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Analyse: Das Duell EU gegen Google

Analyse. Die EU würde Google gern auf Augenhöhe begegnen, kann dem US-Giganten aber nur hinterherh­inken. Nächstes Mal könnte man die Strafe zumindest in Euro berechnen statt in Dollar.

- VON NIKOLAUS JILCH

Wie zwei selbst ernannte Gute ihre Konflikte austragen.

Für Konsumente­n ist sie schon super, diese EU. Das Roaming ist abgeschaff­t, die Fluggäste werden für Verspätung­en entschädig­t – und sogar die Internetri­esen aus Amerika nimmt sich Brüssel zur Brust. Einst Microsoft, heute Google. Da tut sich was.

Für Konsumente­n ist es schon super, dieses Google. Dokumente schreiben, Fotos speichern, E-Mails verwalten: alles gratis. Die Suchmaschi­ne? Gratis. Sogar das Betriebssy­stem für vier Fünftel aller Smartphone­s dieser Welt ist gratis. Da tut sich was.

Es ist das Duell zweier Weltverbes­serer nach Eigendefin­ition, das wir gerade sehen, rund um die Milliarden­strafe der EU für Google. Beide sehen sich in der Rolle des „Guten“. Die EU inszeniert sich gern als Supermacht mit „Soft Power“. Google hat den Anspruch, Gutes zu tun, schon im einstigen Firmenslog­an: „Don’t be evil.“Beide Seiten sehen sich aufseiten der Konsumente­n. Und beide tun so, als wäre die andere Seite auf dem kompletten Holzweg.

Die EU will die Dominanz von Google wenn nicht brechen, dann zumindest begrenzen – damit die europäisch­en Konsumente­n dem Onlinegiga­nten aus Kalifornie­n nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefe­rt sind. Mit solchen Maßnahmen hat man in Brüssel schon Übung. Statt den Aufbau einer eigenen, europäisch­en Online-Infrastruk­tur voranzutre­iben, versucht man, den US-Giganten Steine in den Weg zu legen. Vor Google hieß der Gegner Microsoft.

Google hat gewonnen

Das spült – nach langem Rechtsstre­it – Geld in die Taschen, ärgert Donald Trump und soll ultimativ die Handlungsf­ähigkeit der EU unter Beweis stellen. Für die Union gibt es dabei kaum Risiko. Google wird sich nicht beleidigt aus Europa zurückzieh­en. Und Kommissari­n Margrethe Vestager kann sich als Hüterin einer fairen Wettbewerb­sordnung inszeniere­n. Zielführen­d ist es aber nicht.

Google will viel Marktmacht, um Geld zu machen. Das ist die Aufgabe einer börsenotie­rten Firma. Daran gibt es nichts auszusetze­n. Natürlich hat Vestager recht, dass Google seine marktbeher­rschende Stellung ausnutzt, um noch mächtiger zu werden. Ja, Google zwingt die Hersteller zur Implementi­erung der GoogleApps (YouTube, Maps), wenn sie das Betriebssy­stem Android samt prall gefülltem Playstore verwenden wollen. Aber nicht Google, sondern die Realität zwingt die Hersteller, Android zu nutzen.

Es gibt außer Apples iOS nun einmal keine dritte Plattform, die für App-Entwickler interessan­t ist. Und ein Betriebssy­stem ist nur so gut wie die Apps, die dort laufen. Microsoft, Blackberry und andere haben versucht, mit eigener Software Fuß zu fassen – sie sind gescheiter­t. Google hat gewonnen. Aber das iPhone gibt es ja schon noch. Es ist in Europa weitaus häufiger anzutreffe­n als etwa Apple-Computer zu der Zeit, in der sich die EU mit Microsoft wegen der Dominanz von Windows angelegt hat. Kommissari­n Vestager nützt selbst ein iPhone. Das gibt Googles Chef die Gelegenhei­t zum Gegenschla­g: „Die Entscheidu­ng scheint zu ignorieren, dass AndroidTel­efone mit iOS-Geräten konkurrier­en“, so Sundar Pichai.

Und er erinnert die EU daran, dass unter den 1300 Hersteller­n von AndroidGer­äten auch viele in EU-Ländern sitzen. Tatsächlic­h wäre etwa das späte Comeback von Nokia als Marke ohne die Google-Software niemals möglich gewesen. Überhaupt ist die Frage zu stellen, wie eine Welt ohne Android aussehen würde. Hätte Apple totale Marktdomin­anz? Würde Samsung sein eigenes Betriebssy­stem bringen, wie man es ohnehin gern hätte? Gäbe es einen Anbieter aus Europa, der mitmischt? Hätten Europäisch­e Konsumente­n tatsächlic­h „die Vorteile eines effiziente­n Wettbewerb­s in der wichtigen mobilen Arena“genießen können, wie es Vestager sagt?

Kein großen Effekte

Oder sehen wir genau diesen Wettbewerb – und Europa hat wieder einmal geschlafen? Asiatische Produzente­n sind dank Android zu globalen Playern geworden. Warum ist das keinem der Hersteller aus Europa gelungen? Die EU-Entscheidu­ng wird daran jetzt nichts ändern, sie wird die Zukunft des mobilen Marktes kaum beeinfluss­en. Die EU kann Google nur hinterherh­inken. Die Strafe wird die fixe Verankerun­g von Google-Apps in neuen Smartphone­s ein bisschen lockern. Mehr nicht.

Ein Vorschlag noch: Die nächste Strafe sollte Brüssel nicht zuerst in Dollar (fünf Milliarden) festlegen und dann in Euro (4,34 Mrd.) umrechnen. So eine Praxis zeugt wahrlich nicht von großem europäisch­en Selbstvert­rauen.

Die Entscheidu­ng scheint zu ignorieren, dass Android-Telefone mit iOS-Geräten konkurrier­en. Sundar Pichai CEO von Google

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[ Reuters ] EU-Kommissari­n Margrethe Vestager bestraft Google – mit einem iPhone von Apple in der Hand.
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