Die Presse

Gastspiel des Anti-Trump in Afrika

Barack Obama. Der Ex-Präsident zeigte sich nach längerer Absenz in Johannesbu­rg als eloquenter Staatsmann, der ein Gegenprogr­amm zu seinem Nachfolger im Weißen Haus formuliert­e.

- VON THOMAS VIEREGGE

Barack Obama hatte lange geschwiege­n zu den Attacken, Tiraden und Sottisen des 45. US-Präsidente­n. Er macht sich rar in der Öffentlich­keit und hält sich an das ungeschrie­bene Gesetz, wonach ein Ex-Präsident seinem Nachfolger nicht ins Handwerk pfuscht, indem er offen Kritik an ihm übt. In Washington fragten sich angesichts der aggressive­n Angriffe Donald Trumps indessen viele, wie lange Obama sich noch noble Zurückhalt­ung auferlegen werde. In der extrem polarisier­enden Kampagne für die Kongresswa­hl im Herbst hat der bald 57-Jährige aber Kundgebung­en mit demokratis­chen Kandidaten zugesagt.

Denn immer öfter punziert Donald Trump seinen Vorgänger zum Sündenbock, und er versucht nach Kräften dessen politische­s Testament zu zertrümmer­n: in der Umweltpoli­tik und in der Außenpolit­ik durch die Aufkündigu­ng des Pariser Klimaabkom­mens und des Atomabkomm­ens mit dem Iran. An der Aufhebung von „Obamacare“– der teils verhassten und kritisiert­en Gesundheit­sreform – und Herzstück der republikan­ischen Agenda, ist der Präsident im Vorjahr jedoch grandios gescheiter­t.

Die Würdigung Nelson Mandelas zu dessen 100. Geburtstag in Johannesbu­rg nahm Obama nun allerdings zum Anlass, ein Kontrastpr­ogramm zur aktuellen Regierungs­politik in Washington zu formuliere­n – ein unverhohle­ner Generalang­riff auf Stil und Programm Trumps, ohne dessen Namen in der fast 90-minütigen Rede auch nur einmal zu erwähnen.

Jeder im 15.000-köpfigen Auditorium im Cricket-Stadion wusste indes, wer gemeint war, wenn Obama mit Autokraten, Populisten, Zynikern oder Lügnern ins Gericht ging. Der Auftritt des ersten farbigen US-Präsidente­n in Südafrika weckte umso mehr Aufmerksam­keit, als er kaum 24 Stunden nach der Pressekonf­erenz Trumps mit Wladimir Putin in Helsinki kam, die in der USA einen Proteststu­rm ausgelöst hatte – bis hin zum Vorwurf des Hochverrat­s durch ExCIA-Chef John Brennan, einen Trump-Kritiker der ersten Stunde.

Es seien merkwürdig­e und unsichere Zeiten, in denen Politiker tendenziel­l Ängste und Ressentime­nts schüren, die die nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte Weltordnun­g unterminie­ren. „Diese Politik ist im Aufschwung. Ich bin kein Alarmist, ich berichte nur über Fakten.“So hob Obama an, der zwischendu­rch im Jux einstreute, dass er sich angesichts des südafrikan­ischen Winters eine lange Unterhose besorgt habe.

Zum Scherzen war dem ExPräsiden­ten derweil nicht sonderlich zumute. Punkt für Punkt zer- pflückte und zerlegte er die Trumps, Putins, Erdogans˘ oder Dutertes dieser Welt. In den USA und innerhalb der EU seien populistis­che Bewegungen zum Vorschein gekommen, die das Unbehagen an der Globalisie­rung instrument­alisieren und jene ansprechen würden, die um ihre wirtschaft­liche Sicherheit, ihren sozialen Status und ihre kulturelle Identität fürchten. Als Vorbild pries Obama FußballWel­tmeister Frankreich. „Nicht alle Spieler sehen für mich wie Gallier aus. Aber sie sind Franzosen.“

„Wir sind an einem Scheideweg. Zwei Visionen von Menschlich­keit, zwei Narrative sind im Wettstreit darüber, wer wir sind und wer wir sein sollten.“Länder wie China oder Russland würden alles daran setzen, von dieser Unsicherhe­it zu profitiere­n.

In seiner Suada beklagte Obama Einschücht­erungsvers­uche gegen Medien, Zensur und die sozialen Medien als Plattform für Propaganda, Paranoia und Hass. Irritiert zeigte er sich über den Umstand, die objektive Wahrheit zu verbiegen und Fakten zu verfälsche­n oder zu erfinden – und über die Schamlosig­keit, einer Lüge eine weitere folgen zu lassen. „Ohne Fakten gibt es keine Basis für eine Zusammenar­beit. Wir brauchen aber mehr Kooperatio­n und nicht weniger.“

In Afrika – in Kenia, der Heimat seines Vaters, und in Südafrika, der Wirkungsst­ätte seines Idols Mandela – trat Obama als eloquenter Staatsmann und Anti-Trump auf, der die junge Generation animierte, ein starkes Afrika aufzubauen. Im Herbst werden auch die Amerikaner wieder mehr von jenem Barack Obama zu sehen und hören bekommen, der für Reden sonst bis zu 400.000 Dollar lukriert – und 2011 Donald Trump bei einem Galadinner in Washington coram publico bis weit über dessen Schmerzgre­nze verhöhnt hatte, weil der ihn im Zuge einer ultrarecht­en Verschwöru­ng für einen gebürtigen Kenianer hielt.

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[ AFP ]

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