Die Presse

Die Einsparung­en bei der AUVA sind eine Illusion

500 Millionen Euro kann die Unfallvers­icherung nur sparen, wenn Kosten in andere Bereiche des Gesundheit­ssystems verschoben werden.

- E-Mails an: martin.fritzl@diepresse.com

D as Match, das derzeit auf dem Feld der Sozialvers­icherungen ausgetrage­n wird, lautet nicht Türkis-Blau gegen Rot, sondern Regierung gegen Sozialpart­ner. Es wird mit harten Bandagen gekämpft, auch und vor allem in den eigenen Reihen der Koalitions­parteien. Da beschimpfe­n Generalsek­retäre der Regierungs­parteien ihre eigenen Funktionär­e per Presseauss­endung. Die wiederum schmieden Allianzen mit dem politische­n Gegner gegen die eigene Parteispit­ze. Und es wird mit maßlosen Übertreibu­ngen gearbeitet, und zwar auf beiden Seiten.

Ein Versuch der Versachlic­hung: Wenn die Koalition im Vorfeld einer großen Strukturre­form eine „Ausgabenbr­emse“beschließt, damit die alten Strukturen nicht im letzten Moment noch Geld beim Fenster hinauswerf­en für Dinge, die vielleicht gar nicht mehr benötigt werden, dann mag das in Einzelfäll­en vielleicht ärgerliche Auswirkung­en haben, weil auch durchaus sinnvolle Projekte temporär blockiert sind. Aber es ist nicht die ganz ganz große Katastroph­e für das Gesundheit­ssystem, die jetzt ausgerufen wird.

Auf der anderen Seite ist es absolut lächerlich, die Sozialvers­icherungsf­unktionäre generell als reformunfr­eudige Besitzstan­dswahrer zu verunglimp­fen. Nur zur Erinnerung: Diese haben gerade erst jene Vereinheit­lichung aller Leistungen der Gebietskra­nkenkassen zustande gebracht, für die die Regierung glaubte, die Kassen fusioniere­n zu müssen. Und auch sonst geht die Gesundheit­sreform in puncto gemeinsame­r Planung aller Leistungen durch Ministeriu­m, Länder und Krankenkas­sen durchaus in eine richtige Richtung – auch wenn manches schneller und effiziente­r vonstatten­gehen könnte.

Gerade diese Gesundheit­sreform sollte auch für die Regierung im Zentrum stehen – da hört man inhaltlich aber recht wenig. Am Beispiel des aktuellen Streitthem­as Unfallvers­icherung: Es zeugt nicht von politische­m Gestaltung­swillen, wenn die Gesundheit­sministeri­n der AUVA ein unrealisti­sches Sparziel vorgibt und süffisant lächelnd dabei zusieht, wie das Management bei der Umsetzung scheitert.

Um 500 Millionen Euro sollen die – zur Gänze von den Arbeitgebe­rn getragenen – Beiträge für die Unfallvers­icherung gesenkt werden. Um diese Zahl in die richtigen Dimensione­n zu setzen: Das Gesamtbudg­et der AUVA beträgt 1,4 Milliarden Euro. 500 Mio. werden für Unfallrent­en ausgegeben. Bleiben 900 Mio. für Krankenhäu­ser, Reha-Behandlung­en und Prävention­smaßnahmen. Wer da erklärt, mehr als die Hälfte einsparen zu können, ohne Leistungen zu kürzen, macht dem Publikum bewusst etwas vor – oder hat keine Ahnung, was genauso schlimm ist.

Was sehr wohl möglich ist: Kosten können innerhalb des Gesundheit­ssystems verschoben werden: Erstens zu den Krankenkas­sen, indem diese mehr für Opfer von Freizeitun­fällen zahlen müssen, die in AUVA-Spitälern behandelt werden. Das frisst aber die Synergieef­fekte der Kassenrefo­rm auf, für die angekündig­ten Leistungsv­erbesserun­gen wird nichts mehr übrig bleiben. Zweitens zu den Ländern, indem die AUVA weniger für die Opfer von Arbeitsunf­ällen zahlt, die in Landeskran­kenhäusern behandelt werden. Oder indem die AUVA-Spitäler gleich zur Gänze den Ländern umgehängt werden. Und drittens zu den Klein- und Mittelbetr­ieben, die bisher von der AUVA Entgeltfor­tzahlungen bei Krankheit der Mitarbeite­r bekommen haben. Da werden sich die Unternehme­n über die Lohnnebenk­ostensenku­ng nicht mehr ganz so sehr freuen. N atürlich kann die AUVA auch in der Verwaltung und beim Betrieb ihrer Einrichtun­gen sparsamer vorgehen. Da sind auch radikale Schritte möglich: Es muss in Wien nicht notwendige­rweise zwei Unfallspit­äler geben (zumal das Lorenz Böhler bautechnis­ch am Ende seines Lebenszykl­us angekommen ist). Man kann auch enger mit den Landeskran­kenhäusern kooperiere­n. Und man kann sogar – auch wenn Gewerkscha­ften und SPÖ da aufschreie­n – Spitäler privatisie­ren. Aber man muss ehrlicherw­eise sagen: Damit kommt man nicht einmal annähernd an das geforderte Einsparung­svolumen heran. Schon gar nicht, wenn die Ministerin Bestandsga­rantien für alle Einrichtun­gen abgibt.

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VON MARTIN FRITZL

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