verfügt Kim Jong-un über sein Arsenal, zuletzt verschärfte Pjöngjang neuerlich den Ton.
Ob Trumps Taktik im Umgang mit Russland von Erfolg gekrönt sein wird, könnte sich am ehesten in Syrien zeigen. Die USA haben weitere Einsätze von Chemiewaffen eindeutig als „rote Linie“definiert. Wenn Machthaber Bashar al-Assad unter dem Segen Putins neuerlich einen Giftgasangriff ausübt, wäre das ein schwerer Schlag für Trump. Gelingt es dem US-Präsidenten hingegen, den iranischen Einfluss mithilfe Moskaus zurückzuschrauben, hätten die USA einen wichtigen Etappensieg eingefahren.
Noch deutet wenig daraufhin, dass Trump seine Strategie gegenüber Russland grundsätzlich überdenken könnte. Zuckerbrot und Peitsche dürfte sein Mantra bleiben. Auf der einen Seite üben die USA wirtschaftlichen Druck auf Moskau aus, um dem Kreml Konzessionen, etwa in Syrien, abzuringen. Auf der anderen Seite dürfte Trump auch in Zukunft sein Verhältnis mit Putin auf die persönliche Ebene heben und von einer „besonderen Beziehung“sprechen.
Im Endeffekt versucht der US-Präsident damit vor allem seine Klientel vor den Kongresswahlen im Herbst zu bedienen. Der außenpolitische Dealmaker, der gleichzeitig auch am internationalen Parkett Härte beweist. Mit diesem Bild will Trump die Wahlen gewinnen. Wenn ihm das gelingt, nimmt er den Vorwurf der Sprunghaftigkeit gerne in Kauf.