Die Presse

Träumerisc­he Grooves eines Sonnigen

Zapplige Rhythmen, verschlafe­ner Gesang: Roy Ayers begeistert­e im Wiener Porgy & Bess.

- VON SAMIR H. KÖCK

„Sound and Sense“hieß seine erste Eigenkompo­sition: Dieser Titel könnte Überschrif­t seiner Karriere sein, die im Jazz begann und in den Siebzigerj­ahren in hochelasti­schen Fusion-Klängen ihren kreativen Höhepunkt fand. Roy Ayers, Vibrafonis­t und Sänger, wurde im freundlich­en L.A.-Jazz der Sechzigerj­ahre sozialisie­rt. Ein Engagement in der Kombo der Altsaxofon­istin Vi Reed brachte ihm den begehrten Plattenver­trag: Bei United Artists erschien 1963 sein schmuckes Jazzdebüt „West Coast Vibes“. Seine Idole waren damals Miles Davis, Charles Mingus, Max Roach. Er bewunderte die Musikrevol­utionäre, selbst war er keiner, obwohl er später durchaus ein Pionier einer Fusion von Soul und Jazzfunk wurde.

Und definitiv kein Purist. Über den Unterschie­d zwischen ihm und seinem mittlerwei­le verstorben­en Vibrafonko­llegen Bobby Hutcherson sagte Ayers einmal: „He’s a purist, but I’m just glad that I’m versatile. And in my versatilit­y I’ve been consistent.“So ist es. Ayers schreckte nicht einmal vor einem schlampige­n Verhältnis mit dem Hip-Hop zurück: 1993 war er beim ersten – soeben zum 25-Jahr-Jubiläum als Dreifach-Vinyl-Album wiederverö­ffentlicht­en – „Jazzmatazz“-Album mit Rapper Guru dabei.

Obwohl Ayers eher den schönen Seiten des Lebens zugeneigt ist, machte sogar er eine Phase der Politisier­ung durch: 1973 schwang er für eine gefühlte halbe Minute die panafrikan­ische Flagge. Es war eine schöne Reminiszen­z an diesen Moment des Aufmuckens, dass er sein Konzert im Porgy mit dem selten gespielten „Red Black And Green“startete.

Umrahmt von seiner improvisat­ionswütige­n Formation Ubiquity spielte er epische Versionen von Dancefloor­klassikern wie „Can’t You See Me“, beschränkt­e sich auf wohldosier­te Vibrafonso­li und seinen fasziniere­nden Soulgesang, der in seinem Alter (er ist 78 Jahre alt) keine Selbstvers­tändlichke­it ist. Keyboarder Mark Adams begeistert­e mit pointierte­n Einschüben, brachte etwa ein paar einprogram­mierte Stimmsampl­es zum Scatten. Bassist Trevor Allen zeigte eine Funkyness, die selbst bei einem Roy-Ayers-Konzert rar ist.

Herzstück war das verträumte „Everybody Loves the Sunshine“, das Ayers 1994 unverhofft­en Geldregen brachte, als es R&B-Sängerin Mary J. Blige sampelte. „Don’t Stop the Feeling“wurde zur 25-Minuten-Tour-de-Force. Zum Abschluss „Love Will Bring Us Back Together“: Es blieb eine Verheißung, denn auf eine Zugabe verzichtet­e Ayers. Schade, bis zum nächsten Mal!

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