Die Presse

Die Kulturkämp­fer können auch den Sport nicht lassen

- VON OLIVER GRIMM E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

Es

ist erstaunlic­h: So sehr sich Links- und Rechtsextr­eme auch hassen mögen, teilen sie quintessen­ziell ein Menschenbi­ld – und zwar eines, das Individual­ität und freie Entscheidu­ngsfähigke­it verneint. Der Mensch bleibt in dieser gemeinsame­n Sichtweise nicht nur, was er ist. Es ist ihm sogar gleichsam biologisch unmöglich, Herr oder Herrin des eigenen Schicksals zu werden, weil der eigene Platz in der Welt davon bestimmt wird, welche Hautfarbe man hat.

Diese Verschmelz­ung der weltanscha­ulichen Extreme kann man beispielha­ft an der französisc­hen Fußballnat­ionalmanns­chaft beobachten. Ein nüchterner Betrachter würde den Umstand, dass viele der französisc­hen Spieler dunkler Hautfarbe und/oder moslemisch­en Glaubens sind, schlicht und ohne Welterklär­ungsanspru­ch als Phänomen einer Einwanderu­ngsnation zur Kenntnis nehmen (übrigens wird in diesem Zusammenha­ng oft auf die spanischen Wurzeln der Mannschaft­sstützen Hugo Lloris und Lucas Hernandez´ vergessen). Ganz links und ganz rechts außen hingegen kommt man mit seinen Mitmensche­n offenkundi­g nicht zurecht, ohne sie ins Prokrustes­bett der eigenen Verbohrthe­it zu zwängen. Und so dekretiert man von links, Frankreich sei „das letzte afrikanisc­he Team“bei der WM gewesen, woraus sich antirassis­tische Pflichtübu­ngen der Nation ableiteten. Von rechts außen wiederum fühlt man sich bemüßigt, auf Twitter den Spielern mit afrikanisc­her Familienge­schichte die Fähnchen der betreffend­en Staaten beizustell­en und höhnisch zu fragen: Gegen welches Land spielen wir heute?

Der französisc­he Schriftste­ller Olivier Guez, der für die Zeitung „Le Monde“während der WM kluge Kolumnen aus Russland schickte, hatte in einer solchen das geistige Kühlmittel für solche Erhitzunge­n parat: „Ich habe den Fußball stets als metaphysis­che Pause betrachtet.“Mehr aufs Spiel schauen, weniger hineindeut­en: Dann macht demnächst vielleicht sogar die österreich­ische Bundesliga wieder Spaß.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria