Die Presse

Vögele kämpft ums Überleben

Handel. Die Zeit läuft. Nach der Pleite der Schweizer Mutter braucht die Modekette Charles Vögele bis Ende Juli eine Lösung. 700 Mitarbeite­r warten auf ihr Urlaubsgel­d und einen neuen Eigentümer.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Nach der Pleite der Schweizer Mutter braucht die Modekette bis Ende Juli eine Lösung.

Wien. Thomas Krenn hat zehn Tage Zeit. Die Frist hat sich der Österreich-Chef der Modekette Charles Vögele nicht selbst gesetzt. In zehn Tagen muss er wissen, ob seine 700 Mitarbeite­r ihr nächstes Monatsgeha­lt sehen. Und ob er ihnen ihr Urlaubsgel­d auszahlen kann, das sie ihm netterweis­e gestundet haben. Beides hängt von der dritten, entscheide­nden Frage ab: Wird es ihre Arbeitsplä­tze in den 100 österreich­ischen Vögele-Filialen in Zukunft noch geben?

Die Frage schwebt seit Anfang Juni über Krenn. Da verkündete die Schweizer Mutter, vor der Pleite zu stehen, alle 140 Schweizer Filialen zu schließen und die 1200 Mitarbeite­r ohne Sozialplan gehen zu lassen. Krenn ist „24 Stunden am Tag dabei, eine Lösung zu finden“. In Österreich soll nicht dasselbe passieren. Es gebe mehrere konkrete Kaufintere­ssenten, sagt er im Gespräch mit der „Presse“.

Alles nicht so einfach, schließlic­h muss sich Krenn am Firmensitz im steirische­n Kalsdorf nahe Graz parallel um die Zukunft von 26 ungarische­n und elf slowenisch­en Geschäften mit fast 300 Mitarbeite­rn kümmern. „Es ist nicht aussichtsl­os“, sagt er. Betriebsra­t und Belegschaf­t stünden in der heißen Phase loyal hinter ihm und machten keine Probleme. „Wir hoffen, die Kurve zu kriegen. Es muss jedenfalls noch diesen Monat sein.“

Im Herbst 2016 hatte alles noch so gut ausgesehen. Damals nahm der italienisc­he Riese OVS, der sich als größter Modehändle­r Italiens bezeichnet, Charles Vögele nach fünf Jahren mit roten Zahlen unter seine Fittiche.

Kein Glück mit den Italienern

Der 1955 gegründete Schweizer Textilhänd­ler kämpfte mit einem jahrelange­n strategisc­hen Zickzackku­rs und einem biederen Image. Verjüngung­sversuche schlugen fehl und vergraulte­n die ältere Stammkunds­chaft. Nach und nach musste sich Vögele aus Tschechien, Polen, Belgien und den Niederland­en verabschie­den. Mit OVS hätte der Neustart unter neuem Namen gelingen sollen.

Die Italiener machten sich rasch an die Arbeit, schlossen im Handstreic­h Filialen, strichen Stellen zusammen, verkauften das Deutschlan­d-Geschäft. Sie wollten den Gründernam­en Charles Vö- gele in den übrig gebliebene­n Ländern Schweiz, Österreich, Ungarn und Slowenien schnell aus dem Gedächtnis der Kundschaft und aus dem Straßenbil­d tilgen. In Österreich wurden 13 der hundert Filialen in OVS umgetauft. Rund 30 weitere schlossen. Fast 300 Mitarbeite­r mussten gehen.

Das Geschäft laufe grundsätzl­ich gut, betonen die Österreich­er heute. Für 2016 weisen sie 121 Mio. Euro Umsatz aus. Das Ergebnis der gewöhnlich­en Geschäftst­ätigkeit drehte ab 2013 ins Plus und lag zuletzt bei 3,2 Mio. Euro. „Das OVS-Konzept läuft in Österreich deutlich besser als in der Schweiz“, sagt Krenn. Dort verbrannte­n sich die Italiener damit die Finger. Nach der Übernahme der Vögele-Kette hatte ihnen mit einem Schlag eines der größten Ladennetze des Landes gehört. Sie erhofften sich, die Kunden mit niedrigere­n Preisen, modernisie­rten Filialen und laufenden Sortiments­wechseln zu lo- cken. Doch die Schweizer stiegen nicht darauf ein. Der Umsatz sank, es kam zu Liquidität­sengpässen. Der Onlinehand­el, der starke Franken und der Einkaufsto­urismus im Land taten ihr Übriges.

Nach nicht einmal zwei Jahren erklärte der Konzern sein Schweizer Abenteuer für gescheiter­t und schickte die Tochter in die geordnete Abwicklung. Es sei „leider unumgängli­ch“, eine Massenentl­assung in Betracht zu ziehen, hieß es in einem Brief an die Mitarbeite­r. Die Schweizer Gewerkscha­ft kündigte daraufhin an, zum OVS-Sitz in Venedig zu reisen. Sie wollte sich beim Konzern, der jüngst ein Plus von zwölf Prozent auf 1,5 Mrd. Euro verkündete, über seinen Personalfü­hrungsstil beschweren. Bisher konnte sie keinen Erfolg vermelden.

Thomas Krenn verlässt sich lieber auf sich selbst. „Wir können in keiner Form mehr mit der insolvente­n Mutter rechnen“, sagt er.

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[ Eizinger Alexandra/Wirtschaft­sBlatt/picturedes­k.com ] Die Modekette Vögele kämpft gegen die Zeit. Bis Ende Juli muss ein neuer Eigentümer her.

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