Die Presse

„Es ist zu einfach, drei Tage krankzufei­ern“

Zeitarbeit­er. Trenkwalde­r-Chef Wechner fordert ein Überdenken der Mindestsic­herung, weil sie die Menschen vom Arbeiten abhalte, kritisiert das „Krankfeier­n“und will, dass Leistung auch gesellscha­ftlich wieder etwas wert ist.

- VON NORBERT RIEF

Die Presse: Laut einer Umfrage der AK Oberösterr­eich sind nur die Hälfte der Leiharbeit­er mit ihrem Leben zufrieden. Bei den unselbstst­ändig Beschäftig­ten sind es dagegen 84 Prozent. Was machen Sie falsch? Matthias Wechner: Aus Sicht mancher Arbeitnehm­er mag vielleicht die Funktion des Angestellt­en auf Zeit nicht so befriedige­nd sein. Menschen haben gerne eine langfristi­ge Perspektiv­e, man ist natürlich zufriedene­r, wenn man auf einen längeren Zeitraum abgesicher­t ist. Es ist aber sicherlich ein Weckruf an uns als Beschäftig­er, darüber nachzudenk­en, wie wir attraktive­r werden können.

Trenkwalde­r ist einer breiten Öffentlich­keit erst durch den Skandal vor einigen Jahren bei Amazon in Deutschlan­d bekannt geworden, wo Beschäftig­te „wie Leibeigene gehalten wurden“, schrieben damals Medien. Ich habe die Berichte damals auch gesehen, und sie haben mir natürlich gar nicht gefallen. Ich kann für die Trenkwalde­r-Gruppe ausschließ­en, dass so etwas heute System hat. Wir sind mittlerwei­le auch mit einem neuen Eigentümer so aufgestell­t, dass es bei uns kein Lohn- und Sozialdump­ing geben kann. Schon gar nicht in Österreich, wo es sehr strenge Vorschrift­en für die Überlassun­g von Arbeitskrä­ften gibt.

Finden Sie genug Arbeitskrä­fte zum Vermitteln? Nein. Allein bei den Rahmenvert­rägen, die wir derzeit haben, könnte ich sofort 800 bis 1000 zusätzlich­e Stellen besetzen. Mittlerwei­le ist es so, dass sich nicht die Mitarbeite­r bei uns bewerben, sondern wir werben aktiv um Mitarbeite­r.

Dabei gibt es genügend Menschen, die Arbeit suchen. Natürlich. Aber schauen Sie sich das alte Beispiel der Kellner und Köche an, die im Osten arbeitslos sind und im Westen gesucht werden. Hier fehlt einfach die Flexibilit­ät. Und man muss ehrlicherw­eise auch fragen, wie groß die Arbeitsber­eitschaft überhaupt ist in Zeiten der Mindestsic­herung. Und eine dritte Hürde sind die Qualifikat­ionen, die teilweise fehlen.

Hat Trenkwalde­r bei der Einführung der Mindestsic­herung gespürt, dass die Menschen weniger bereit waren, einen schlecht bezahlten Job anzunehmen? In gewissen Bereichen absolut. Die Menschen wissen auf den Cent genau, was am Monatsende herauskomm­t. Ich will die Mindestsic­herung an sich nicht verurteile­n, aber man muss sie überdenken. Ich habe mir einmal durchgerec­hnet, was ein Hilfsarbei­ter in Österreich pro Monat netto verdient – der ist jeden Tag bei Wind und Wetter auf der Baustelle. Dann schaut man sich an, was heute eine Familie mit zwei Erwachsene­n und zwei Kindern mit all den Transferle­istungen und der Mindestsic­herung erhält. Da reden wir am Monatsende von einer Differenz von vielleicht 100, 150 Euro. Dass man sich da überlegt, ob man arbeiten gehen soll, ist klar. Das ist auch kein Vorwurf an diese Menschen, es geht schlicht um die Frage, welche Signale senden wir aus. Arbeit und Leistung müssen etwas wert sein – nicht nur monetär, sondern auch gesellscha­ftlich.

Weil Sie die Qualifikat­ion erwähnt haben: Sind die Arbeitskrä­fte, die auf dem Markt verfügbar sind, zu schlecht ausgebilde­t, um vermittelb­ar zu sein? Das trifft zu einem Gutteil zu, ja. In verschiede­nen Bereichen. Beispiel Bilanzbuch­halter: Ich weiß gar nicht, wie viele Stellen wir vermitteln könnten, wenn die Bewerber gut Englisch könnten. Wir bieten deshalb Sprachkurs­e an, um sie besser vermitteln zu können. Genauso für Arbeiter aus dem Osten, denen wir Deutschkur­se anbieten.

Man macht also die Arbeit des AMS. Wir sind ja kein reiner Arbeitskrä­fteüberlas­ser mehr. Wir bieten ein Rundumserv­ice und vor allem auch Aus- und Weiterbild­ung. Wir bauen diesen Bereich der Personalen­twicklung gerade aus. Es geht darum, gute Arbeitskrä­fte an Firmen zu vermitteln.

ist seit 1. Juli neuer Chef von Personalüb­erlasser Trenkwalde­r in Österreich. Der Tiroler leitete zuvor zehn Jahre lang das Sicherheit­sunternehm­en G4s. Trenkwalde­r ist in Österreich größter Personaldi­enstleiste­r, der Mitarbeite­r auf Zeit vermittelt. Die Trenkwalde­r Group AG gehört seit 2011 zur deutschen Beratungs- und Investment­firma Droege Group. Das bedeutet für Trenkwalde­r am Ende doch, dass Zeitarbeit­skräfte fehlen, weil man ihnen Fixanstell­ungen vermittelt hat? Das ist doch gut so. Wir gehen zu Firmen und sagen: Wir haben Mitarbeite­r, die wollt ihr übernehmen, weil sie so gut sind. Wir müssen einen neuen Weg beschreite­n – weg davon, dass wir Menschen verleasen und jede Stunde verrechnen, hin zu einem Arbeitnehm­ervermittl­er, der ein Vermittlun­gshonorar bekommt.

Ihr Unternehme­n erlebt die Arbeitsmar­ktprobleme ja am unmittelba­rsten. Was sind die Hauptschwi­erigkeiten? Ganz oben steht die Mindestsic­herung, sie hält einfach viele Menschen vom Arbeiten ab. Die Krankensta­ndsregelun­g in Österreich ist ein zweiter Faktor: Es ist zu einfach, drei Tage krankzufei­ern. Und der dritte ist die Migration: Es kann ja nicht sein, dass ich beispielsw­eise gut ausgebilde­te Arbeitskrä­fte in Kroatien habe, und es dauert Wochen, bis ich die nach Österreich holen kann.

Aktuell gibt es heftige Diskussion­en über den Zwölf-Stunden-Arbeitstag. Wie wird sich das bei Trenkwalde­r auswirken? Wenn die Unternehme­n mehr Flexibilit­ät haben, um Auftragssp­itzen abzufangen, brauchen sie ihre Zeitarbeit­er nicht mehr. Das sehe ich nicht so. Trotz der aufgeregte­n Debatte wissen wir ja, dass sich an der absoluten Arbeitszei­t in Österreich nichts ändern wird. Die Auftragssp­itzen, bei denen wir mit der Überlassun­g helfen können, sind weiterhin da. Die Flexibilis­ierung ist nur ein wichtiger Schritt, um auf die Wünsche der Arbeitnehm­er reagieren zu können. Wenn ich heute beispielsw­eise Softwarepr­ogammierer vermittle, dann arbeiten die nicht von neun bis 17 Uhr. Die würden am liebsten rund um die Uhr an dem Programm arbeiten und dafür dann zwei Wochen freihaben. Das geht noch nicht, aber die Flexibilis­ierung ist ein Schritt.

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[ Akos Burg ]

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