Gastspiel des Anti-Trump in Afrika
Barack Obama. Der Ex-Präsident zeigte sich nach längerer Absenz in Johannesburg als eloquenter Staatsmann, der ein Gegenprogramm zu seinem Nachfolger im Weißen Haus formulierte.
Barack Obama hatte lange geschwiegen zu den Attacken, Tiraden und Sottisen des 45. US-Präsidenten. Er macht sich rar in der Öffentlichkeit und hält sich an das ungeschriebene Gesetz, wonach ein Ex-Präsident seinem Nachfolger nicht ins Handwerk pfuscht, indem er offen Kritik an ihm übt. In Washington fragten sich angesichts der aggressiven Angriffe Donald Trumps indessen viele, wie lange Obama sich noch noble Zurückhaltung auferlegen werde. In der extrem polarisierenden Kampagne für die Kongresswahl im Herbst hat der bald 57-Jährige aber Kundgebungen mit demokratischen Kandidaten zugesagt.
Denn immer öfter punziert Donald Trump seinen Vorgänger zum Sündenbock, und er versucht nach Kräften dessen politisches Testament zu zertrümmern: in der Umweltpolitik und in der Außenpolitik durch die Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens und des Atomabkommens mit dem Iran. An der Aufhebung von „Obamacare“– der teils verhassten und kritisierten Gesundheitsreform – und Herzstück der republikanischen Agenda, ist der Präsident im Vorjahr jedoch grandios gescheitert.
Die Würdigung Nelson Mandelas zu dessen 100. Geburtstag in Johannesburg nahm Obama nun allerdings zum Anlass, ein Kontrastprogramm zur aktuellen Regierungspolitik in Washington zu formulieren – ein unverhohlener Generalangriff auf Stil und Programm Trumps, ohne dessen Namen in der fast 90-minütigen Rede auch nur einmal zu erwähnen.
Jeder im 15.000-köpfigen Auditorium im Cricket-Stadion wusste indes, wer gemeint war, wenn Obama mit Autokraten, Populisten, Zynikern oder Lügnern ins Gericht ging. Der Auftritt des ersten farbigen US-Präsidenten in Südafrika weckte umso mehr Aufmerksamkeit, als er kaum 24 Stunden nach der Pressekonferenz Trumps mit Wladimir Putin in Helsinki kam, die in der USA einen Proteststurm ausgelöst hatte – bis hin zum Vorwurf des Hochverrats durch ExCIA-Chef John Brennan, einen Trump-Kritiker der ersten Stunde.
Es seien merkwürdige und unsichere Zeiten, in denen Politiker tendenziell Ängste und Ressentiments schüren, die die nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte Weltordnung unterminieren. „Diese Politik ist im Aufschwung. Ich bin kein Alarmist, ich berichte nur über Fakten.“So hob Obama an, der zwischendurch im Jux einstreute, dass er sich angesichts des südafrikanischen Winters eine lange Unterhose besorgt habe.
Zum Scherzen war dem ExPräsidenten derweil nicht sonderlich zumute. Punkt für Punkt zer- pflückte und zerlegte er die Trumps, Putins, Erdogans˘ oder Dutertes dieser Welt. In den USA und innerhalb der EU seien populistische Bewegungen zum Vorschein gekommen, die das Unbehagen an der Globalisierung instrumentalisieren und jene ansprechen würden, die um ihre wirtschaftliche Sicherheit, ihren sozialen Status und ihre kulturelle Identität fürchten. Als Vorbild pries Obama FußballWeltmeister Frankreich. „Nicht alle Spieler sehen für mich wie Gallier aus. Aber sie sind Franzosen.“
„Wir sind an einem Scheideweg. Zwei Visionen von Menschlichkeit, zwei Narrative sind im Wettstreit darüber, wer wir sind und wer wir sein sollten.“Länder wie China oder Russland würden alles daran setzen, von dieser Unsicherheit zu profitieren.
In seiner Suada beklagte Obama Einschüchterungsversuche gegen Medien, Zensur und die sozialen Medien als Plattform für Propaganda, Paranoia und Hass. Irritiert zeigte er sich über den Umstand, die objektive Wahrheit zu verbiegen und Fakten zu verfälschen oder zu erfinden – und über die Schamlosigkeit, einer Lüge eine weitere folgen zu lassen. „Ohne Fakten gibt es keine Basis für eine Zusammenarbeit. Wir brauchen aber mehr Kooperation und nicht weniger.“
In Afrika – in Kenia, der Heimat seines Vaters, und in Südafrika, der Wirkungsstätte seines Idols Mandela – trat Obama als eloquenter Staatsmann und Anti-Trump auf, der die junge Generation animierte, ein starkes Afrika aufzubauen. Im Herbst werden auch die Amerikaner wieder mehr von jenem Barack Obama zu sehen und hören bekommen, der für Reden sonst bis zu 400.000 Dollar lukriert – und 2011 Donald Trump bei einem Galadinner in Washington coram publico bis weit über dessen Schmerzgrenze verhöhnt hatte, weil der ihn im Zuge einer ultrarechten Verschwörung für einen gebürtigen Kenianer hielt.