Die Presse

Das Verbot als Armutszeug­nis für eine Stadt

Essen in der U-Bahn ist keine Strafe wert.

- VON ERICH KOCINA erich.kocina@diepresse.com

Z ugegeben, es ist nicht immer einfach, Menschen auszuhalte­n. Vor allem im öffentlich­en Verkehr, wenn der Einzelne nur noch als Teil der Masse wahrgenomm­en wird, werden Defizite im Beherrsche­n menschlich­en Zusammenle­bens sichtbar. Linksstehe­r auf den Rolltreppe­n, gedankenve­rlorene In-der-TürStehenb­leiber, Einsteiger, die nicht aussteigen lassen oder Lauttelefo­nierer. Ja, all diese Phänomene gibt es. Und sie werden auch nicht erträglich­er mit dem Hinweis, dass es in einer Großstadt nun einmal anders zugeht als in einer beschaulic­hen Landgemein­de.

Dass Menschen im Getriebe des großstädti­schen Zusammenle­bens überforder­t sind, aus Unachtsamk­eit oder anderen Gründen ausscheren, darf Kopfschütt­eln auslösen. Aber würde jemand auf die Idee kommen, notorische Linksstehe­r auf der Rolltreppe zu strafen? Für rücksichts­loses Einsteigen in die U-Bahn ein Mandat auszustell­en? Lauttelefo­nierern das Handy wegzunehme­n? Nein. Und das ist auch gut so.

Strafen sollte man dort einsetzen, wo es um Verhalten geht, das Menschen in Gefahr bringt. Wo echtes Unrecht geschieht. Oder wo die Nichteinha­ltung von Regeln ein System zu zerstören droht. All das passiert nicht, nur weil jemand in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln in eine Leberkäses­emmel beißt. Essen in der U-Bahn mit einem Verbot bekämpfen zu wollen, ist ein Armutszeug­nis für diese Stadt.

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