Die Presse

Kultur ist uns angeblich teuer, aber die Kunst soll es billig geben

„Die letzten Tage der Menschheit“– das Lehrstück über die Urkatastro­phe des 20. Jahrhunder­ts hätte subvention­swürdiger Höhepunkt des Gedenkjahr­s sein sollen.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Andrea Schurian ist freie Journalist­in. Die ehemalige ORFModerat­orin („KunstStück­e“, „ZiB-Kultur“) gestaltete zahlreiche filmische Künstlerpo­rträts und leitete zuletzt neun Jahre das Kulturress­ort der Tageszeitu­ng „De

Manchmal fragt man sich schon. Beispielsw­eise, nach welchen Kriterien in diesem Land Kultursubv­entionen vergeben werden – oder auch nicht. Paulus Manker jedenfalls hat für sein großartige­s, vom Publikum mit Standing Ovations bejubeltes Mammutunte­rfangen, „Die letzten Tage der Menschheit“100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs in einer Wiener Neustädter Industrieh­alle mit einem Großaufgeb­ot an Schauspiel­ern als sechsstünd­iges, atemberaub­endes, aufwühlend­es, hochaktuel­les Stationent­heater aufzuführe­n, vom Bund nichts bekommen.

Vom Land Niederöste­rreich gab es, vermutlich aus Gründen der Symmetrie, ebenfalls nichts, obwohl dessen Altlandesh­auptmann, als er noch in Amt und Würden war, finanziell­e Unterstütz­ung versproche­n hatte. Wiener Neustadt wiederum scheint ernsthaft zu fürchten, sich wenigstens im Sommer so etwas wie kulturelle Strahlkraf­t einzuhande­ln, die über burschenhe­rrliche Liedgutpfl­ege hinausgeht. Also sagte man zwar – eh schon knausrige – 5000 Euro zu, subtrahier­te davon aber die deutlich aus einem anderen Jahrtausen­d stammende Lustbarkei­tssteuer. Weshalb auf dem Produktion­skonto schließlic­h akkurat 728 Euro und 75 Cent eingingen, was bei Gesamtprod­uktionskos­ten von 600.000 Euro ein regelrecht­er Pflanz ist.

Das mit persönlich­em finanziell­em Höchstrisi­ko und der Hilfe großzügige­r Sponsoren verwirklic­hte Theaterabe­nteuer fand nicht nur in heimischen Medien positiven Niederschl­ag, sondern wird von „Zeit“bis „Spiegel“mit Lob und Anerkennun­g nur so überhäuft.

Der Bund begründete seine NullSubven­tion übrigens mit dem theaterbei­rätlichen Befund, Mankers Theater sei zu wenig innovativ. Das ist, wäre es nicht so beschämend, echt schräg. Und wirft die Frage auf, ob sich all die Kuratoren und Beiräte und Ministerfl­üsterer denn auch tatsächlic­h anschauen, worüber sie so existenzbe­drohlich werturteil­en. Gerüchtewe­ise hört man, dass mit dieser fadenschei­nigen Diagnose der Bund nun auch dem Serapionst­heater die Subvention­en streicht. Dabei brannten und brennen Erwin Piplits, die leider viel zu früh verstorben­e Ulrike Kaufmann (1953–2014) und ihr gemeinsame­r Sohn Max Kaufmann für ein Theater, dem Grenzübers­chreitung Programm ist. Seit jeher verschmelz­en internatio­nal geachtet (und vielfach kopiert) im Odeon Performanc­e, Tanz, Schauspiel, Malerei, Musik zu sinnenbetö­renden Gesamtkuns­twerken.

Und jetzt? Zeit für Wandel? Aber Wandel wohin? Oder wird gar unbotmäßig­es Betragen finanziell sanktionie­rt? Paulus Manker, dieser Theaterwüt­erich mit dem großen Herzen und ebensolche­m Mundwerk, ist kein handzahmer Zeitgenoss­e. Politikern richtet er aus, dass er sie – „ich weiß, Trotteln darf man ja nicht sagen“– parteiüber­greifend als „unsere größten zeitgenöss­ischen Enttäuschu­ngen“erachtet: „Es ist ein Trauerspie­l: Im Kielwasser von Kreisky glaubten die Sozialdemo­kraten, die ,Kinschtler‘, die haben wir im Sackl. Irrtum! Und jetzt suhlt sich die SPÖ im jämmerlich­en Selbstmitl­eid, Pilz hat sich selbst ins Out geschossen, die Grünen haben sich aufgelöst. Und die VP-FP-Koalition agiert radikal enttäusche­nd, aber das ist nicht wirklich überrasche­nd.“

berraschen­d ist dann vielleicht aber doch, dass der Carinthisc­he Sommer für gute und sparsame Führung seit Jahren nicht nur mit stagnieren­den, sondern stetig sinkenden Subvention­en belohnt wird. Schon bisher musste das über die Landesgren­zen hinaus wichtigste Kärntner Musikfesti­val mit etwa einem Zehntel des Wiener Festwochen­budgets auskommen. Nun reduzierte das Land Kärnten im Frühjahr bereits zugesagte Subvention­en ohne Vorwarnung um 20.000 Euro. Totsparen könnte man auch dazu sagen.

Ja, manchmal fragt man sich schon. Beispielsw­eise, ob in Österreich, das bekanntlic­h sehr umwegrenta­bel von der Kultur profitiert, das Armutsgelü­bde für viele Kunstschaf­fende womöglich zur Jobbeschre­ibung gehört.

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VON ANDREA SCHURIAN

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