Die Kulturkämpfer können auch den Sport nicht lassen
Es
ist erstaunlich: So sehr sich Links- und Rechtsextreme auch hassen mögen, teilen sie quintessenziell ein Menschenbild – und zwar eines, das Individualität und freie Entscheidungsfähigkeit verneint. Der Mensch bleibt in dieser gemeinsamen Sichtweise nicht nur, was er ist. Es ist ihm sogar gleichsam biologisch unmöglich, Herr oder Herrin des eigenen Schicksals zu werden, weil der eigene Platz in der Welt davon bestimmt wird, welche Hautfarbe man hat.
Diese Verschmelzung der weltanschaulichen Extreme kann man beispielhaft an der französischen Fußballnationalmannschaft beobachten. Ein nüchterner Betrachter würde den Umstand, dass viele der französischen Spieler dunkler Hautfarbe und/oder moslemischen Glaubens sind, schlicht und ohne Welterklärungsanspruch als Phänomen einer Einwanderungsnation zur Kenntnis nehmen (übrigens wird in diesem Zusammenhang oft auf die spanischen Wurzeln der Mannschaftsstützen Hugo Lloris und Lucas Hernandez´ vergessen). Ganz links und ganz rechts außen hingegen kommt man mit seinen Mitmenschen offenkundig nicht zurecht, ohne sie ins Prokrustesbett der eigenen Verbohrtheit zu zwängen. Und so dekretiert man von links, Frankreich sei „das letzte afrikanische Team“bei der WM gewesen, woraus sich antirassistische Pflichtübungen der Nation ableiteten. Von rechts außen wiederum fühlt man sich bemüßigt, auf Twitter den Spielern mit afrikanischer Familiengeschichte die Fähnchen der betreffenden Staaten beizustellen und höhnisch zu fragen: Gegen welches Land spielen wir heute?
Der französische Schriftsteller Olivier Guez, der für die Zeitung „Le Monde“während der WM kluge Kolumnen aus Russland schickte, hatte in einer solchen das geistige Kühlmittel für solche Erhitzungen parat: „Ich habe den Fußball stets als metaphysische Pause betrachtet.“Mehr aufs Spiel schauen, weniger hineindeuten: Dann macht demnächst vielleicht sogar die österreichische Bundesliga wieder Spaß.