Kultur ist uns angeblich teuer, aber die Kunst soll es billig geben
„Die letzten Tage der Menschheit“– das Lehrstück über die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts hätte subventionswürdiger Höhepunkt des Gedenkjahrs sein sollen.
Manchmal fragt man sich schon. Beispielsweise, nach welchen Kriterien in diesem Land Kultursubventionen vergeben werden – oder auch nicht. Paulus Manker jedenfalls hat für sein großartiges, vom Publikum mit Standing Ovations bejubeltes Mammutunterfangen, „Die letzten Tage der Menschheit“100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs in einer Wiener Neustädter Industriehalle mit einem Großaufgebot an Schauspielern als sechsstündiges, atemberaubendes, aufwühlendes, hochaktuelles Stationentheater aufzuführen, vom Bund nichts bekommen.
Vom Land Niederösterreich gab es, vermutlich aus Gründen der Symmetrie, ebenfalls nichts, obwohl dessen Altlandeshauptmann, als er noch in Amt und Würden war, finanzielle Unterstützung versprochen hatte. Wiener Neustadt wiederum scheint ernsthaft zu fürchten, sich wenigstens im Sommer so etwas wie kulturelle Strahlkraft einzuhandeln, die über burschenherrliche Liedgutpflege hinausgeht. Also sagte man zwar – eh schon knausrige – 5000 Euro zu, subtrahierte davon aber die deutlich aus einem anderen Jahrtausend stammende Lustbarkeitssteuer. Weshalb auf dem Produktionskonto schließlich akkurat 728 Euro und 75 Cent eingingen, was bei Gesamtproduktionskosten von 600.000 Euro ein regelrechter Pflanz ist.
Das mit persönlichem finanziellem Höchstrisiko und der Hilfe großzügiger Sponsoren verwirklichte Theaterabenteuer fand nicht nur in heimischen Medien positiven Niederschlag, sondern wird von „Zeit“bis „Spiegel“mit Lob und Anerkennung nur so überhäuft.
Der Bund begründete seine NullSubvention übrigens mit dem theaterbeirätlichen Befund, Mankers Theater sei zu wenig innovativ. Das ist, wäre es nicht so beschämend, echt schräg. Und wirft die Frage auf, ob sich all die Kuratoren und Beiräte und Ministerflüsterer denn auch tatsächlich anschauen, worüber sie so existenzbedrohlich werturteilen. Gerüchteweise hört man, dass mit dieser fadenscheinigen Diagnose der Bund nun auch dem Serapionstheater die Subventionen streicht. Dabei brannten und brennen Erwin Piplits, die leider viel zu früh verstorbene Ulrike Kaufmann (1953–2014) und ihr gemeinsamer Sohn Max Kaufmann für ein Theater, dem Grenzüberschreitung Programm ist. Seit jeher verschmelzen international geachtet (und vielfach kopiert) im Odeon Performance, Tanz, Schauspiel, Malerei, Musik zu sinnenbetörenden Gesamtkunstwerken.
Und jetzt? Zeit für Wandel? Aber Wandel wohin? Oder wird gar unbotmäßiges Betragen finanziell sanktioniert? Paulus Manker, dieser Theaterwüterich mit dem großen Herzen und ebensolchem Mundwerk, ist kein handzahmer Zeitgenosse. Politikern richtet er aus, dass er sie – „ich weiß, Trotteln darf man ja nicht sagen“– parteiübergreifend als „unsere größten zeitgenössischen Enttäuschungen“erachtet: „Es ist ein Trauerspiel: Im Kielwasser von Kreisky glaubten die Sozialdemokraten, die ,Kinschtler‘, die haben wir im Sackl. Irrtum! Und jetzt suhlt sich die SPÖ im jämmerlichen Selbstmitleid, Pilz hat sich selbst ins Out geschossen, die Grünen haben sich aufgelöst. Und die VP-FP-Koalition agiert radikal enttäuschend, aber das ist nicht wirklich überraschend.“
berraschend ist dann vielleicht aber doch, dass der Carinthische Sommer für gute und sparsame Führung seit Jahren nicht nur mit stagnierenden, sondern stetig sinkenden Subventionen belohnt wird. Schon bisher musste das über die Landesgrenzen hinaus wichtigste Kärntner Musikfestival mit etwa einem Zehntel des Wiener Festwochenbudgets auskommen. Nun reduzierte das Land Kärnten im Frühjahr bereits zugesagte Subventionen ohne Vorwarnung um 20.000 Euro. Totsparen könnte man auch dazu sagen.
Ja, manchmal fragt man sich schon. Beispielsweise, ob in Österreich, das bekanntlich sehr umwegrentabel von der Kultur profitiert, das Armutsgelübde für viele Kunstschaffende womöglich zur Jobbeschreibung gehört.