Wohlstandskluft zwischen Ost und West wird kleiner
Datenanalyse. Einige osteuropäische Länder wie Rumänien holten massiv auf. Italiener und Griechen verloren real an Haushaltseinkommen.
Eigentlich müsste es allen EU-Bürgern heute besser gehen als zu Beginn des Jahrtausends. Das ergibt eine Auswertung von Eurostat, dem Statistischen Amt der EU. In den vergangenen 17 Jahren hat nämlich das reale Haushaltseinkommen im Durchschnitt um 18,31 Prozent zugelegt. Zwar ist das Plus tatsächlich ein reales, die Berechnung ist inflationsbereinigt. Doch statistische Auswertungen wie diese arbeiten mit Mittelwerten, deshalb ist das individuelle Empfinden oft ein anderes. Nicht aufgezeigt wurde etwa, wie viele Personen in einem Land davon profitierten.
Faktum ist, dass sich in der Europäischen Union insgesamt die Kluft zwischen Osten und Westen deutlich verringert hat. Damit wird objektiv auch einer der Gründe für die aktuellen Spannungen zwischen den westeuropäischen Ländern und den später der EU beigetretenen Ländern des ehemaligen Ostblocks kleiner.
Während in mehreren westeuropäischen Ländern wie Österreich (+9%) der Wohlstand eher stagniert, legen osteuropäische Länder wie Rumänien, Bulgarien oder die Slowakei kontinuierlich zu. Das Haushaltseinkommen in Rumänien hat sich zwischen 2001 und 2015 laut dieser Auswertung mit 119,08 Prozent mehr als verdoppelt. Ähnlich positiv hat sich Bulgarien mit einer Erhöhung von 82,47 Prozent entwickelt. Auch die Slowakei (+45,2%), Polen (+38,2%) und etwas schwächer Tschechien (+35,8%) lagen klar über dem EUSchnitt. Ungarn, das von der Regierung unter Viktor Orban´ gerne als wirtschaftliches Vorzeigeland verkauft wird, kam im Vergleich zu seinen Nachbarn auf einen bescheidenen Zuwachs von 27 Prozent beim durchschnittlichen Haushaltseinkommen.
Für die Verringerung der Kluft zwischen Ost und West ist auch die Finanz- und Schuldenkrise ab dem Jahr 2009 verantwortlich. Sie traf den Westen stärker als die meisten osteuropäischen Länder. So mussten beispielsweise die Niederländer Reallohnverluste hinnehmen, in Polen verringerten sich hingegen nur die Lohnzuwächse. Extrem negativ war die Entwicklung für Italien und Griechenland. Italienische Haushalte erlebten zwischen 2001 und 2017 reale Einbußen von 4,51 Prozent. In Griechenland sank wegen der Krise das Haushaltseinkommen im Zeitraum bis 2016 sogar um neun Prozent. Die von den Kreditgebern geforderten Einsparungen in Griechenland waren auch dafür verantwortlich, dass die Armutsgefährdung anstieg. Insgesamt ist die Zahl der Menschen, die Gefahr laufen, sich alltäglichen Bedürfnisse wie Essen, Heizen oder Telefonieren nicht mehr leisten können, in der EU gesunken. Nicht so in Griechenland. Waren 2010 dort 27,7 Prozent von Armut bedroht, sind es heute 35,6 Prozent. Auch in Italien hat sich die Armutsgefährdung leicht erhöht.
Die positive Entwicklung in Osteuropa hat zudem Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und dürfte künftig den Druck der Arbeitsmigration Richtung Westen reduzieren. So sank in Rumänien die Arbeitslosigkeit von 7,6 Prozent Anfang des Jahrhunderts auf nur noch 4,9 Prozent. In der Slowakei war die Reduzierung von 18,9 Prozent im Jahr 2000 auf 8,1 Prozent noch größer. Auch Ungarn liegt mittlerweile mit einer Arbeitslosenquote von 4,2 besser als der EU-Schnitt und auch als Österreich (5,5%). Griechenland und Italien erlebte im gleichen Zeitraum hingegen eine negative Entwicklung.