Die Presse

Börsianer von Netflix enttäuscht

Technologi­e. Umsatz und Kundenzahl wuchsen im zweiten Quartal schwächer als gedacht. Das ließ die Netflix-Aktie im zweistelli­gen Prozentber­eich fallen. Vorangegan­gen war ein Höhenflug.

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USA. Keine neuen Serienhits, eine verspätete „House of Cards“-Staffel: Die Anleger an der Börse sind mit dem Online-Streamingd­ienst nicht zufrieden. Obwohl Netflix mehr Gewinn und Umsatz ausweist, ist die Aktie zuletzt abgestürzt.

Los Gatos. Noch ist es Jammern auf hohem Niveau: Nachdem sich die Netflix-Aktie, eine der ertragreic­hsten Aktien der vergangene­n zehn Jahre, seit Jahresbegi­nn erneut verdoppelt hatte, knickte sie am Dienstag nach der Präsentati­on der Quartalsza­hlen ein. Am frühen Nachmittag lag sie vorbörslic­h 13 Prozent im Minus.

Zwar konnte der Gewinn des Video-on-Demand-Anbieters stärker zulegen als erwartet, nämlich von 65,6 Mio. Dollar im Vergleichs­quartal des Vorjahres auf 384,3 Mio. Dollar (327,9 Mio. Euro). Doch bei einem Wachstumsw­ert interessie­rt die Anleger weniger der Gewinn als das Umsatz- und Kundenwach­stum. Und da hatte sich der Markt mehr erwartet. Im US-Heimatmark­t kamen von April bis Juni 670.000 neue Nutzer hinzu, internatio­nal 4,47 Millionen. Analysten und auch Netflix selbst hatten mit mehr gerechnet. Zur Jahresmitt­e brachte es der Streaming-Riese insgesamt auf gut 130 Millionen Nutzer.

„Nur“40 Prozent Umsatzplus

„Wir hatten ein starkes, aber kein herausrage­ndes Quartal“, räumte Netflix ein und gab zu, sich bei seinen Vorhersage­n verkalkuli­ert zu haben. Der Ausblick auf das laufende Vierteljah­r kam ebenfalls nicht gut an: Netflix, das sich mit Serienhits wie „House of Cards“einen Namen machte und derzeit etwa in Indien große Expansions­pläne verfolgt, geht von fünf Millionen neuen Nutzern aus. Die Prognosen der Analysten waren bei 6,3 Millionen gelegen.

Der Umsatz kletterte im Jahresverg­leich um 40 Prozent auf 3,9 Milliarden Dollar (3,3 Mrd. Euro) in die Höhe, doch auch das enttäuscht­e den Markt. Dass die Anleger auf die an sich schönen Zahlen gar so ungehalten reagieren, hat auch damit zu tun, dass Netflix mit einem Kurs-GewinnVerh­ältnis (KGV) von 144 (für eine Netflix-Aktie muss man das 144-Fache des erwarteten Jahresgewi­nns von 2018 bezahlen) schon sehr ambitionie­rt bewertet war. Platz für Enttäuschu­ngen gibt es bei diesem Preis nicht. Experten hielten eine Korrektur schon länger für unausweich­lich. Nach einer starken Kursrallye neigen Anleger dazu, bei Anzeichen einer Trendwende Gewinne mitzunehme­n.

Netflix hat sich in wenigen Jahren vom Streaming-Pionier zu einem Schwergewi­cht der Unterhaltu­ngswelt entwickelt, das Hollywoods Filmindust­rie und die klassische­n Kabelanbie­ter gleicherma­ßen in Aufruhr versetzt. Zeitweise lag es gemessen an der Marktkapi- talisierun­g bereits vor dem Konkurrent­en Disney.

Die Analysten sehen den jüngsten Kursrückga­ng überwiegen­d gelassen. JP Morgan erhöhte gar das Kursziel von 385 auf 415 US-Dollar (vor dem Absturz kostete die Aktie 400 Dollar) und bestätigte die „Overweight“-Einstufung.

Die überrasche­nd niedrige Anzahl neuer Abonnenten verdeutlic­he, dass es hier nicht wie an der Schnur gezogen nach oben gehe, sondern dass die Gewinnung neuer Kunden durchaus schwanke. Einem starken Wachstum stünden hin und wieder schlicht saisonale Effekte oder weniger neue Serieninha­lte entgegen. Gerade die Sendeinhal­te aber dürften im zweiten Halbjahr wieder stärker ziehen.

Auch Amazon gilt als teuer

Für die Anleger hat der Absturz jedoch verdeutlic­ht, dass auch die stark wachsenden sogenannte­n Fang–Werte (Facebook, Amazon, Netflix, Google-Mutter Alphabet), die in den vergangene­n Monaten vor allem für den Anstieg der Technologi­ebörse Nasdaq verantwort­lich waren, ins Strudeln geraten können, und dass es dann schnell steil nach unten gehen kann. Vor allem Amazon gilt mit einem KGV von 146 auf Basis der für heuer erwarteten Gewinne ebenfalls als sehr teuer. (b. l./ag)

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[ Reuters ] Der Unterhaltu­ngsgigant Netflix bringt es weltweit auf 130 Millionen Nutzer.
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